Wo sich Vertrautes und Fremdes begegnen
Normalerweise inszeniert Alexander Riemenschneider in Hamburg, Berlin oder Bremen. Derzeit bringt er im rumänischen Sibiu Ödön von Horváths "Hin und Her" auf die Bühne. Mit einem deutschsprachigen, aber nicht muttersprachlichen Ensemble. Eine völlig neue Erfahrung.
Seit dem 16. Jahrhundert wird in Sibiu, dem ehemaligen Hermannstadt, deutschsprachiges Theater gespielt. Und auch wenn in der einstmals bedeutenden Metropole der Siebenbürger Sachsen Deutsch nur noch von einer kleinen Minderheit gesprochen wird, ist die deutsche Kultur auch in der modernen rumänischen Stadt präsent, auch im Nationaltheater, in dem es eine deutsche Abteilung mit festem Ensemble gibt.
"Die Ideen sind größer als die Menschen"
Eine einzigartige Begegnung von etwas Vertrautem und etwas Fremdem: so beschreibt der Regisseur Alexander Riemenschneider seine Probenarbeit am Staatstheater Radu Stanca. Einerseits der vertraute Umgang mit einem deutschsprachigen Ensemble, andererseits das Erarbeiten eines Stücks von Ödön von Horváth mit Schauspielern, die zwar allesamt fließend Deutsch sprechen, für die aber Deutsch nicht die Muttersprache ist. Da Horváth selbst für seine Vorstellung von Volkstheater wesentlich fand, dass Hochdeutsch gesprochen werden sollte, aber mit einem Dialektfärbung, ging es in der Probenarbeit auch darum, sich einen Dialekt zu erarbeiten und so jene Künstlichkeit der Sprache zu erfinden, die beim Inszenieren von Stücken dieses Autors wichtig ist. So werde Horváths Eigenart, liebevoll von Menschen zu erzählen, für die die Ideen, die sie im Munde führen, eigentlich zu groß sind, in der Probenarbeit überaus plastisch darstellbar.
Von Grenzen und Gesetzen
Horváths Stück fängt eine Abschiebesituation auf einer Brücke zwischen zwei Ländern ein, auf der ein pleite gegangener Drogeriebesitzer strandet. In das eine Land darf er nicht einreisen, weil neue Gesetze dies verhindern, in das andere kann er nicht mehr zurück.
Überraschend war für den Regisseur Alexander Riemenschneider, der sonst unter anderem in Berlin, Bremen oder Hamburg inszeniert, dass er mit der Idee nach Sibiu kam, die Inszenierung eindeutig um die aktuelle politische Frage von Grenzen und Abschiebung in Europa zu lassen, der Probenprozess aber gezeigt habe, dass auch die vermeintliche Allgemeingültigkeit und die reale Biegsamkeit von Gesetzen durch die geteilten Erfahrungen des Ensembles immer wichtiger geworden sind. Je possenartiger die Inszenierung diese Themen aufgreift, je bitterer könnte das Lachen ausfallen, wenn am 15. September Premiere ist.