Dicke Portemonnaies und leere Mägen
Seit der Jahrtausendwende dürfen Spekulanten unbegrenzte Mengen an Rohstoffen - oder eben Nahrungsmitteln - aufkaufen. Wenn es dann Engpässe am Markt gibt, können sie den Preis in die Höhe treiben. Wie unmoralisch die Finanzwelt bisweilen agiert, erfährt man in diesem Buch.
Von Verschwörungstheorien hält Harald Schumann nichts. Sein Buch über die Lebensmittelspekulation ist vielmehr eine nüchterne, sachliche Bestandsaufnahme der Fakten, die nicht immer einfach zu verstehen sind, denn die Finanzwelt hat ihre eigene Sprache. Dem Autor gelingt es allerdings sie so zu übersetzen, dass auch ein Laie die Grundprinzipien dieses Geschäftsmodells namens Warenterminbörse begreift.
Im Prinzip geht es um eine Absicherung: Um sich vor stark schwankenden Preisen zu schützen, vereinbaren der Produzent eines Rohstoffes, zum Beispiel Mais, und der Käufer, zum Beispiel ein Lebensmittelkonzern, einen zukünftigen Preis für den Zeitpunkt der Ernte. Das ist gut für den Produzenten, falls der Preis in der Zwischenzeit sinkt, und gut für den Käufer, falls er steigt:
Harald Schumann: "Das lockt natürlich dann Spekulanten an. Die Spekulanten wurden aber gebraucht, werden auch bis heute gebraucht, um den Markt flüssig zu halten, weil nicht zu jedem Zeitpunkt ein Anbieter von Getreide tatsächlich auf einen Nachfrager von Getreide für einen bestimmten Zeitpunkt kommt und wenn Spekulanten dann sagen: Na, ich übernehme das Risiko und trete da ein, dann hält er den Markt liquide. Insofern waren Spekulanten immer auch willkommen."
Dieses System hat bis zur Jahrtausendwende gut funktioniert. Das lag nicht zuletzt daran, dass es Regeln gab, die die Händler daran hinderten, einen bestimmten Rohstoff komplett aufzukaufen und dann die Preise zu bestimmen. Doch Anfang des Jahrtausends wurde der Markt dereguliert. Seither durften Investoren auf der Suche nach renditestarken Geldanlagen so viele Verträge, kaufen, wie sie wollten. Lebensmittel waren damit plötzlich ein Anlageobjekt für Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen mit hoher Renditeerwartung.
"Die entschieden danach, ob sie sich kurzfristige Renditechancen erhofften. Und wenn dann aufgrund eines Ereignisses, einer Dürre oder eines Exportstopp in Russland kurzfristig ein Mangel herrschte, dann trieben sie die Preise in kurzer Zeit über ganz enorme Hürden hinaus, die jenseits aller Angebots-Nachfrage Relationen waren. Und das ist unser heutiges Problem. Denn das sorgt dafür, dass Preisschwankungen für Getreide und andere Nahrungsmittel extrem geworden sind. Und das wiederum hat die Folge, dass in armen Ländern, wo große Teile der Bevölkerung den überwiegenden Teil ihres Einkommens – manchmal bis zu 90 Prozent – für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen, dass in diesen Zeiträumen dieser Preisübertreibungen dann auch auf den Märkten in armen Entwicklungsländern die Preise so hoch werden, dass tatsächlich die Zahl der Menschen, die hungern müssen, weil sie sich Nahrungsmittel nicht mehr kaufen können, erheblich gesteigert wird."
Vor allem Banken bereichern sich an dieser Spekulation, denn sie kassieren für jede Transaktion Gebühren, egal wie die Wette der Spekulanten ausgeht. So haben sie denn auch keinerlei Interesse daran, die Spekulation einzudämmen. Und die Kunden der Banken, die ihr Geld in diese Lebensmittelspekulationen investieren sollen? Denen hat zum Beispiel die Deutsche Bank dieses Geschäftsmodell ausgerechnet mit einem Werbeaufdruck auf Brötchentüten schmackhaft gemacht. Dort hieß es:
"Freuen Sie sich über steigende Preise. Alle Welt spricht über Rohstoffe – mit dem Agriculture Euro Fond haben Sie die Möglichkeit an der Wertentwicklung von sieben der wichtigsten Agrarrohstoffe zu partizipieren."
Eine entlarvende Anzeige, die dennoch typisch für die gesamte Branche ist. Immerhin locken hohe Gewinne. Da bleibt die Moral auf der Strecke. Es wird nicht einfach sein, die Rohstoffspekulation wieder einzudämmen. Zu den Vorschlägen gehört unter anderem die Wiedereinführung des Handelsvolumens für einzelne Händler. Sinnvoller wäre es, schreibt Harald Schumann, Großanlegern wie zum Beispiel Versicherungen, Stiftungen, Pensionskassen schlicht zu untersagen, in Warentermingeschäfte mit Nahrungs-Rohstoffen zu investieren. Damit würden dem Markt riesige Kapitalmengen entzogen. Vor allem aber setzt Harald Schumann auf den mündigen Bürger:
"Womit man etwas erreichen kann, ist öffentlicher Druck. Wenn man die Institutionen und insbesondere die Banken unter Druck setzt und sagt, wir als Kunden wollen nicht, dass ihr in dieses Geschäft geht, dann glaube ich, kann man wirklich etwas erreichen."
Harald Schumanns Buch ‚Die Hungermacher – Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren‘ ist nicht zuletzt deswegen eine aufschlussreiche Lektüre, weil er zwar Vereinfachungen meidet, aber Zusammenhänge gut erklärt. Angesichts der Tatsache, dass sich die Finanzwelt ungern in die Karten schauen lässt, sind solche Berichte mehr als überfällig.
Im Prinzip geht es um eine Absicherung: Um sich vor stark schwankenden Preisen zu schützen, vereinbaren der Produzent eines Rohstoffes, zum Beispiel Mais, und der Käufer, zum Beispiel ein Lebensmittelkonzern, einen zukünftigen Preis für den Zeitpunkt der Ernte. Das ist gut für den Produzenten, falls der Preis in der Zwischenzeit sinkt, und gut für den Käufer, falls er steigt:
Harald Schumann: "Das lockt natürlich dann Spekulanten an. Die Spekulanten wurden aber gebraucht, werden auch bis heute gebraucht, um den Markt flüssig zu halten, weil nicht zu jedem Zeitpunkt ein Anbieter von Getreide tatsächlich auf einen Nachfrager von Getreide für einen bestimmten Zeitpunkt kommt und wenn Spekulanten dann sagen: Na, ich übernehme das Risiko und trete da ein, dann hält er den Markt liquide. Insofern waren Spekulanten immer auch willkommen."
Dieses System hat bis zur Jahrtausendwende gut funktioniert. Das lag nicht zuletzt daran, dass es Regeln gab, die die Händler daran hinderten, einen bestimmten Rohstoff komplett aufzukaufen und dann die Preise zu bestimmen. Doch Anfang des Jahrtausends wurde der Markt dereguliert. Seither durften Investoren auf der Suche nach renditestarken Geldanlagen so viele Verträge, kaufen, wie sie wollten. Lebensmittel waren damit plötzlich ein Anlageobjekt für Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen mit hoher Renditeerwartung.
"Die entschieden danach, ob sie sich kurzfristige Renditechancen erhofften. Und wenn dann aufgrund eines Ereignisses, einer Dürre oder eines Exportstopp in Russland kurzfristig ein Mangel herrschte, dann trieben sie die Preise in kurzer Zeit über ganz enorme Hürden hinaus, die jenseits aller Angebots-Nachfrage Relationen waren. Und das ist unser heutiges Problem. Denn das sorgt dafür, dass Preisschwankungen für Getreide und andere Nahrungsmittel extrem geworden sind. Und das wiederum hat die Folge, dass in armen Ländern, wo große Teile der Bevölkerung den überwiegenden Teil ihres Einkommens – manchmal bis zu 90 Prozent – für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen, dass in diesen Zeiträumen dieser Preisübertreibungen dann auch auf den Märkten in armen Entwicklungsländern die Preise so hoch werden, dass tatsächlich die Zahl der Menschen, die hungern müssen, weil sie sich Nahrungsmittel nicht mehr kaufen können, erheblich gesteigert wird."
Vor allem Banken bereichern sich an dieser Spekulation, denn sie kassieren für jede Transaktion Gebühren, egal wie die Wette der Spekulanten ausgeht. So haben sie denn auch keinerlei Interesse daran, die Spekulation einzudämmen. Und die Kunden der Banken, die ihr Geld in diese Lebensmittelspekulationen investieren sollen? Denen hat zum Beispiel die Deutsche Bank dieses Geschäftsmodell ausgerechnet mit einem Werbeaufdruck auf Brötchentüten schmackhaft gemacht. Dort hieß es:
"Freuen Sie sich über steigende Preise. Alle Welt spricht über Rohstoffe – mit dem Agriculture Euro Fond haben Sie die Möglichkeit an der Wertentwicklung von sieben der wichtigsten Agrarrohstoffe zu partizipieren."
Eine entlarvende Anzeige, die dennoch typisch für die gesamte Branche ist. Immerhin locken hohe Gewinne. Da bleibt die Moral auf der Strecke. Es wird nicht einfach sein, die Rohstoffspekulation wieder einzudämmen. Zu den Vorschlägen gehört unter anderem die Wiedereinführung des Handelsvolumens für einzelne Händler. Sinnvoller wäre es, schreibt Harald Schumann, Großanlegern wie zum Beispiel Versicherungen, Stiftungen, Pensionskassen schlicht zu untersagen, in Warentermingeschäfte mit Nahrungs-Rohstoffen zu investieren. Damit würden dem Markt riesige Kapitalmengen entzogen. Vor allem aber setzt Harald Schumann auf den mündigen Bürger:
"Womit man etwas erreichen kann, ist öffentlicher Druck. Wenn man die Institutionen und insbesondere die Banken unter Druck setzt und sagt, wir als Kunden wollen nicht, dass ihr in dieses Geschäft geht, dann glaube ich, kann man wirklich etwas erreichen."
Harald Schumanns Buch ‚Die Hungermacher – Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren‘ ist nicht zuletzt deswegen eine aufschlussreiche Lektüre, weil er zwar Vereinfachungen meidet, aber Zusammenhänge gut erklärt. Angesichts der Tatsache, dass sich die Finanzwelt ungern in die Karten schauen lässt, sind solche Berichte mehr als überfällig.
Harald Schumann: Die Hungermacher - Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren
Fischer Verlag, Frankfurt / Main 2013
192 Seiten, 9,99 Euro
Fischer Verlag, Frankfurt / Main 2013
192 Seiten, 9,99 Euro