Die Abkehr vom Schwarzer-Feminismus
"Wir haben abgetrieben!" war Alice Schwarzers provokantester Einsatz für die Rechte der Frauen. Seit 40 Jahren kämpft die bekennende Feministin mit Aktionen, Publikationen und ihrer Zeitschrift "Emma" weiter. Erfolgreich, sagen die einen. Ermüdend, die anderen.
Aber egal, wie man zu ihr steht: Der Name Alice Schwarzer ist zum Synonym der deutschen Frauenrechtsbewegung geworden. Und genau das kritisiert Miriam Gebhardt in ihrem neuen Buch "Alice im Niemandsland".
Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um eine Abrechnung mit Alice Schwarzer, deren Verdienste durchaus gewürdigt werden, vielmehr ist das Buch der gelungene Versuch, das problematisch Einseitige des deutschen Feminismus historisch zu erklären. Ein großer Teil des Buches ist deshalb der Entwicklung der modernen Frauenbewegung seit dem 19. Jahrhundert gewidmet. Ausführlich stellt Miriam Gebhardt die Forderungen früherer Frauenrechtlerinnen vor, erzählt vom Kampf ums Stimmrecht, schreibt über die sexuelle Befreiung bis zur Frage nach der Berufstätigkeit, und zeigt, dass viele der Themen, die auch heute noch aktuell sind, schon um 1900 präsent waren: von der Kinderfrage (Verhütung, Abtreibung, Betreuung) bis zur Kritik der weiblichen Körperdressur (von Unterröcken und Korsetts über Lippenstift bis zu kosmetischer Chirurgie).
Das Manko des deutschen Feminismus im 20. Jahrhundert im Vergleich etwa zu den einflussreichen französischen oder amerikanischen Emanzipationsbewegungen sieht die Historikerin vor allem in der Trennung zwischen akademischer und politischer Bewegung. Während an Universitäten theoretische Seminare über "Gender Studies" abgehalten würden, werde in der Öffentlichkeit undifferenziert gegen das Patriarchat polemisiert - hauptsächlich von Alice Schwarzer. Frauenrechtlerinnen wie Simone de Beauvoir oder Susan Sontag, die sowohl akademisch als auch öffentlich wirkten, gäbe es nicht. Dem Feminismus in Deutschland fehle es deshalb an Breite und vor allem an Vielstimmigkeit.
Alice Schwarzers stets gleiche Kritik etwa an der Pornografie befremdet, so Gebhardt, gerade junge Frauen zunehmend. Und die eigentlichen Probleme, etwa die Tatsache, dass Deutschland im internationalen Vergleich in vielen Bereichen, etwa beim Anteil der Frauen an Universitäten, in Medien oder in wirtschaftlichen Führungspositionen, weit hinten steht, würden damit nicht angegangen.
Miriam Gebhardt fordert deshalb eine Abkehr vom "Schwarzer-Feminismus" und plädiert dezidiert für eine echte Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Problemen. Ihr historisch fundiert geschriebenes Buch leistet einen wichtigen ersten Schritt, indem es zwischen etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Geschlechterforschung und der öffentlichen, politischen Diskussion vermittelt und Mut macht, neue feministische Wege zu gehen.
Besprochen von Catherine Newmark
Miriam Gebhardt: Alice im Niemandsland. Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012
352 Seiten, 19,99 Euro
Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um eine Abrechnung mit Alice Schwarzer, deren Verdienste durchaus gewürdigt werden, vielmehr ist das Buch der gelungene Versuch, das problematisch Einseitige des deutschen Feminismus historisch zu erklären. Ein großer Teil des Buches ist deshalb der Entwicklung der modernen Frauenbewegung seit dem 19. Jahrhundert gewidmet. Ausführlich stellt Miriam Gebhardt die Forderungen früherer Frauenrechtlerinnen vor, erzählt vom Kampf ums Stimmrecht, schreibt über die sexuelle Befreiung bis zur Frage nach der Berufstätigkeit, und zeigt, dass viele der Themen, die auch heute noch aktuell sind, schon um 1900 präsent waren: von der Kinderfrage (Verhütung, Abtreibung, Betreuung) bis zur Kritik der weiblichen Körperdressur (von Unterröcken und Korsetts über Lippenstift bis zu kosmetischer Chirurgie).
Das Manko des deutschen Feminismus im 20. Jahrhundert im Vergleich etwa zu den einflussreichen französischen oder amerikanischen Emanzipationsbewegungen sieht die Historikerin vor allem in der Trennung zwischen akademischer und politischer Bewegung. Während an Universitäten theoretische Seminare über "Gender Studies" abgehalten würden, werde in der Öffentlichkeit undifferenziert gegen das Patriarchat polemisiert - hauptsächlich von Alice Schwarzer. Frauenrechtlerinnen wie Simone de Beauvoir oder Susan Sontag, die sowohl akademisch als auch öffentlich wirkten, gäbe es nicht. Dem Feminismus in Deutschland fehle es deshalb an Breite und vor allem an Vielstimmigkeit.
Alice Schwarzers stets gleiche Kritik etwa an der Pornografie befremdet, so Gebhardt, gerade junge Frauen zunehmend. Und die eigentlichen Probleme, etwa die Tatsache, dass Deutschland im internationalen Vergleich in vielen Bereichen, etwa beim Anteil der Frauen an Universitäten, in Medien oder in wirtschaftlichen Führungspositionen, weit hinten steht, würden damit nicht angegangen.
Miriam Gebhardt fordert deshalb eine Abkehr vom "Schwarzer-Feminismus" und plädiert dezidiert für eine echte Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Problemen. Ihr historisch fundiert geschriebenes Buch leistet einen wichtigen ersten Schritt, indem es zwischen etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Geschlechterforschung und der öffentlichen, politischen Diskussion vermittelt und Mut macht, neue feministische Wege zu gehen.
Besprochen von Catherine Newmark
Miriam Gebhardt: Alice im Niemandsland. Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012
352 Seiten, 19,99 Euro