Kommentar
Auch beim Fußball-Bundesligaspiel Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg protestierten Ultras mit Tennisbällen gegen den Einstieg von Investoren in die DFL. © dpa / picture alliance / Ryan Sleiman
Ultras oder DFL: Wer ist mächtiger?
06:38 Minuten

Tennisbälle, Schokotaler, andere Kamelle: Seit Wochen protestieren Ultras gegen den möglichen Einstieg von Investoren in die Deutsche Fußball Liga. Dabei stehen Ultras und DFL schon lange in einem Abhängigkeitsverhältnis, meint Thomas Wheeler.
So, das muss jetzt mal sein.
Ich habe bei der Arbeit meinen Computer lahmgelegt, weil ich mir gedacht habe, damit könne ich die Digitalisierung aufhalten. Einige Kollegen machen bereits mit - und wir werden immer mehr. Unsere Briefe schreiben wir jetzt wieder mit Stift und Papier. Hoffentlich bekommen wir auch die Geschäftsleitung auf unsere Seite.
Ich habe bei der Arbeit meinen Computer lahmgelegt, weil ich mir gedacht habe, damit könne ich die Digitalisierung aufhalten. Einige Kollegen machen bereits mit - und wir werden immer mehr. Unsere Briefe schreiben wir jetzt wieder mit Stift und Papier. Hoffentlich bekommen wir auch die Geschäftsleitung auf unsere Seite.
Die Stimmung ist überall aufgeheizt
Was für ein Blödsinn, wird jetzt vielleicht manch einer denken, und das in diesem Programm. Keine Sorge! Ist nur ein Gedankenspiel. Was ich damit lediglich sagen will, ist, dass hierzulande immer mehr Menschen das Bedürfnis haben, öffentlich Druck abzulassen. Die Stimmung ist allerorten aufgeheizt.
Haben wir als deutsche Gesellschaft insgesamt und auch als Individuen zu lange stillgehalten und zu vieles weg-, beziehungsweise eingesteckt, da die Not noch nicht groß genug war?
Ist diese Eruption der Wut eine Spätfolge der Isolation in der Coronapandemie oder des seinerzeit etablierten Tons im allgemeinen Diskurs? Vergessen wir dabei nicht oft, dass es der Mehrheit in diesem Land doch vergleichsweise gut geht?
Unterschiedliche Anliegen der einzelnen Gruppen
Die Anliegen und Ziele der einzelnen Gruppen, von denen viele bereits länger auf gefühlte und vorhandene Missstände hinweisen, sind sehr unterschiedlich.
Eins haben die Proteste der Bauern, Lokführer, Piloten und Ultras in den Fankurven der Fußballstadien allerdings gemeinsam. Jeder will auf sich aufmerksam machen. Jeder meint, er hat Recht. Und er wähnt sich vor allem im Recht für seine Belange Unruhe stiften zu können.
Grundsätzlich habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn Menschen sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Das macht für mich eine lebendige Demokratie aus, und wir müssen es aushalten können, wenn andere nicht unserer Meinung sind.
Wer gehört eigentlich zu den Ultras?
Solange sich alles im Rahmen des Grundgesetzes bewegt. Es kommt aber immer auf die Art und Weise und auf das Maß an, womit ich wieder bei den Ultras in den deutschen Profivereinen wäre.
Wer gehört eigentlich alles zu dieser Gruppe? Sind es wirklich nur die Fans, die in den Kurven stehen oder auch Anhänger, die seit 40 Jahren ihrem Verein die Treue halten, aber auf der Tribüne sitzen? Die Ultras in den Fankurven nehmen sich die Bühne und sorgen für Stimmung in den Stadien, wobei sie beim Abbrennen von Pyros und Bengalos auch bewusst Grenzen überschreiten und austesten, wie weit sie gehen können. Immer öfter höre ich von anderen Zuschauern, dass sie vor allem wegen der besonderen Atmosphäre zum Fußball gehen, für die die Ultras sorgen. Eventisierung zieht halt die Massen an. Aber es gibt eben auch Fans, die genau deswegen nicht mehr zum großen Fußball gehen.
Seit mehreren Wochen protestieren die Ultras einmal mehr gegen den möglichen Einstieg von Investoren in die Deutsche Fußball Liga. Werfen Tennisbälle, Schokoladentaler und andere Kamelle auf die Spielfelder der 1. und 2. Bundesliga und bekunden damit ihre Abneigung gegen die stetig wachsende Kommerzialisierung des Profifußballs.
Klar: Ultras gehen für ihren Verein durch dick und dünn. Sind bei Heim- und Auswärtssspielen immer dabei, bei jedem Wetter. Die Vereine sind wie eine Familie für sie. Aber rechtfertigt das die gegenwärtige Verschärfung der Proteste?
Die DFL will frisches Geld
Das Unbehagen gegenüber den DFL-Plänen kann ich durchaus nachvollziehen. Denn schließlich weiß niemand, welche kommerziellen Auswüchse sich daraus noch entwickeln könnten. Andererseits ist es auch sehr romantisch anzunehmen, dass man Investoren aus dem deutschen Profifußball heraushalten könne, wenn man nur ordentlich Tennisbälle wirft.
Die Deutsche Fußball Liga will mit Hilfe von Private-Equity-Gesellschaften an noch mehr Geld. Vor allem die großen deutschen Klubs, allen voran die Bayern, versprechen sich davon noch mehr Profit. Nur so könne der deutsche Profifußball international konkurrenzfähig bleiben, behaupten die Münchner dann immer und meinen damit jedoch in erster Linie nur sich selbst.
Warum erklärt die DFL nicht endlich hinreichend ihre Motive? Dann sollte sie auch aber bereit sein, sich die Gegenargumente der Ultras zumindest einmal anzuhören. Wenn Sie wirklich gegen die Protestaktionen ist, könnte sie doch klare Kante zeigen und diese verurteilen. Macht sie aber nicht.
Kann man ohne Ultras gar nicht mehr?
Kann es sein, dass man ohne Ultras gar nicht mehr kann beziehungsweise auch nicht will? Die Fernsehbilder, die diese jeden Spieltag liefern, sind doch beste Werbung für das Produkt Profifußball "Made in Germany". Im In- wie im Ausland.
Machen wir uns nichts vor. DFL und Ultras stehen schon lange in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander, auch wenn sie das so nie zugeben würden. Ehrlich zu sich und zum vermeintlichen Gegner zu sein, könnte womöglich einen Weg bereiten, der beide Seiten wenigstens annähernd zufriedenstellt.