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„Ein Werk übermenschlicher Kraft“
Ein Trauergesang ohne Worte, eine aus ihrer Zeit herausragende und zugleich völlig unterschätzte Sinfonie: das ist "Asrael" von Josef Suk. Erst allmählich tritt die Bedeutung des 1905 komponierten Werkes und ihres Urhebers ins öffentliche Bewusstsein.
Wer Chefdirigent der Berliner Philharmoniker wird, der steht im Mittelpunkt des Musiklebens – und entsprechend unter Beobachtung. Jedes ausgewählte Werk und jeder eingeladene Solist geben zu Diskussionen Anlass. Vor allem dann, wenn es sich um ungewöhnliches Repertoire handelt, so wie die "Asrael"-Sinfonie von Josef Suk, die Kirill Petrenko auf das Programm eines seiner ersten Konzerte als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker gesetzt hat. Schon lange beschäftigt ihn dieses Werk, das er 2002 in Koproduktion mit dem damaligen DeutschlandRadio Berlin und der Plattenfirma cpo als seine erste CD eingespielt hat - mit dem Orchester der Komischen Oper Berlin.
Was hat es mit diesem Werk auf sich, welcher Komponist steckt dahinter? Josef Suk, geboren 1874 – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Geiger, seinem Enkel – ist ein großer Name in der tschechischen Musik zwischen Romantik und Moderne, aber doch viel weniger bekannt als etwa Smetana und Dvořák.
Glück und Tragik
Mit letzterem verband Suk eine besondere Beziehung: Dvořák war Suks geliebter (und sehr einflussreicher) Lehrer, aber er war auch sein Schwiegervater. Denn Suk hatte 1898 dessen Tochter Otilie geheiratet – eine glückliche Verbindung, die allerdings in einer Katastrophe mündete: 1904 starb Dvořák überraschend, und noch während Suk eine Trauermusik für ihn komponierte, starb auch dessen Tochter, seine Frau, im Alter von nur 27 Jahren an einer Herzkrankheit.
Suk setzte seine Arbeit mit eiserner Disziplin fort, widmete das Werk dem Andenken der beiden Verstorbenen und benannte es nach Asrael, dem Todesengel der orientalischen Mythologie.
Aus Schmerz wird Kraft
Die einstige Unbefangenheit beim Komponieren aber war dahin. Das große fünfsätzige Stück, das Suk auf Augenhöhe mit den Sinfonien Gustav Mahlers schrieb, erlebte der Komponist selbst nicht als "ein Werk des Schmerzes", sondern als "ein Werk übermenschlicher Kraft". Es war der Auftakt zu einem zögerlich entstehenden und von Schwermut erfülltem Spätwerk. Einige prominent besetzte und bemerkenswert unterschiedliche Einspielungen der "Asrael"-Sinfonie werden in dieser Sendung vorgestellt.