Die "Auflösung" des "Flügels" allein ändert nichts
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Der AfD-Bundesvorstand hat dem "Flügel" in der Partei die Selbstauflösung zum 1. Mai verordnet. Doch die Netzwerke dieses Sammelbeckens der extremen Rechten bestünden fort, kommentiert Henry Bernard. Die Frage sei, ob es personelle Konsequenzen gibt.
"Raider heißt jetzt Twix – sonst ändert sich nix!" So reimte ein bekannter Süßwarenhersteller vor fast 30 Jahren, als er seinen beliebtesten Schokoriegel umbenannte. Und in der Tat: Der süß-klebrige Inhalt war derselbe, nur der Name ein anderer. So ähnlich läuft es bei der AfD. Den "Flügel" der Partei, das Sammelbecken der Rechtsnationalen, Völkischen und Rechtsextremen, soll es ab 1. Mai nicht mehr geben. Die Selbstauflösung wurde dem "Flügel" vom Bundesvorstand verordnet, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz verkündet hatte, den "Flügel" als verfassungsfeindliche Gruppierung unter Beobachtung zu stellen. Zu groß ist die Angst in der AfD-Spitze, dass die Verfassungsschützer bürgerliche Wähler abschrecken könnten, um die man doch so buhlt.
Aber was bedeutet es, wenn der "Flügel" ab 1. Mai nicht mehr existiert? Seine Website ist schon verschwunden, auf Facebook wird man aufgefordert, Fotos oder Videos jetzt noch runterzuladen, da sie bald verschwunden seien. Die Netzwerke, Mailinglisten, Kommunikationsgruppen aber werden weiter existieren. Und ebenso die Ideen des Flügels, dem es gelungen ist, das Machtzentrum der AfD immer weiter nach rechts außen zu verschieben und wichtige Stellen mit "Flügel"-Leuten zu besetzen. Dass der Bundesvorstand der AfD in zwei Wochen "überprüfen" will, ob die Auflösung des "Flügels" tatsächlich erfolgt ist, klingt wie ein Witz. Nur, weil es keine Björn-Höcke-Devotionalien, keine Tassen und Beutel mit dessen Konterfei mehr im "Flügel-Shop" zu kaufen gibt, ist der Flügel nicht verschwunden. Weder hat sich der Bundesvorstand auch nur von einer Aussage des Flügels distanziert noch von dessen Spitzenpersonal.
Höcke laut Gauland in der Mitte der Partei
Björn Höcke, der mit Deportationsfantasien für Muslime hausieren geht, der Bürgerkriegsszenarien entwirft und nach einer Machtübernahme der AfD die "Altelite komplett entsorgen" will, "ohne Wenn und Aber", dieser Björn Höcke steht nach Ansicht von Alexander Gauland in der Mitte der Partei.
Wenn ein Rechtsextremist in der Mitte steht, dann muss sich die AfD als Ganzes dessen Äußerungen zurechnen lassen – dann ist Björn Höcke zu Recht eines der wichtigsten und prominentesten Gesichter dieser Partei. Dann muss die aber auch mit den Konsequenzen leben. Eben mit der Beobachtung eines gewichtigen Teils seiner Mitglieder durch den Verfassungsschutz. Dann muss die AfD damit leben, dass jedes Gespräch, jedes Telefonat mitgehört, jede Mail mitgelesen werden könnte; dann wird sie sich noch mehr als schon jetzt fragen, wer wohl die Spitzel, die V-Leute in ihren Reihen sein werden.
Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist keine elegante Art und Weise, einer Partei beizukommen, sie sollte äußerstes Mittel bleiben. Aber solange die AfD rechten Gewalttätern Rechtfertigung und geistige Munition liefert, muss sie sich das wohl gefallen lassen. Man wird sehen, wie die AfD nun mit Andreas Kalbitz umgeht, dessen rechtsextreme Vergangenheit nicht nur zum Himmel stinkt, sondern auch mit der Satzung der AfD unvereinbar ist. Solange die AfD keine rigorosen personellen Konsequenzen zieht, bleibt die "Auflösung" des "Flügels" reine Kosmetik. Wie damals bei "Raider", das zu "Twix" wurde.