Dichten nach Auschwitz
Klarinettist Giora Feidman und Schauspieler Ben Becker rezitieren Gedichte von Paul Celan: "Zweistimmig" heißt ihr Programm auf den Jüdischen Kulturtagen. Ein launiger Abend mit Poesie zu jiddischer Musik ist wegen der Schwere der Celanschen Lyrik nicht zu erwarten.
Zwei unverwechselbare Stimmen treffen hier aufeinander: Der Klarinettist Giora Feidman und der Mann mit der markanten Bass-Stimme: Der Schauspieler und Sänger Ben Becker. Der eine ist schon zu Lebzeiten eine Legende durch seinen "Jewish Soul", der Vermischung von Virtuosität und emotionaler Tiefe, mit der er nicht nur jiddische Musik spielt, sondern auch Ausflüge in die Klassische Musik unternimmt.
Nach ein paar Takten stehen die Zuhörer im Bann des 77-jährigen Mannes aus Buenos Aires. Ganze Generationen von Musikern haben von dem Meister an der Klarinette gelernt. Nun hat sich Feidman mit dem Schauspieler Ben Becker für das Projekt "Zweistimmig" zusammengetan. Dabei geht es um die Lyrik von Paul Celan, genauer gesagt um den Band "Mohn und Gedächtnis". Darin auch Celans berühmtestes Gedicht, die "Todesfuge", in der es heißt: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland"!
Celans Gedichte spielen heute einen zentrale Rolle im Verhältnis zwischen Deutschen und Juden. Das war nicht immer so: Als Celan kurz nach dem Krieg seine Gedichte im Rahmen der Gruppe 47 vortrug, da waren es vor allem ehemalige Wehrmachtssoldaten innerhalb dieser Dichtervereinigung, die Celan einen Tonfall wie bei Goebbels unterstellten. Diese Einstellung hat sich komplett ins Gegenteil verkehrt, nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit Adornos Verdikt: "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch"!
Celan hatte ein paar Jahre zuvor seine Eltern im Holocaust verloren. Seine Antwort darauf: Gedichte zu schreiben, auf Anhieb schwer verständlich und dennoch von höchster Empfindsamkeit angesichts des Grauens. Das adäquat auf die Bühne zu bringen, war keine leichte Aufgabe, verrät Ben Becker.
"Oh, das war viel Arbeit. Ich habe irgendwie dieses Büchlein Mohn und Gedächtnis wieder in die Finger gekriegt. Und habe recht wenig verstanden. Ich meine, die Todesfuge ist ja offensichtlich, das ist ja auch Pflichtlektüre in der Schule, und das kommt ja auch mit dem Dampfhammer dahinter, aber da gibt es schon auch sehr differenzierte Gedichte, wo ich sage, wo kommt das jetzt her. Und dann hat mich natürlich auch mein Nicht-Verstehen interessiert. Warum gilt er als einer der größten Lyriker des letzten Jahrhunderts und ich verstehe ihn nicht? Und dann habe ich angefangen, es verstehen zu wollen. Und damit bin ich Celan so nahe gekommen, wie man ihm nur nahekommen kann. Er selber hat ja gesagt: Lesen sie nur immer wieder, lesen und sie werden vestehen.''"
Ein launiges Programm mit Lyrik zu jiddischer Schtettl-Musik soll der Abend nicht werden. Das Konzept sieht nicht nur Gedicht-Rezitale vor, sondern auch Briefwechsel Paul Celans etwa mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Der Dichter aus Cernowitz, der am 20. April 1970 in Paris Selbstmord beging, soll den Zuhörern nähergebracht werden. Eine Herausforderung auch für Giora Feidman, der bis zu den Proben die Gedichte Celans noch gar nicht kannte. Es habe seine Zeit gebraucht, um sich zu entscheiden, welche Musik überhaupt zu solchen Gedichten passen könnte:
""Ich würde sagen, 90 Prozent der Musik hat eine Verbindung zu jüdischer Kultur und Musik. Dabei es gibt so viele unterschiedliche Elemente darin. Manchmal kann man Kunst nicht beschreiben. Ich bin eine Person, die mit dem Schöpfer in Verbindung steht, nennen Sie ihn Gott oder wie auch immer. Nur weil Gott uns beauftragt hat, dieses Programm auf diese Weise zu machen, kann es überhaupt auf diesem Level stattfinden. Punkt. Ich habe zu den Titeln der Gedichte keine so große Verbindung, weil für mich Titel nichts repräsentieren. Musik ist Musik. Aber wenn Sie mich fragen, welche Musik wir spielen, dann spielen wir als erstes ein Lied mit dem Titel "Malchei Israel". Es ist ein Vergnügen, damit zu beginnen, weil das Lied sehr beliebt ist am Schabbat. In Israel geht nichts am Schabbat ohne dieses Lied."
Kennengelernt hatten sich Giora Feidman und Ben Becker schon vor längerer Zeit. Sie sind sogar schon mal im Kinofilm "Comedian Harmonists" gemeinsam aufgetreten, in dem Ben Becker einen jüdischen Sänger gespielt hat. Und Giora Feidman: einen Klezmer-Klarinettisten. Spätestens als sie sich dann beim sogenannten Rilke-Projekt wiedertrafen, wurde aus dem Wunsch zur Zusammenarbeit ein fester Vorsatz. Die Gelegenheit hat sich aber erst jetzt durch die Gedichte Paul Celans ergeben. Ein Glücksfall für die Jüdischen Kulturtage in Berlin. Und ein Glücksfall für uns!
Die Jüdischen Kulturtage in Berlin in der Synagoge Rykestraße:
Das Programm "Zweistimmig" am 22. August 2013
Nach ein paar Takten stehen die Zuhörer im Bann des 77-jährigen Mannes aus Buenos Aires. Ganze Generationen von Musikern haben von dem Meister an der Klarinette gelernt. Nun hat sich Feidman mit dem Schauspieler Ben Becker für das Projekt "Zweistimmig" zusammengetan. Dabei geht es um die Lyrik von Paul Celan, genauer gesagt um den Band "Mohn und Gedächtnis". Darin auch Celans berühmtestes Gedicht, die "Todesfuge", in der es heißt: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland"!
Celans Gedichte spielen heute einen zentrale Rolle im Verhältnis zwischen Deutschen und Juden. Das war nicht immer so: Als Celan kurz nach dem Krieg seine Gedichte im Rahmen der Gruppe 47 vortrug, da waren es vor allem ehemalige Wehrmachtssoldaten innerhalb dieser Dichtervereinigung, die Celan einen Tonfall wie bei Goebbels unterstellten. Diese Einstellung hat sich komplett ins Gegenteil verkehrt, nicht zuletzt durch die Auseinandersetzung mit Adornos Verdikt: "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch"!
Celan hatte ein paar Jahre zuvor seine Eltern im Holocaust verloren. Seine Antwort darauf: Gedichte zu schreiben, auf Anhieb schwer verständlich und dennoch von höchster Empfindsamkeit angesichts des Grauens. Das adäquat auf die Bühne zu bringen, war keine leichte Aufgabe, verrät Ben Becker.
"Oh, das war viel Arbeit. Ich habe irgendwie dieses Büchlein Mohn und Gedächtnis wieder in die Finger gekriegt. Und habe recht wenig verstanden. Ich meine, die Todesfuge ist ja offensichtlich, das ist ja auch Pflichtlektüre in der Schule, und das kommt ja auch mit dem Dampfhammer dahinter, aber da gibt es schon auch sehr differenzierte Gedichte, wo ich sage, wo kommt das jetzt her. Und dann hat mich natürlich auch mein Nicht-Verstehen interessiert. Warum gilt er als einer der größten Lyriker des letzten Jahrhunderts und ich verstehe ihn nicht? Und dann habe ich angefangen, es verstehen zu wollen. Und damit bin ich Celan so nahe gekommen, wie man ihm nur nahekommen kann. Er selber hat ja gesagt: Lesen sie nur immer wieder, lesen und sie werden vestehen.''"
Ein launiges Programm mit Lyrik zu jiddischer Schtettl-Musik soll der Abend nicht werden. Das Konzept sieht nicht nur Gedicht-Rezitale vor, sondern auch Briefwechsel Paul Celans etwa mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Der Dichter aus Cernowitz, der am 20. April 1970 in Paris Selbstmord beging, soll den Zuhörern nähergebracht werden. Eine Herausforderung auch für Giora Feidman, der bis zu den Proben die Gedichte Celans noch gar nicht kannte. Es habe seine Zeit gebraucht, um sich zu entscheiden, welche Musik überhaupt zu solchen Gedichten passen könnte:
""Ich würde sagen, 90 Prozent der Musik hat eine Verbindung zu jüdischer Kultur und Musik. Dabei es gibt so viele unterschiedliche Elemente darin. Manchmal kann man Kunst nicht beschreiben. Ich bin eine Person, die mit dem Schöpfer in Verbindung steht, nennen Sie ihn Gott oder wie auch immer. Nur weil Gott uns beauftragt hat, dieses Programm auf diese Weise zu machen, kann es überhaupt auf diesem Level stattfinden. Punkt. Ich habe zu den Titeln der Gedichte keine so große Verbindung, weil für mich Titel nichts repräsentieren. Musik ist Musik. Aber wenn Sie mich fragen, welche Musik wir spielen, dann spielen wir als erstes ein Lied mit dem Titel "Malchei Israel". Es ist ein Vergnügen, damit zu beginnen, weil das Lied sehr beliebt ist am Schabbat. In Israel geht nichts am Schabbat ohne dieses Lied."
Kennengelernt hatten sich Giora Feidman und Ben Becker schon vor längerer Zeit. Sie sind sogar schon mal im Kinofilm "Comedian Harmonists" gemeinsam aufgetreten, in dem Ben Becker einen jüdischen Sänger gespielt hat. Und Giora Feidman: einen Klezmer-Klarinettisten. Spätestens als sie sich dann beim sogenannten Rilke-Projekt wiedertrafen, wurde aus dem Wunsch zur Zusammenarbeit ein fester Vorsatz. Die Gelegenheit hat sich aber erst jetzt durch die Gedichte Paul Celans ergeben. Ein Glücksfall für die Jüdischen Kulturtage in Berlin. Und ein Glücksfall für uns!
Die Jüdischen Kulturtage in Berlin in der Synagoge Rykestraße:
Das Programm "Zweistimmig" am 22. August 2013