Die Algensammlerin

Von Jens Wellhöner |
Meeresforschung - das klingt nach Weite und Abenteuern unter Wasser. Mareike Hammanns Alltag scheint aber zunächst gar nicht so abenteuerlich. Sie forscht über Seetang. Allerdings reist die 26-Jährige sogar bis nach Dänemark, um Seetang für ihre Doktorarbeit zu sammeln.
Am Strand der Kieler Förde: Der Sturm der vergangenen Nacht hat viel Seetang an Land gespült. Dort zerfällt er, eine grüne, glibberige Masse bleibt zurück. Auch das Wasser sieht nicht sehr einladend aus, eher schwarz, wie kalter Kaffee. Mareike Hammann aber lässt sich dadurch nicht stören und geht am Strand auf und ab, den Kopf nach unten. Sie sucht eine bestimmte Art von Makroalgen, so heißt Seetang in der Wissenschaftssprache:

"Wenn ich so am Strand entlang laufe, um irgendwelche Algen zu suchen, dann ist man in so einem Suchmodus, denkt an nicht viel. Na ja, manchmal denkt man an irgendwelche alltäglichen Sachen, die man noch erledigen muss, aber...ich wüsste jetzt nichts Bestimmtes!"

Konzentriert sucht die Forscherin weiter. Der Wind zerzaust dabei ihr mittelblondes Haar. Zwischendurch schiebt sie sich Strähnen aus ihrem schmalen Gesicht. Mareike Hammann sucht nach Rotalgen. Über diese Art schreibt sie gerade ihre Doktorarbeit, am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften. Die Rotalge sieht aus ..,

"… ja, wie so eine Art Wollknäuel. Ich würde Ihnen ja gerne eine zeigen, wenn wir hier eine finden. Aber..."

Leider Fehlanzeige. Seetang oder besser gesagt Makroalgen, die aussehen wie ein Wollknäuel, liegen leider heute nicht am Strand. Mareike Hammann muss also noch an andere Strände fahren:

"Manchmal bin ich schon ein bisschen frustriert, wenn die Erfolge ausbleiben. Aber das ist wirklich eine der ersten Sachen, die man lernt, wenn man was in der experimentellen Biologie oder Ökologie macht. Man braucht wirklich jede Menge Geduld und ... daran arbeite ich. Und ich glaube, ich werde besser (lacht). Und man darf sich nicht so schnell entmutigen lassen, wenn mal was nicht so klappt wie man möchte."

Mareike Hammann ist 26 Jahre alt. Das Forschergen wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in einem Dorf westlich von Hamburg, begann ihre Leidenschaft für das Meer auf dem Deich. Schon als Kind wollte sie Meeresforscherin werden.

"Auch wenn mich meine Eltern zum Urlaub machen nie ans Meer, sondern immer in die Berge geschleppt haben (lacht)."

Nach dem Studium der Umweltwissenschaften folgt nun die Doktorarbeit im Bereich Meeresbiologie. Bis nach Dänemark führt Mareike Hammann dabei die Suche nach der Rotalge:

"Ja, die sind auf jeden Fall ökologisch sehr interessant. Bisher wurde auch vielmehr Forschung an Landpflanzen betrieben als an Algen. Also, man weiß viel mehr über Landpflanzen als über Algen. Und das finde ich schon sehr faszinierend."

Mit dem Fahrrad fährt die junge Forscherin danach ins Institut für Meereswissenschaften, entlang der Kieler Förde. Dabei schaut sie unwillkürlich immer wieder ins Wasser. Ihr Algen-Suchmodus ist offensichtlich immer aktiv, sobald sie am Meer ist. Im Institut angekommen, geht sie erst mal in den Keller. Dort unten in Aquarien leben die Rotalgen, die sie gesammelt hat. Mareike Hammann möchte sehen, ob es ihnen auch gut geht:

"Also sie brauchen halt ein gewisses Licht, eine gewisse Belüftung. Kommen aber sonst ganz gut über die Runden. Das ist das nette an dieser Art: Sie ist ganz einfach zu halten, genau."

Im Institut arbeitet auch Florian Weinberger, der wissenschaftliche Ratgeber der jungen Algen-Forscherin. Der lobt sie in den höchsten Tönen:

"Ja, ich denke dass sie begabt ist, ist offensichtlich. Sie hat ja kürzlich diesen Preis für ihre Arbeit bekommen. Das war auch nicht der erste. Und ich denk: Dafür muss man schon begabt sein!"

Dieser Preis wurde ihr für das beste Referat verliehen, auf einer Wissenschaftskonferenz in Mexiko im Februar diesen Jahres. Florian Weinberger hat noch mehr Lob parat:

"Also ich finde es angenehm mit jemandem zu arbeiten, auf den man sich verlassen kann. Und das kann ich bei ihr!"

Ihre Leidenschaft für Meeresforschung zeigt sich auch in der Wohnung von Mareike Hammann. Erst vor wenigen Wochen ist sie in ein altes Gutshaus am Nord-Ostsee-Kanal gezogen. Das Wasser ist auch hier nicht weit. Und an den Wänden hängen Fotos von Stränden und von Pflanzen. Mareike Hamman wohnt zusammen mit ihrer Katze. Und bereitet hier auch ihre Vorträge vor:

"Meiner Katze halte ich keine Vorträge. Die hört sowieso nicht auf mich, die ist alt und verzogen. Ja, schon das dritte Mal mit mir umgezogen. Die habe ich schon sehr gern!"

Bisher verlief das Leben der jungen Forscherin eher unruhig. Umzüge, ständig Expeditionen entlang der Ostsee. Zum Glück hat sie einen Lebensgefährten, der das mitmacht. Und auch ihren Freiheitsdrang teilt. Heiraten will sie nicht:

"Es funktioniert einfach so sehr schön bei uns. Und ich glaube auch nicht, dass man verheiratet sein muss, um glücklich zusammen zu leben. Wir sind so freiwillig zusammen (lacht)."

Trotzdem: Wenn sie ihren Doktor hat, möchte Mareike Hammann irgendwo feste Wurzeln schlagen:

"Manchmal denke ich doch, ich hätte gerne etwas mehr Beständigkeit in meinem Leben. Manchmal beneide ich Freunde dann doch schon ein bisschen: Die leben schon länger zusammen, die haben einen festen Job, die wissen, was sie in zehn Jahren machen. Manchmal denke ich schon, das ist ja auch ganz nett."

Irgendwann möchte Mareike Hammann ein Häuschen haben. Möglichst am Wasser. Und Familie. Aber bis es so weit ist, will sie noch viele Reisen machen. Vorträge halten, in aller Welt. Und Algen sammeln.