Coolheitsfaktor? Fehlanzeige
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Nicht nur, dass E-Tretroller die anderen Verkehrsteilnehmer nerven. Auch ihre Ästhetik ist eher bescheiden. Wer macht auf so einem Ding schon eine gute Figur, fragt sich Tobias Krone.
Leute wie ein Verkehrsminister sagen Mobilität zu den windigen Gestellen. Verständlich. Immerhin haben sie die ja zugelassen. Andere bezeichnen es als "total geil."
Wie diese Dame jenseits der Fünfzig, die das geile Teil aus zwei Stahlröhren, zwei Gummirollen und Akku für die so genannte erste Meile nutzt – auf dem Weg zur S-Bahn in die Münchner Innenstadt.
"Man ist sehr hoch natürlich, man fühlt sich erhaben, durch die Höhe, die man hat", sagt E-Scooter-Verkäufer Bernd Koschier. "Die Sturzhöhe ist natürlich auch höher als von einem kleinen Sitzroller. Ist klar."
Bernd Koschier will nichts beschönigen. Braucht er auch gar nicht. Die Welle rollt ganz von allein auf ihn und seinen Verkaufsstand zu. Die Welle heißt: E-Mobilität. Der Mitfünfziger steht zwischen E-Auto-Zelt und E-Bike-Pavillon auf dem Münchner Odeonsplatz – und präsentiert an diesem Tag diverse Elektrokleinstfahrzeuge. Besonders hip sieht er dabei nicht aus. Schließlich war sein E-Scooter-Geschäft bis jetzt eher ein Sanitätshaus:
"Kunden, die Hüft- und Knieprobleme hatten bisher, haben schon immer die Elektromobilität gesucht und als fantastisch empfunden. Die letzten zwei Jahrzehnte war der Funfaktor begrenzt, weil die Akkus natürlich auch noch nicht so weit waren und die Optik. Aber jetzt würde ich sagen, ist es alles überkommen. Die nächsten Jahre werden zudem beweisen, dass es ein Lifestylegerät wird."
"Der Coolheitsfaktor ist eher minus"
Die ehemalige Prothese, Höchstgeschwindigkeit 6 km/h, wird nun also hip. Schließlich schafft sie jetzt 20 km/h. Und dennoch sieht sie auch als E-Scooter immer noch aus wie – ein Tretroller.
"Ich finde, man fühlt sich eher ein bisschen doof, also ich glaube, der Coolheitsfaktor ist eher minus", sagt ein junger Mann mit Coolheitsfaktor eher plus. Sommersakko und Sonnenbrille auf der Roller-Rennstrecke entlang der Isar. Nun stoppt er, um seinen Mietscooter gegen einen anderen einzutauschen, weil ihm der Saft ausgegangen ist. Die E-Scooter-Experience leide darunter, dass man mit den Gummireifen jedes Schlagloch spüre. Das Design insgesamt? Sehr basic, findet er.
Wie ließe sich ein E-Scooter so gestalten, dass er mehr hermacht? Vielleicht ja mit der guten alten deutschen Wertarbeit. Zurück auf der E-Mobilitätsschau.
"Wir wollen eigentlich weg von einem E-Spielzeug hin zu einem hochwertigen E-Fahrzeug, das war die Idee", erklärt Dominik Neyer vom Jungunternehmen Yorks aus Stuttgart.
"Ist eine gehobene Preisklasse. Wir werden etwa bei 1500, 1600 rumliegen. Aber dafür habe ich wirklich ein Fahrzeug, mit dem ich sicher im Straßenverkehr unterwegs bin. Habe wirklich, habe wirklich gute Scheibenbremsen. Habe Luftbereifung, große Reifen. Und da wackelt nix, da klappert nix, da habe ich wirklich lange Spaß dran."
Mehr Kinkerlitzchen bedeuten mehr Gewicht
Dominik Neyer führt sein schwarzglänzendes Modell S1-Elite vor. Der Look: Immer noch sehr basic. Mehr Kinkerlitzchen wie aerodynamische Kotflügel würden auch mehr Gewicht bedeuten – und weniger Leistung. Dafür bietet er praktische Kniffe wie einen Ziehgriff, mit dem der Pendler den zusammengeklappten E-Scooter in die Bahn mitnehmen kann.
"Auch zum Beispiel Leute, die einen Anzug tragen, oder wenn man im Sommer nicht verschwitzt zur Arbeit kommen will", sagt Neyer. "Dann stelle ich mich drauf, und ich komme wirklich schweißfrei im Büro oder bei meinem Termin an."
Das ist jetzt allerdings sehr seriös. Mietscooter zielen ja gerade auf eine andere Gruppe ab. Oder warum nennt ein Sharing-Unternehmen seine Scooter sonst "Tier"? Heiko, Radfahrer in der Münchner Innenstadt, fühlt sich zu zoologischen Betrachtungen inspiriert:
"Sie werden ja auch nicht wirklich nett behandelt. Sie werden ins Eck hingeworfen, hingestellt, alleine gelassen. Man sieht sie fast nicht in Pärchen oder in Gruppen. Deshalb stellt sich mir immer die Frage: Ist das ein Einzel-Tier oder ist es ein Gruppen-Tier?"
Die meisten Scooter-Beschwörer sind Männer
Welchem Tier sind diese zwei aneinandergeschweißten Stangen eigentlich nachempfunden? Pferd, Esel?
Passant Markus grübelt: "Irgendwie nicht."
Giraffe?
"Schlange hätte ich jetzt gesagt. Zwei Schlangen."
Der praktizierende Psychotherapeut muss da natürlich lachen, denn Psychotherapeuten wissen: Bei Schlangen wird’s immer phallisch. Würde auch dazu passen, dass gefühlt neun von zehn Scooter-Beschwörern männlich sind. Wahrscheinlich ist die klapprige Aufmachung in Wirklichkeit nur dazu da, um männliche Abenteuerlust zu wecken. Männer wollen Technik, Männer wollen sie bezähmen.
Und passend dazu fällt dem Psychotherapeuten beim Thema E-Scooter noch das hier ein:
"Die Leute in der Stadt leben mit ganz vielen Leuten zusammen, wollen nicht einsam sein. Gleichzeitig aber sehr unabhängig. Und dafür stehen vielleicht diese E-Scooter ganz gut. Man kann im Anzug draufgehen und hat so was Unabhängiges - und dann an der Isar entlangflitzen."
So ein bisschen Cowboytum in der Stadt?
"Ja, vielleicht Cowboytum – wer in der Stadt lebt, möchte immer gesehen werden. In seiner Einsamkeit. Und in seiner Nichteinsamkeit."
Einsame Cowboys auf Rollern, aber mit ganz viel Watt unter der Fußsohle.