Dialog der Geschlechter

"MeToo hat das Thema endlich aufs Tapet gebracht"

Eine Demonstration gegen sexualisierte Gewalt und sexistische Übergriffe am 28. Oktober 2017 in Berlin.
Eine Demonstration gegen sexualisierte Gewalt und sexistische Übergriffe am 28. Oktober 2017 in Berlin. © imago/Bildgehege
Catherine Newmark im Gespräch mit Dieter Kassel |
Die Philosophin Svenja Flaßpöhler kritisiert in ihrer Streitschrift "Die potente Frau" die #MeToo-Debatte. Ihre Kollegin Catherine Newmark widerspricht, denn sie teilt die Einschätzung nicht, dass #MeToo die Frauen infantilisiere.
Am 3. Mai haben wir mit der Philosophin und Journalistin Svenja Flaßpöhler über ihre Streitschrift "Die potente Frau. Für eine neue Weiblichkeit" gesprochen. Heute meldet sich ihre Kollegin Catherine Newmark mit einer kritischen Erwiderung zu Wort.
Der Hintergrund: Svenja Flaßpöhler ist eine der schärfsten Kritikerinnen der #MeToo-Bewegung. In einem Manifest fordert die Chefredakteurin des "Philosophie Magazins": Wir dürfen nicht alle Probleme den Männern zuschieben. Frauen sollten sich selbst ermächtigen. Und:#MeToo führe zu einer "Infantilisierung der Frauen".
Catherine Newmark
Catherine Newmark© Foto: privat

"Ein sehr starke Bewegung"

Catherine Newmark, ebenfalls Philosophin, sagt: Gegen "potente Frauen" sei natürlich nichts einzuwenden – "wir müssen selbstbewusst in der Sexualität und im Alltag sein". Sie teile jedoch Flaßpöhlers Einschätzung nicht, wonach die #MeToo-Debatte Frau infantilisiere. Im Gegenteil: "Was #MeToo im Kern ausmacht – und das macht es aus meiner Sicht zu einer sehr starken Bewegung – ist, dass es diese Frage – wie wir uns sexuell begegnen – überhaupt aufs Tapet bringt." Damit habe #MeToo genau den Punkt wieder stark gemacht: nämlich, dass Männer und Frauen mehr miteinander über Sexualität reden. Insofern, sagt Newmark, begreife sie die Debatte als Chance.
Svenja Flaßpöhler unterstelle, #MeToo sei im Kern die Bewegung von Frauen, die sich selbst in konkreten, als übergriffig empfundenen Situationen eher passiv verhielten und danach darüber auf Twitter klagten. Dem könne sie keinesfalls zustimmen – denn der Fall Harvey Weinstein, der das Ganze ins Rollen gebracht habe, sei ja voll detaillierter Berichte darüber, wie und in welchem Umfang sich etliche der betroffenen Frauen gegen sexuelle Übergriffe gewehrt hätten.

Auch viele Männer haben sich zu Wort gemeldet

Catherine Newmark sagte weiter, sie könne ihrer Kollegin auch darin nicht folgen, dass in der Debatte nur über Bande diskutiert würde und nur Frauen sich zu Wort meldeten. Sie sehe Frauen wie Männer über das Thema sexuelle Belästigung miteinander im Dialog. "Es haben sich wahnsinnig viele Männer geäußert, auf Twitter mit dem Hashtag #it was me, und sie haben überlegt, wie sie sich verhalten oder hätten verhalten sollen." Das wiederum habe das Feld dafür geöffnet, über das eigene Verhalten in der Sexualität und in der Berufswelt nachzudenken.
Zum Thema "Selbtermächtigung der Frau" sagte Newmark, beide Perspektiven könnten ermächtigend sein: Die eine - ich kann etwas tun, kann mich wehren, denn andere tun es auch, wir tun es jetzt im Verbund und ich kann meinem eigenen Willen folgen. Genauso gut aber auch die andere: Es ist ein gesamtgesellschaftliches, strukturelles Problem, es ist nicht meine Schuld.
(mkn)
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