"Die Abfallprodukte der Liebe"
Vor einem Jahr starb der Filmregisseur Werner Schroeter. Die Kamerafrau Elfi Mikesch spricht über die Arbeit mit ihm und das ungewöhnliche Werk Schroeters: "Das ist An-den-Rand-Gehen, dort, wo es im Grunde noch keine Aussage gab bisher."
Holger Hettinger: Es ist irgendwie relativ schwer, die Regiehandschrift von Werner Schroeter irgendwie auf eine Formel oder auf einen Punkt zu bringen, aber für mich haben seine Arbeiten immer so etwas schillernd Opulentes, etwas Barockes, da schimmert viel durch von dieser Opernleidenschaft dieses genialen Regisseurs. Das ist ja nun mal eine sehr starke, ich würde fast meinen, dominante künstlerische Position. Wie geht man damit um, setzt man da bewusst was dagegen, wie haben Sie diese monolithische Macht dieser Filme für Ihr filmisches Projekt aufgefasst?
Elfie Mikesch: Sie haben ein Stichwort gesagt, das ist die Leidenschaft. Und ich denke, dass das ganze Werk davon geprägt ist in sehr unterschiedlicher Weise. Und das Arbeiten selbst mit ihm war immer ein Gehen an einer Klippe. Wenn wir von "Mondo Lux" sprechen, dann spricht Isabelle Huppert über diese Arbeit, wo sie sagt, dass er ihr die Angst genommen hat und dass sie machen konnte, was sie wollte. Obwohl, sie ist keine Reiterin und sie reitet in "Malina" zum Beispiel, oder sie geht über Feuer oder kämpft mit einem Fuchs, und sie hat Höhenangst. Und all diesen Ängsten, die dann beim Drehen einfach auch zutage kommen, begegnete Werner Schroeter mit einer Handreichung oder mit einer Kommunikation, und das macht eben auch die Stärke aus zwischen den Akteuren oder eben Werner Schroeters Regiearbeit.
Hettinger: Das fand ich so das Interessante an Ihrem Film, das hat da so zwei Bilder in mir korrigiert. Das eine, dachte ich, das ist bestimmt dieser Schroeter, so ein ganz Dominanter, der so vorwegmarschiert und alle anderen nötigt, ihm irgendwie zu folgen. Und dann hört man diese vielen künstlerischen Weggefährten, die alle was anderes erzählen. Ich denke, reden die da nur über einen Mann? Das gibt es doch gar nicht. Also hat Werner Schroeter offenbar auch die Gabe besessen, jeden Einzelnen in seiner Befindlichkeit und in seinen Antennen so anzusprechen, dass es letztlich für dieses übergeordnete künstlerische Ziel dienbar war?
Mikesch: Ja, es ist die Leidenschaft – komme ich wieder auf die Leidenschaft –, die allerdings kontrolliert ist. Er bringt die Dinge oder brachte die Dinge immer auf den Punkt, mit verschiedensten Mitteln, die sehr herausfordernd waren. Von meiner Seite, die ich erzählen kann: Es gab nie etwas, was nicht möglich war, und es hat sehr viel zu tun mit Vertrauen.
Hettinger: In einem Interview hat Werner Schroeter mal erzählt, dass er immer mit den Menschen zusammengelebt hat, mit denen er gefilmt hat, deswegen habe ich es eben auch erwähnt, diese große Filmfamilie – wie haben Sie das wahrgenommen? War das nicht alles furchtbar anstrengend?
Mikesch: Wenn zusammen gearbeitet wurde, war das natürlich anstrengend, mit allen Konflikten. Was dann bleibt, sind tatsächlich die Abfallprodukte der Liebe. Das sind dann die Erinnerungen an Menschen, die zusammen gearbeitet haben, zusammen einen Film gemacht haben oder eine Oper inszeniert oder die Musiker.
Hettinger: Beeindruckend. Wie ist Werner Schroeter damit umgegangen, dass die filmische Gemeinde, dass viele Journalisten auch ihn auf eine bestimmte Weise versucht haben festzulegen?
Mikesch: Werner Schroeter hat auch von sich gesagt, er war anders als die anderen. Und das mit dem Außenseiter: Ich kann das sehr positiv sehen oder ich kann es gefärbt sehen, mit dem Schmerz, der dahinter ist, wenn diese Anerkennung eben nicht stattfindet. Und er hat diese Anerkennung dann gefunden in Frankreich – auch in Italien oder in Amerika. Und dass er nicht so eingängig ist oder eben auch jetzt die narrative Seite des filmischen Erzählens ... Er hat andere Interessen gehabt, Geschichten zu erzählen, andere Intensitäten, und da kommen wir wieder auf die Leidenschaft, die ein Ausdruck ist, der nicht unbedingt zu erklären ist. Und das hat er wirklich auf den Punkt gebracht, und das können wir betrachten in seiner Arbeit, wo er uns Bilder gibt oder auch musikalische Dialoge, die ein Bewusstsein öffnen für geschichtliche Ereignisse, Dramen, Tragödien. Und das ist das Potenzial, was in dem Werk von Werner Schroeter ruht. Das ist An-den-Rand-Gehen, dort, wo es im Grunde noch keine Aussage gab bisher.
Hettinger: Was ich ganz besonders interessant finde an den Filmen von Werner Schroeter, ist die Art und Weise, wie er Frauen darstellt oder darstellen kann, wie erotisch, wie aufgeladen, wie strahlend die sind, berstend vor Anziehungskraft manchmal – also Isabelle Huppert haben wir genannt, Carole Bouquet in ähnlicher Weise vor. Haben Sie eine Erklärung, warum der bekennende homosexuelle Werner Schroeter diese erotisch-schwelgerische Darstellung gewählt hat?
Mikesch: Das ist eine sehr wichtige Frage, weil es natürlich auch die Seite eines Menschen trifft, die beides ist: eine weibliche und die männliche Seite. Und die männliche ist beladen mit großer Problematik, nämlich der Machtfrage und auch der Zerstörung. Und auf der anderen Seite gibt es diese Frauen, die mit diesen Kräften umgehen müssen. Und ich glaube, was bei Werner Schroeter so entscheidend war, er konnte einfach mit dieser weiblichen Kreativität sehr, sehr gut kommunizieren, und dass er darin Dinge erfüllt sah und finden konnte, die seine Sehnsucht auch ausgedrückt haben.
Hettinger: Hat sich Werner Schroeter immer als sehr theatralisch traditionsbewusster Mensch wahrgenommen?
Mikesch: Ja, er spricht ja von seinem tragischen Weltempfinden, und ich glaube schon, dass er eine große Melancholie in sich trägt, dass er viel weiß über den Schmerz der Menschen oder von seinem eigenen Schmerz, und dass er Wege sucht, die aber auf spezielle Weise auszudrücken. Ich finde auch, das ist eine sehr politische Haltung zur Welt, die Werner Schroeter jetzt gerade in seinem letzten Film auch zeigt. In diesen Mustern kann nicht weiter gelebt werden, heißt das eigentlich.
Elfie Mikesch: Sie haben ein Stichwort gesagt, das ist die Leidenschaft. Und ich denke, dass das ganze Werk davon geprägt ist in sehr unterschiedlicher Weise. Und das Arbeiten selbst mit ihm war immer ein Gehen an einer Klippe. Wenn wir von "Mondo Lux" sprechen, dann spricht Isabelle Huppert über diese Arbeit, wo sie sagt, dass er ihr die Angst genommen hat und dass sie machen konnte, was sie wollte. Obwohl, sie ist keine Reiterin und sie reitet in "Malina" zum Beispiel, oder sie geht über Feuer oder kämpft mit einem Fuchs, und sie hat Höhenangst. Und all diesen Ängsten, die dann beim Drehen einfach auch zutage kommen, begegnete Werner Schroeter mit einer Handreichung oder mit einer Kommunikation, und das macht eben auch die Stärke aus zwischen den Akteuren oder eben Werner Schroeters Regiearbeit.
Hettinger: Das fand ich so das Interessante an Ihrem Film, das hat da so zwei Bilder in mir korrigiert. Das eine, dachte ich, das ist bestimmt dieser Schroeter, so ein ganz Dominanter, der so vorwegmarschiert und alle anderen nötigt, ihm irgendwie zu folgen. Und dann hört man diese vielen künstlerischen Weggefährten, die alle was anderes erzählen. Ich denke, reden die da nur über einen Mann? Das gibt es doch gar nicht. Also hat Werner Schroeter offenbar auch die Gabe besessen, jeden Einzelnen in seiner Befindlichkeit und in seinen Antennen so anzusprechen, dass es letztlich für dieses übergeordnete künstlerische Ziel dienbar war?
Mikesch: Ja, es ist die Leidenschaft – komme ich wieder auf die Leidenschaft –, die allerdings kontrolliert ist. Er bringt die Dinge oder brachte die Dinge immer auf den Punkt, mit verschiedensten Mitteln, die sehr herausfordernd waren. Von meiner Seite, die ich erzählen kann: Es gab nie etwas, was nicht möglich war, und es hat sehr viel zu tun mit Vertrauen.
Hettinger: In einem Interview hat Werner Schroeter mal erzählt, dass er immer mit den Menschen zusammengelebt hat, mit denen er gefilmt hat, deswegen habe ich es eben auch erwähnt, diese große Filmfamilie – wie haben Sie das wahrgenommen? War das nicht alles furchtbar anstrengend?
Mikesch: Wenn zusammen gearbeitet wurde, war das natürlich anstrengend, mit allen Konflikten. Was dann bleibt, sind tatsächlich die Abfallprodukte der Liebe. Das sind dann die Erinnerungen an Menschen, die zusammen gearbeitet haben, zusammen einen Film gemacht haben oder eine Oper inszeniert oder die Musiker.
Hettinger: Beeindruckend. Wie ist Werner Schroeter damit umgegangen, dass die filmische Gemeinde, dass viele Journalisten auch ihn auf eine bestimmte Weise versucht haben festzulegen?
Mikesch: Werner Schroeter hat auch von sich gesagt, er war anders als die anderen. Und das mit dem Außenseiter: Ich kann das sehr positiv sehen oder ich kann es gefärbt sehen, mit dem Schmerz, der dahinter ist, wenn diese Anerkennung eben nicht stattfindet. Und er hat diese Anerkennung dann gefunden in Frankreich – auch in Italien oder in Amerika. Und dass er nicht so eingängig ist oder eben auch jetzt die narrative Seite des filmischen Erzählens ... Er hat andere Interessen gehabt, Geschichten zu erzählen, andere Intensitäten, und da kommen wir wieder auf die Leidenschaft, die ein Ausdruck ist, der nicht unbedingt zu erklären ist. Und das hat er wirklich auf den Punkt gebracht, und das können wir betrachten in seiner Arbeit, wo er uns Bilder gibt oder auch musikalische Dialoge, die ein Bewusstsein öffnen für geschichtliche Ereignisse, Dramen, Tragödien. Und das ist das Potenzial, was in dem Werk von Werner Schroeter ruht. Das ist An-den-Rand-Gehen, dort, wo es im Grunde noch keine Aussage gab bisher.
Hettinger: Was ich ganz besonders interessant finde an den Filmen von Werner Schroeter, ist die Art und Weise, wie er Frauen darstellt oder darstellen kann, wie erotisch, wie aufgeladen, wie strahlend die sind, berstend vor Anziehungskraft manchmal – also Isabelle Huppert haben wir genannt, Carole Bouquet in ähnlicher Weise vor. Haben Sie eine Erklärung, warum der bekennende homosexuelle Werner Schroeter diese erotisch-schwelgerische Darstellung gewählt hat?
Mikesch: Das ist eine sehr wichtige Frage, weil es natürlich auch die Seite eines Menschen trifft, die beides ist: eine weibliche und die männliche Seite. Und die männliche ist beladen mit großer Problematik, nämlich der Machtfrage und auch der Zerstörung. Und auf der anderen Seite gibt es diese Frauen, die mit diesen Kräften umgehen müssen. Und ich glaube, was bei Werner Schroeter so entscheidend war, er konnte einfach mit dieser weiblichen Kreativität sehr, sehr gut kommunizieren, und dass er darin Dinge erfüllt sah und finden konnte, die seine Sehnsucht auch ausgedrückt haben.
Hettinger: Hat sich Werner Schroeter immer als sehr theatralisch traditionsbewusster Mensch wahrgenommen?
Mikesch: Ja, er spricht ja von seinem tragischen Weltempfinden, und ich glaube schon, dass er eine große Melancholie in sich trägt, dass er viel weiß über den Schmerz der Menschen oder von seinem eigenen Schmerz, und dass er Wege sucht, die aber auf spezielle Weise auszudrücken. Ich finde auch, das ist eine sehr politische Haltung zur Welt, die Werner Schroeter jetzt gerade in seinem letzten Film auch zeigt. In diesen Mustern kann nicht weiter gelebt werden, heißt das eigentlich.