Didier Decoin: "Das Ministerium der Gärten und Teiche"

Ein Roman, in dem es duftet und stinkt

Buchcover: Didier Decoin "Das Ministerium der Gärten und Teiche"
Buchcover: Didier Decoin "Das Ministerium der Gärten und Teiche" © Imago Arcaid Images / Cover: Verlag Klett-Cotta
Von Hans von Trotha |
Didier Decoin schickt seine Leser auf einen sinnlichen Ausflug im Japan des 12. Jahrhunderts. Er erzählt die Geschichte von Miyuki, die sich auf eine Reise begibt. Mit ihr taucht der Leser in eine Welt der Gerüche aus der Vergangenheit.
Japan im 12. Jahrhundert. Der Fischer Katsuro ertrinkt in dem Fluss, der ihm, seiner Frau Miyuki und auch seinem Dorf als Lebensgrundlage diente – hatte Katsuro doch ein ganz besonderes Verhältnis zu den Karpfen, die er mit bloßen Händen fing und die so schön waren, dass Katsuro sogar den Kaiser damit beliefern durfte. Nun macht sich Miyuki an ihres geliebten Mannes statt auf den gefährlichen, aber auch bunten und aufregenden Weg nach der Kaiserstadt helam-kyo, um die wertvollen Fische, die sie in zwei Reusen an einer Stange auf dem Rücken balanciert, beim Direktor des Ministeriums der Gärten und Teiche abzuliefern.
"In dem großen Teich des Lebens hatte Katsuro für Miyuki ein kleines geschütztes Reich geschaffen. Zu Beginn ihrer Verbindung war dieses Gebiet kaum größer als die geöffneten Arme des Fischers gewesen, und dann hatte es sich vergrößert auf die Ausmaße des Hauses in Shimae, bevor es sich bis zu den Bäumen mit den Glühwürmchen an den Ufern des Kusagawa erweitert hatte und … bis zu den Stadtmauern der Kaiserstadt."

Der Rahmen: ein historischer Abenteuer- und Bildungsroman

Didier Decoin zeichnet innerhalb dieses klassischen Rahmens eines historischen Abenteuer- und Bildungsromans eine geographisch wie zeitlich denkbar weit entfernte Welt, die er mit satten Farben ausmalt. Es ist vor allem eine Welt der Sinne und der Sinnlichkeit, der Körper, Triebe und Sekrete, der Hingabe, der Naturnähe und der Sinnesfreuden, aber auch des Todes und der Fäulnis, des Schmerzes, der Grausamkeit. Vor allem aber ist es eine Welt der Gerüche. "Unser Geruchssinn wird uns zeigen, was unsere Augen nicht sehen können", heißt es einmal – und damit ist nicht nur die Inspektion eines Aromenlagers gemeint, sondern die Erkenntnis der Welt.
Miyukis Körper riecht. Er scheint eine Art olfaktorischen Gedächtnisses zu haben. Er speichert, was ihr widerfährt, während sie den Weg geht, den ihr Mann sonst ging, als Geruch. "Sie duftet – oder stinkt, ich bin mir da noch nicht sicher – nach etwas Wildem, ein Geruch nach Wald, nach zertretenem Gras, nach nasser Erde, nach Fuchsbau", stellt der Direktor des Ministeriums der Gärten und Teiche fest. Kein Wunder: "Sie hatte abgeschnittene Köpfe angefasst, war in Eiter gewatet, hatte sich im Schlamm gewälzt."

Am Schluss lächelt der Direktor

In Frankreich war Didier Decoins sinnlicher Ausflug ins japanische Mittelalter ein Bestseller. Der Goncourt-Preisträger, Jahrgang 1945, hat für dieses Buch ausgiebig recherchiert, was man merkt, aber nur im guten Sinn, da Decoins Erfahrung als Romancier und Geschichtenerzähler ihn vor Belehrungen jeglicher Art bewahrt. Zu den poetischsten Szenen gehört ein Tanz Miyukis mit einem Kranich, es ist ein Tanz ums Überleben.
Am Ende dringt der Fluss in den Ozean ein wie das männliche Glied in die Frau in der Hochzeitsnacht. Eine derart bilderreiche Geschichte verlangt nach einem pompösen Finale. Das bekommt sie auch – versehen mit einer zart angedeuteten Hoffnung für die Zukunft. Auf dem Weg dahin lächelt sogar der Direktor des Ministeriums der Gärten und Teiche, das erste Mal seit vierzig oder fünfzig Jahren.

Didier Decoin: Das Ministerium der Gärten und Teiche, Roman
Aus dem Französischen von von Michael von Killisch-Horn
Klett-Cotta, 2018 Stuttgart, 352 Seiten, 22 Euro

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