"Die Äthiopier sind sehr großzügig"
Die Äthiopier helfen den Flüchtlingen aus ihren Nachbarstaaten großzügig, findet Markus Löning. "Sie tun, was sie können, mit ihren begrenzten Mitteln, um den Flüchtlingen zu helfen", urteilt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Deutschland solle Länder wie Äthiopien in ihrem Bemühen unterstützen, eine Stabilisierung der politischen Lage zu erreichen.
Ute Welty: Mehr als zwölf Millionen Menschen hungern in Ostafrika, und es ist damit zu rechnen, dass sich in den nächsten Monaten die Lage weiter verschlimmert. Betroffen ist vor allem Somalia, und viele Menschen flüchten von dort aus nach Kenia oder Äthiopien, aber wie immer hält sich die Dürre nicht an Landesgrenzen. In Äthiopien macht sich Markus Löning ein eigenes Bild von der Lage, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Fragen. Guten Morgen, Herr Löning!
Markus Löning: Guten Morgen!
Welty: Besucht haben Sie unter anderem das Flüchtlingslager Dolo Ado. Müssen wir uns das ähnlich katastrophal vorstellen wie das Lager Dadaab in Kenia?
Löning: In Dolo Ado gibt es mehrere Flüchtlingslager, die verteilt sind in der gesamten Region. Dolo Ado selbst ist eine ganz kleine Stadt mit 10.000 Einwohnern direkt an der Grenze nach Somalia. Da habe ich den Übergang besucht, wo die Leute zunächst mal empfangen werden, wo sie registriert werden, wo sie Bändchen bekommen, wo die Familien zusammengeführt werden. Und dann werden sie in Lagern untergebracht, die 30, 40, 50 km von der Grenze weg sind. Das ist wichtig, dass sie sich auch sicher fühlen vor Übergriffen.
Und ich habe mir eines dieser Lager angeguckt, das heißt Halloween, das ist ein neues Lager, das zurzeit aufgebaut wird – da sind ungefähr 16.000 Leute zurzeit untergebracht – und habe da mit Familien geredet, ich habe da mir medizinische Versorgung angeschaut, ich habe geschaut, was das Technische Hilfswerk dort auf die Beine stellt, und man muss sagen, das ist schon erschütternd, wenn man die Geschichten hört von den Frauen, die erzählen, dass sie eben wochenlang unterwegs gewesen sind mit drei, vier, fünf Kindern, und die doch jetzt ziemlich – glücklich ist jetzt vielleicht der falsche Ausdruck - aber die froh sind, dass sie dort sind, und dass sie dort genug zu essen und zu trinken kriegen, auch für ihre Kinder, und eine erste medizinische Versorgung.
Welty: Wenn Sie nach Ihrer Rückkehr diese Eindrücke in Politik umsetzen wollen und müssen, wo setzen Sie dann an?
Löning: Da muss man, was diese Situation angeht, zunächst mal zwei Dinge sehen: Das eine ist, man muss sagen, die Äthiopier sind sehr großzügig, sie lassen die Leute ins Land, es gibt keinerlei Probleme dort, sie stellen Land zur Verfügung für die Lager, sie tun, was sie können, mit ihren begrenzten Mitteln, um den Flüchtlingen zu helfen. Das ist großzügig, das ist auch großherzig, da muss man sich nur mal vor Augen führen, was wir für teilweise komische Debatten führen, mit so ein paar Flüchtlingen aus Nordafrika. Das muss man einfach anerkennen.
Das zweite ist, dass die Internationalen sehr gut helfen, dass es sehr gut funktioniert, UN-Flüchtlingshilfswerk managt das ganze sehr professionell im Verein mit vielen internationalen NGOs – da funktioniert die Internationale Gemeinschaft inzwischen sehr gut. Und Deutschland, das Auswärtige Amt beteiligt sich zum Beispiel speziell am Aufbau dieses einen Flüchtlingslagers mit über zwei Millionen Euro. Das heißt, das ist das erste, wo der Bedarf ist, ist natürlich Geld für die Unterstützung der internationalen UN-Organisation, um diese Lager aufzubauen. Das ist die erste politische Forderung. Wir müssen ausreichend Geld zur Verfügung stellen.
Welty: Mit Geld alleine ist es aber doch nicht getan, es geht ja auch um politische Zusammenhänge in der Region, wie in Somalia, wie aber auch im Sudan. Dort soll eine ganze Stadt nach Äthiopien geflüchtet sein. Wie wird sich dieser Konflikt ihrer Einschätzung nach weiterentwickeln?
Löning: Das ist sehr schwer, von hier aus die Konfliktlinie da im Sudan zu beurteilen. Mein Appell geht an die Konfliktparteien im Sudan, den politischen Prozess fortzusetzen. Es hat ja soweit gut funktioniert. Es gab die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudan, die eigentliche Abspaltung des Südsudan im Juli hat ja auch gut funktioniert, friedlich soweit, und es ist eigentlich ein Erfolg der internationalen Gemeinschaft und auch gerade der Nachbarländer wie Äthiopien, dass es soweit friedlich gewesen ist.
Es geht mein Appell da an die Konfliktparteien, diesen friedlichen Weg nicht zu verlassen. Denn Südsudan hat ausreichend Ressourcen, um ein gutes Leben für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Aber dazu muss natürlich Frieden herrschen! Und Ähnliches geht in Richtung Somalia. Wir brauchen dort einen politischen Prozess, da hat es einen Beginn gegeben. Den würden wir als Deutsche selbstverständlich auch unterstützen, aber da ist die erste Verantwortung in Somalia und bei den unmittelbaren Nachbarn natürlich.
Welty: Wie kann denn die deutsche Unterstützung aussehen, und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, zum einen, was die Konflikte angeht, aber eben auch, was die Dürre angeht? Denn wenn es seit 2009 nicht mehr regnet, dann kann man sich ausrechnen, dass es irgendwann schwierig wird, das Vieh zu versorgen und das Feld zu bestellen.
Löning: Gut, also, was die Dürre angeht, da können wir natürlich nichts machen, aber ich glaube, es ist auch wichtig, immer wieder drauf hinzuweisen, dass die Dürre natürlich nur ein Teil der Ursache ist. Sie ist jetzt der auslösende Moment für die Hungersnöte, aber die Frauen, mit denen ich gesprochen habe hier in Äthiopien, die sagten eben auch, sie sind vor der Gewalt von al-Shabaab geflohen. Das ist also die Dürre und die politische Gewalt, die dort stattfindet.
Wir müssen als Deutsche da in aller Bescheidenheit sagen, dass unser Einfluss natürlich in diesen Ländern, insbesondere in Somalia und auch im Südsudan sehr, sehr gering ist. Da sollten wir uns auch nichts vormachen.
Was wir tun sollten, ist, dass wir die Ostafrikaner, die versuchen dort, politisch initiativ werden – und das sind vor allem die Äthiopier, aber nicht nur die Äthiopier, dass wir ihnen klar signalisieren: Wir stehen da auf eurer Seite, wir unterstützen euch, wenn ihr es schafft, diesen politischen Prozess vorwärtszubringen, wenn ihr es schafft, dort Druck in den Ländern aufzubauen und auch politische Incentives herzustellen, dass es zu einem politischen Prozess kommt. Und wir sind dann bereit, beim Aufbau eines solchen Staates zu helfen, mit welchen Dingen auch immer, die dann dort nötig sein könnten.
Welty: Unterwegs in Äthiopien, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning. Ich danke für diese Einschätzungen und Eindrücke und wünsche einen guten Rückflug.
Löning: Vielen Dank nach Deutschland!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Markus Löning: Guten Morgen!
Welty: Besucht haben Sie unter anderem das Flüchtlingslager Dolo Ado. Müssen wir uns das ähnlich katastrophal vorstellen wie das Lager Dadaab in Kenia?
Löning: In Dolo Ado gibt es mehrere Flüchtlingslager, die verteilt sind in der gesamten Region. Dolo Ado selbst ist eine ganz kleine Stadt mit 10.000 Einwohnern direkt an der Grenze nach Somalia. Da habe ich den Übergang besucht, wo die Leute zunächst mal empfangen werden, wo sie registriert werden, wo sie Bändchen bekommen, wo die Familien zusammengeführt werden. Und dann werden sie in Lagern untergebracht, die 30, 40, 50 km von der Grenze weg sind. Das ist wichtig, dass sie sich auch sicher fühlen vor Übergriffen.
Und ich habe mir eines dieser Lager angeguckt, das heißt Halloween, das ist ein neues Lager, das zurzeit aufgebaut wird – da sind ungefähr 16.000 Leute zurzeit untergebracht – und habe da mit Familien geredet, ich habe da mir medizinische Versorgung angeschaut, ich habe geschaut, was das Technische Hilfswerk dort auf die Beine stellt, und man muss sagen, das ist schon erschütternd, wenn man die Geschichten hört von den Frauen, die erzählen, dass sie eben wochenlang unterwegs gewesen sind mit drei, vier, fünf Kindern, und die doch jetzt ziemlich – glücklich ist jetzt vielleicht der falsche Ausdruck - aber die froh sind, dass sie dort sind, und dass sie dort genug zu essen und zu trinken kriegen, auch für ihre Kinder, und eine erste medizinische Versorgung.
Welty: Wenn Sie nach Ihrer Rückkehr diese Eindrücke in Politik umsetzen wollen und müssen, wo setzen Sie dann an?
Löning: Da muss man, was diese Situation angeht, zunächst mal zwei Dinge sehen: Das eine ist, man muss sagen, die Äthiopier sind sehr großzügig, sie lassen die Leute ins Land, es gibt keinerlei Probleme dort, sie stellen Land zur Verfügung für die Lager, sie tun, was sie können, mit ihren begrenzten Mitteln, um den Flüchtlingen zu helfen. Das ist großzügig, das ist auch großherzig, da muss man sich nur mal vor Augen führen, was wir für teilweise komische Debatten führen, mit so ein paar Flüchtlingen aus Nordafrika. Das muss man einfach anerkennen.
Das zweite ist, dass die Internationalen sehr gut helfen, dass es sehr gut funktioniert, UN-Flüchtlingshilfswerk managt das ganze sehr professionell im Verein mit vielen internationalen NGOs – da funktioniert die Internationale Gemeinschaft inzwischen sehr gut. Und Deutschland, das Auswärtige Amt beteiligt sich zum Beispiel speziell am Aufbau dieses einen Flüchtlingslagers mit über zwei Millionen Euro. Das heißt, das ist das erste, wo der Bedarf ist, ist natürlich Geld für die Unterstützung der internationalen UN-Organisation, um diese Lager aufzubauen. Das ist die erste politische Forderung. Wir müssen ausreichend Geld zur Verfügung stellen.
Welty: Mit Geld alleine ist es aber doch nicht getan, es geht ja auch um politische Zusammenhänge in der Region, wie in Somalia, wie aber auch im Sudan. Dort soll eine ganze Stadt nach Äthiopien geflüchtet sein. Wie wird sich dieser Konflikt ihrer Einschätzung nach weiterentwickeln?
Löning: Das ist sehr schwer, von hier aus die Konfliktlinie da im Sudan zu beurteilen. Mein Appell geht an die Konfliktparteien im Sudan, den politischen Prozess fortzusetzen. Es hat ja soweit gut funktioniert. Es gab die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudan, die eigentliche Abspaltung des Südsudan im Juli hat ja auch gut funktioniert, friedlich soweit, und es ist eigentlich ein Erfolg der internationalen Gemeinschaft und auch gerade der Nachbarländer wie Äthiopien, dass es soweit friedlich gewesen ist.
Es geht mein Appell da an die Konfliktparteien, diesen friedlichen Weg nicht zu verlassen. Denn Südsudan hat ausreichend Ressourcen, um ein gutes Leben für seine Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Aber dazu muss natürlich Frieden herrschen! Und Ähnliches geht in Richtung Somalia. Wir brauchen dort einen politischen Prozess, da hat es einen Beginn gegeben. Den würden wir als Deutsche selbstverständlich auch unterstützen, aber da ist die erste Verantwortung in Somalia und bei den unmittelbaren Nachbarn natürlich.
Welty: Wie kann denn die deutsche Unterstützung aussehen, und die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, zum einen, was die Konflikte angeht, aber eben auch, was die Dürre angeht? Denn wenn es seit 2009 nicht mehr regnet, dann kann man sich ausrechnen, dass es irgendwann schwierig wird, das Vieh zu versorgen und das Feld zu bestellen.
Löning: Gut, also, was die Dürre angeht, da können wir natürlich nichts machen, aber ich glaube, es ist auch wichtig, immer wieder drauf hinzuweisen, dass die Dürre natürlich nur ein Teil der Ursache ist. Sie ist jetzt der auslösende Moment für die Hungersnöte, aber die Frauen, mit denen ich gesprochen habe hier in Äthiopien, die sagten eben auch, sie sind vor der Gewalt von al-Shabaab geflohen. Das ist also die Dürre und die politische Gewalt, die dort stattfindet.
Wir müssen als Deutsche da in aller Bescheidenheit sagen, dass unser Einfluss natürlich in diesen Ländern, insbesondere in Somalia und auch im Südsudan sehr, sehr gering ist. Da sollten wir uns auch nichts vormachen.
Was wir tun sollten, ist, dass wir die Ostafrikaner, die versuchen dort, politisch initiativ werden – und das sind vor allem die Äthiopier, aber nicht nur die Äthiopier, dass wir ihnen klar signalisieren: Wir stehen da auf eurer Seite, wir unterstützen euch, wenn ihr es schafft, diesen politischen Prozess vorwärtszubringen, wenn ihr es schafft, dort Druck in den Ländern aufzubauen und auch politische Incentives herzustellen, dass es zu einem politischen Prozess kommt. Und wir sind dann bereit, beim Aufbau eines solchen Staates zu helfen, mit welchen Dingen auch immer, die dann dort nötig sein könnten.
Welty: Unterwegs in Äthiopien, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning. Ich danke für diese Einschätzungen und Eindrücke und wünsche einen guten Rückflug.
Löning: Vielen Dank nach Deutschland!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.