Diät für Haustiere
Nicht nur die Menschen, auch Tiere leiden unter Fettleibigkeit. Fachleute wollen ihre Frühjahrsdiäten endlich auch auf Haustiere ausdehnen. Unser Lebensmittelchemiker Udo Pollmer fragt sich, ob es wirklich genügt, nur Mensch und Haustier zu verschlanken.
Aus den USA kommen gerade aktuelle Daten zur Entwicklung des Übergewichts. Rein geschäftlich betrachtet sind die Ergebnisse enttäuschend: Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sind die Werte seit über 10 Jahren unverändert - so die amtlichen Daten. Nun müssen sich die Experten nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Glaubt man den Fachgesellschaften, so hat die Übergewichtsepidemie längst Lumpi erfaßt. In den USA sollen bereits jeder zweite Hund und jede zweite Katze zu fett sein. Und der Trend ginge stetig nach oben.
Dass die Zunahme des Fettanteils eine typische Folge der Kastration ist, wird natürlich nirgendwo erwähnt. Ebensowenig die hohen Gehalte an Phytoöstrogenen, an weiblichen Sexualhormonen, die über den Sojaanteil ins Futter geraten können. Damit wird in Fertigfutter das teurere tierische Eiweiß ersetzt. Dazu kommen weitere Ursachen wie diverse Infekte. Doch die Experten kennen meist nur einen Grund: Schuld seien die Kalorien, namentlich die Naschereien, mit denen die Tiere zwischen den Mahlzeiten belohnt würden.
Wozu rät die Fachwelt nun? Klar doch, zu Karotten, zu Brokkoli und Selleriestangen. In Deutschland rennen sie damit offene Türen ein. Hier werden bereits viele Katzen und Hunde vegan ernährt, also völlig frei von Mäusen oder Knochen - rein pflanzlich mit Vollkornnudeln und Sojabrocken. Doch ob die vegetarische Kost die Tierwelt schlank macht, darf bezweifelt werden, seit die geschulten Augen der Diätdealer sogar auf der Weide adipöse Patienten entdecken. Immer mehr Pferde würden übergewichtig. Schuld seien diesmal nicht die Leckerli, sondern - so die Fachpresse - das "fette Gras".
Eine US-amerikanische Studie hat sich der Tiere in den Forschungsstationen, also bei optimaler Haltung, angenommen und beklagt, dass die Schimpansen inzwischen ein Bäuchlein bekämen. Ganz zu schweigen von den Labormäusen. Auch die seien heute schwerer als früher - und das bei gleichem Futter. In freier Wildbahn sähe die Lage noch dramatischer aus. Eine größere Anzahl von urbanen Kanalratten aber auch von Wanderratten aus dörflichen Gemeinschaften zeigte auf der Waage ebenfalls einen klaren Trend nach oben. Den Fettanteil haben die Forscher erst gar nicht gemessen.
Nicht auszudenken, was passiert, wenn diese Typen einen Zoo besuchen und dort ihr Unwissen in bare Münze umsetzen wollen. Dann werden die feisten Nilpferde mit Aquajogging auf Figur getrimmt; vor meinem geistigen Auge sehe ich schon, wie Fitneßtrainerinnen den Faultieren Beine machen. Auch die Ernährungsgewohnheiten von Großkatzen sind alles andere als vorbildlich. Mit einem bunten Salatteller in der Hand könnten Diätberaterinnen den Miezen eine politisch korrekte Kost bieten. Falls der Brokkoli und die Selleriestangen nach der Mahlzeit übrigbleiben, stört das die Tiere nicht.
Inzwischen leiden, so die Diabetologen, schon Insekten an Fettsucht und Diabetes. Da wird mir ums Völkchen der fleißigen Immen angst und bang. Sie sammeln Unmengen an Zucker und verfüttern den Gefahrstoff auch noch an ihre Brut. Sollte man ihnen nicht wenigstens im Winter statt Zuckerwasser ein paar Süßstoffe gönnen? Da trifft es sich gut, dass die Europäische Lebensmittelbehörde soeben einen weiteren Süßstoff positiv beurteilt hat: Das Neohesperidin; es soll ans Vieh verfüttert werden - aber nicht als Schlankmacher sondern ausdrücklich zur Steigerung des Masterfolgs - für Schweine, Schafe und Rindviecher. Für Menschen ist es längst erlaubt.
Mit der Übergewichtsepidemie verhält es sich so wie mit der Jungfrauengeburt. Allein der Glaube entscheidet über Wahrheit und Irrtum. Religiöser Wahn macht vor nichts Halt. Wie weit sich dieser unserer Gesellschaft bemächtigt hat, offenbart die Ratgeber-Bestsellerliste des Focus: Da finden sich auf den ersten 10 Plätzen gleich 9 Diätbücher - vorzugsweise solche, die Schlankheit im Schlaf versprechen. Genausogut könnten die Leser versuchen, auf einer Rindswurst zum Mond zu reiten. Oder ihre Familien samt Fiffi mit "natürlichen Süßstoffen" zu verschlanken. Mahlzeit!
Literatur:
Schilder RJ; Marden JH: Metabolic syndrome in insects triggered by gut microbes. Journal of Diabetes Science and Technology 2007; 1: 794-796
Ward E et al: Big pets get bigger: Latest survey shows US dog and cat obesity epidemic expanding. Association for Pet Obesity Prevention, Calabash 6. Feb 2012
EFSA Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed (FEEDAP): Scientific opinion on the safety and efficacy of neohesperidine dihydrochalcone when used as a sensory additive for piglets, pigs for fattening, calves for rearing and fattening, lambs for rearing and fattening, dairy sheep, ewes for reproduction, salmonids and dogs. EFSA Journal 2011; 9: e2444
Flegal KM et al: Prevalence of obesity and trends in the distribution of body mass index among US adults, 1999-2010. JAMA. 2012; 307: 491-497
Ogden CL et al: Prevalence of obesity and trends in body mass index among US children and adolescents, 1999-2010. JAMA. 2012; 307: 483-490
Klimentidis YC et al. Canaries in the coal mine: a cross-species analysis of the plurality of obesity epidemics. Proceedings of the Royal Society B 2011; 278: 1626-1632
Anon: USA: Auch Pferde sind zu dick. Tierärztliche Umschau 2008; 63: 465
Dass die Zunahme des Fettanteils eine typische Folge der Kastration ist, wird natürlich nirgendwo erwähnt. Ebensowenig die hohen Gehalte an Phytoöstrogenen, an weiblichen Sexualhormonen, die über den Sojaanteil ins Futter geraten können. Damit wird in Fertigfutter das teurere tierische Eiweiß ersetzt. Dazu kommen weitere Ursachen wie diverse Infekte. Doch die Experten kennen meist nur einen Grund: Schuld seien die Kalorien, namentlich die Naschereien, mit denen die Tiere zwischen den Mahlzeiten belohnt würden.
Wozu rät die Fachwelt nun? Klar doch, zu Karotten, zu Brokkoli und Selleriestangen. In Deutschland rennen sie damit offene Türen ein. Hier werden bereits viele Katzen und Hunde vegan ernährt, also völlig frei von Mäusen oder Knochen - rein pflanzlich mit Vollkornnudeln und Sojabrocken. Doch ob die vegetarische Kost die Tierwelt schlank macht, darf bezweifelt werden, seit die geschulten Augen der Diätdealer sogar auf der Weide adipöse Patienten entdecken. Immer mehr Pferde würden übergewichtig. Schuld seien diesmal nicht die Leckerli, sondern - so die Fachpresse - das "fette Gras".
Eine US-amerikanische Studie hat sich der Tiere in den Forschungsstationen, also bei optimaler Haltung, angenommen und beklagt, dass die Schimpansen inzwischen ein Bäuchlein bekämen. Ganz zu schweigen von den Labormäusen. Auch die seien heute schwerer als früher - und das bei gleichem Futter. In freier Wildbahn sähe die Lage noch dramatischer aus. Eine größere Anzahl von urbanen Kanalratten aber auch von Wanderratten aus dörflichen Gemeinschaften zeigte auf der Waage ebenfalls einen klaren Trend nach oben. Den Fettanteil haben die Forscher erst gar nicht gemessen.
Nicht auszudenken, was passiert, wenn diese Typen einen Zoo besuchen und dort ihr Unwissen in bare Münze umsetzen wollen. Dann werden die feisten Nilpferde mit Aquajogging auf Figur getrimmt; vor meinem geistigen Auge sehe ich schon, wie Fitneßtrainerinnen den Faultieren Beine machen. Auch die Ernährungsgewohnheiten von Großkatzen sind alles andere als vorbildlich. Mit einem bunten Salatteller in der Hand könnten Diätberaterinnen den Miezen eine politisch korrekte Kost bieten. Falls der Brokkoli und die Selleriestangen nach der Mahlzeit übrigbleiben, stört das die Tiere nicht.
Inzwischen leiden, so die Diabetologen, schon Insekten an Fettsucht und Diabetes. Da wird mir ums Völkchen der fleißigen Immen angst und bang. Sie sammeln Unmengen an Zucker und verfüttern den Gefahrstoff auch noch an ihre Brut. Sollte man ihnen nicht wenigstens im Winter statt Zuckerwasser ein paar Süßstoffe gönnen? Da trifft es sich gut, dass die Europäische Lebensmittelbehörde soeben einen weiteren Süßstoff positiv beurteilt hat: Das Neohesperidin; es soll ans Vieh verfüttert werden - aber nicht als Schlankmacher sondern ausdrücklich zur Steigerung des Masterfolgs - für Schweine, Schafe und Rindviecher. Für Menschen ist es längst erlaubt.
Mit der Übergewichtsepidemie verhält es sich so wie mit der Jungfrauengeburt. Allein der Glaube entscheidet über Wahrheit und Irrtum. Religiöser Wahn macht vor nichts Halt. Wie weit sich dieser unserer Gesellschaft bemächtigt hat, offenbart die Ratgeber-Bestsellerliste des Focus: Da finden sich auf den ersten 10 Plätzen gleich 9 Diätbücher - vorzugsweise solche, die Schlankheit im Schlaf versprechen. Genausogut könnten die Leser versuchen, auf einer Rindswurst zum Mond zu reiten. Oder ihre Familien samt Fiffi mit "natürlichen Süßstoffen" zu verschlanken. Mahlzeit!
Literatur:
Schilder RJ; Marden JH: Metabolic syndrome in insects triggered by gut microbes. Journal of Diabetes Science and Technology 2007; 1: 794-796
Ward E et al: Big pets get bigger: Latest survey shows US dog and cat obesity epidemic expanding. Association for Pet Obesity Prevention, Calabash 6. Feb 2012
EFSA Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed (FEEDAP): Scientific opinion on the safety and efficacy of neohesperidine dihydrochalcone when used as a sensory additive for piglets, pigs for fattening, calves for rearing and fattening, lambs for rearing and fattening, dairy sheep, ewes for reproduction, salmonids and dogs. EFSA Journal 2011; 9: e2444
Flegal KM et al: Prevalence of obesity and trends in the distribution of body mass index among US adults, 1999-2010. JAMA. 2012; 307: 491-497
Ogden CL et al: Prevalence of obesity and trends in body mass index among US children and adolescents, 1999-2010. JAMA. 2012; 307: 483-490
Klimentidis YC et al. Canaries in the coal mine: a cross-species analysis of the plurality of obesity epidemics. Proceedings of the Royal Society B 2011; 278: 1626-1632
Anon: USA: Auch Pferde sind zu dick. Tierärztliche Umschau 2008; 63: 465