Didi Drobna: "Was bei uns bleibt"
Piper Verlag, München
256 Seiten, 20 Euro
Der Zweite Weltkrieg als vererbtes Trauma
10:20 Minuten
In der größten Munitionsfabrik der Nationalsozialisten unweit von Wien arbeiteten Zwangsarbeiterinnen und Freiwillige. Didi Drobna schreibt in ihrem Roman über die Traumata der Menschen, die dort tätig waren, und die Folgen für die nächste Generation.
Die 84-jährige Klara lebt mit ihrem Enkel auf einem Bauernhof. Dort wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Als junge Frau hat sie sich freiwillig gemeldet, um in der Munitionsfabrik Hirtenberg zu arbeiten. An diesem real existierenden Ort wurden während des Zweiten Weltkriegs eine Million Patronen täglich produziert – auch von Zwangsarbeiterinnen im Konzentrationslager.
In "Was uns bleibt" will Didi Drobna beleuchten, wie der Krieg ein Trauma auslöste, das über Generationen reicht. Bei der Recherche für das Buch hat sich die Autorin durch die Archive der Munitionsfabrik gewühlt und auch ihre Ruinen besucht, deren Geschichte vor Ort verschwiegen wird:
"Ich habe nirgends eine Gedenktafel oder ein Hinweisschild gesehen. Weder an der Örtlichkeit, wo vor rund 80 Jahren das Konzentrationslager gebaut wurde. Wo Frauen inhaftiert waren, die dann auch in der Fabrik arbeiten mussten, nirgends ein Hinweis auf die Vergangenheit. Und trotzdem liegen die Ruinen und die Gebäudereste dort einfach einfach so rum. Jeder kann da vorbeispazieren. Das ist sehr traurig."
Österreichs Wolfskinder
Neben der Besichtigung hat Drobna auch mit Zeitzeuginnen aus dem Konzentrationslager Mauthausen gesprochen, dem die Fabrik in Hirtenberg zugeordnet war. Diese hätten ein unglaubliches Bedürfnis gehabt, ihre Geschichten – oder die ihrer Eltern – weiterzugeben. Diese seien voller Leid und Trauer, aber auch Freude gewesen, weshalb sie in "Was uns bleibt" sehr viel Platz bekommen hätten.
Dabei werden auch die sogenannten Wolfskinder thematisiert. Viele tausend Vier- bis Zwölfjährige, die sich von ihren Eltern getrennt alleine durchschlagen mussten. Etwas, das erst sehr spät systematisch erforscht und aufgearbeitet wurde, so Drobna:
"Ich habe eine Figur beschrieben, die ich eben symptomatisch hergenommen habe für dieses Leid und das Schicksal dieser Menschen. Ich wollte nachzeichnen, wie sich das wieder für die Nachfahren dieser Figur niederschlagen kann. Diese existenzielle Angst und dieser Überlebensinstinkt, der da aktiviert wurde. Aber auch das große Schweigen und das Verdrängen dieses Schmerzes und des Traumas, das sich zwei Generationen später niederschlägt."
Die Grauzone zwischen Täter und Opfer
Eine andere Bürde als die Wolfskinder hat die Protagonistin Klara. Denn diese passt nicht in das klassische Täter-Opfer-Muster. Sie war keine Insassin des Konzentrationslagers, sondern hat sich freiwillig gemeldet, um bei der Produktion von Munition zu helfen. Eine ganz bewusste Entscheidung von Drobna.
Diese Vielschichtigkeit habe die Geschichte so spannend für sie gemacht. Denn viele, die sich freiwillig meldeten, hätten sich nicht als Täter gesehen, aber durch ihr Mitwirken trotzdem das System unterstützt – ein System, unter dem sie dann später selbst gelitten hätten, ohne aber als Opfer gelten zu können.
"Genau diese Gemengelage am Ende ihres Lebens spürt Klara eben sehr stark hochkochen", so Drobna.
(hte)