Christian Höppner, Jahrgang 1956, ist Cellist, Dirigent, Generalsekretär des Deutschen Musikrates und ehemaliger Präsident des Deutschen Kulturrates. Seit 1986 unterrichtet er Violoncello an der Universität der Künste in Berlin.
"Die Kunst muss frei sein"
08:15 Minuten
Die Kultur wird als hochpolitisches Thema von allen Seiten besetzt und benutzt, sagt der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. Die AfD habe das Feld als Wirkungsfeld erkannt, der Umgang mit der Partei sei schwierig.
Im Bundestag ist erneut der AfD-Kandidat bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten durchgefallen. Als Kandidaten hatte die Fraktion wieder den 63-jährigen Abgeordneten Gerold Otten vorgeschlagen, der schon am 11. April im ersten Wahlgang nicht die notwendige absolute Mehrheit erreicht hatte.
Auf die Gewissensentscheidung jedes Abgeordneten verwies unser Studiogast, der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner, im Deutschlandfunk Kultur. "Ich habe einen hohen Respekt vor jedem Abgeordneten, der sich so oder so entscheidet, dafür oder dagegen." Außerdem müssten die gesellschaftlichen Folgen bedacht werden.
Er selbst sei auch unsicher, wie er als Parlamentarier entscheiden würde, sagte Höppner. Einerseits werde die "Opferrolle" der AfD durch ablehnendes Stimmverhalten untermauert. Andererseits verstoße die Partei in einer Weise gegen Grundlinien des Werteverständnisses, dass er verstehen könne, wenn Abgeordnete sie grundsätzlich für nicht wählbar hielten.
Reden mit der AfD
Höppner sagte, er sei im Rückblick froh, dass der Deutsche Kulturrat nach der Bundestagswahl mit einer Petition dagegen protestiert hatte, dass die AfD den Vorsitz des Kulturausschusses übernehmen konnte. Die Partei habe wie keine andere Partei erkannt, dass Kultur ein hochpolitisches Wirkungsfeld sei. "Wir haben gesagt, Kunst muss frei sein und das kann nicht durch die AfD besetzt werden." Das bedeute keinesfalls, dass mit den Politikern der Partei nicht gesprochen werde. Der Kulturrat und der Musikrat hätten die AfD bei Diskussionsveranstaltungen bereits dabei gehabt.
Das Gegenteil von Kunstfreiheit
Die Kultur werde als hochpolitisches Thema von allen Seiten besetzt und benutzt, sagte Höppner. Er widersprach Äußerungen des AfD-Kulturpolitikers Marc Jongen, der häufig für mehr Pluralität im Kulturleben wirbt und versichert, seine Partei wolle nicht den Kulturbetrieb übernehmen. Sein Argument ist, dass es beispielsweise neben linken Intendanten auch konservative geben sollte. "Das ist genau das Gegenteil von Kunstfreiheit", sagte Höppner.
Es sei wichtig zu unterscheiden zwischen dem künstlerischen Ergebnis und den Menschen, die gestalteten. "Natürlich sind die Menschen, die gestalten, auch immer politisch tätig, gerade im Kulturbereich." Kunst werde erst in ihrer Wirkung auf den Menschen politisch. "Diese Wirkung zuzulassen, im Rahmen natürlich des Grundgesetzes und auch dessen, was strafrechtlich relevant ist, das muss – egal in welche Richtung es geht – gewährleistet sein."
Unterscheiden zwischen Künstler und Werk
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich das Bild von Emil Nolde aus ihrem Büro habe entfernen lassen, halte er für ein falsches Signal, sagte Höppner. "Ich finde es absolut wichtig, die Person auch immer in den politischen Kontext zu stellen." Aber das dürfe nicht den Blick dafür verstellen, das Kunstwerk als solches zu betrachten.
Das gelte für Nolde, aber auch für Richard Wagner. "Das wird mir im Moment wahnsinnig eng", sagte Höppner. Es gebe beispielsweise Leute, die sagten, Wagner höre ich mir nicht an. "Das ist eine Verengung vor dem geschichtlichen Kontext bei der Frage, wie gehen wir mit einem Kunstwerk um – das wird immer eine Auseinandersetzung sein."
(gem)