Symbol, Ikone und Skandalfrucht
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Ob nun Maurizio Cattelan, David Datuna oder Pop-Art-Übervater Andy Warhol – keiner der Künstler ist ohne die gelbe Frucht ausgekommen. In Polen hat ein Bananen-Kunstwerk 2019 sogar für einen politischen Skandal und jede Menge Wirbel gesorgt.
Die Kamera ist frontal auf die junge Frau gerichtet: Blondes, gewelltes Haar, man sieht den nackten Oberkörper bis zum Dekolleté. Genüsslich pellt sie eine Banane, liebkost mit der Zunge spielerisch das Fruchtfleisch und lacht dabei verschmitzt.
"Das ist keine Kunst, das ist absolut wertlos", spotten konservative Kritiker. Die Befürworter sagen: "Die Banane ist ein Symbol, das simpel und ohne viele Worte sagt, was ist. Die Banane bedeutet: Widerstand."
Ein Symbol des Widerstands
Widerstand und Provokation. 2019 streitet Polen über die Video- und Fotoserie "Consumer Art" der Künstlerin Natalia Lach-Lachowicz alias Natalia LL. Anlass bietet der neu eingesetzte, regierungstreue Direktor des Warschauer Nationalmuseums, der meint, das Kunstwerk aus den 70er-Jahren könne jungen Menschen schaden. Er lässt es aus der Dauerausstellung entfernen und im Depot verschwinden.
Draußen regt sich Protest, von Zensur ist die Rede. Menschen posten in sozialen Netzwerken unter dem Hashtag Bananagate eigene Bilder: Mal beißen sie in eine Banane, mal halten sie sich die gelbe Frucht wie eine Pistole an die Schläfe.
Die Banane bleibt also Symbol des Widerstands und erregt heute genauso die Gemüter wie damals, als das Video entstanden ist: "Es wurde im Westen gelesen als Selbstermächtigung der Frau, die das Recht auf körperliche Lust propagiert und auch die Produktion erotischer Bilder selbst in die Hand nimmt", sagt Nathalie Hoyos. "Aber man muss das immer auch im Kontext sehen. In Polen damals waren Bananen eine heiß begehrte Ware, es war ja eine Mangelwirtschaft. Also da eine totale Konsumkritik." Hoyos ist Kuratorin einer Schau mit Natalia LLs Werken in der österreichischen Stadt Linz.
Super Design, super Farbe
Die krumme Frucht, die um 1900 zum ersten Mal in Stillleben ihren Weg in die Kunst findet und später selbst zum Kunstobjekt wird, ist heute längst zur Ikone, zum Kult geworden, sagt Hoyos. "Es hat einfach ein super Design, es hat eine super Farbe, es hat eine irrsinnige optische Wirkung, und es hat einfach noch die ganzen anderen Assoziationen dazu." Mal geht es um die Exotik ferner Länder, mal um Kolonialismus, mal um sexuelles Erwachen oder einfach nur pure Ironie.
Mit der Banane spielen ab Mitte der 80er-Jahre auch die Künstlerinnen der Guerilla Girls. Verkleidet mit Gorilla-Masken verteilen sie bei ihren Kunst-Aktionen Bananen ans Publikum und platzieren auf Plakaten Bananen neben feministischen Slogans. Ihr Protest richtet sich vor allem gegen Sexismus und Diskriminierung in der Kunstwelt.
"Peel of and see"
Der künstlerische Durchbruch gelingt der Banane dank Pop-Art-Übervater Andy Warhol. 1967 gestaltet er das Cover für die Debüt-LP von The Velvet Underground & Nico – mit einer riesigen, schon ziemlich reifen, Banane und seiner Signatur. "Peel off and see", steht am Stiel. Wer die schwarz-gelbe Schale auf weißem Hintergrund abknibbelt, sieht, wie das rosa eingefärbte Fruchtfleisch zum Vorschein kommt. LPs mit unbefummelten Bananen wechseln heute schon mal für mehr als 150.000 Euro die Besitzer.
Ganz schön Banane! Auch dafür hält die Banane her, als selbstironisches Symbol für den überdrehten Kunstbetrieb. Etwa bei Enfant terrible Maurizio Cattelan. Auf der Kunstmesse Art Basel in Miami Beach hängt er 2019 echte Bananen, frisch aus dem Supermarkt, mit einem Streifen Klebeband an die Wand und deklariert sie zu Kunst.
Cattelans Kunstfrüchte gehen für sensationelle 120.000 Dollar weg. Aktionskünstler David Datuna setzt noch einen drauf. Er pflückt in Miami ein Exemplar von der Wand und verspeist es in aller Seelenruhe. Natürlich vor Besuchern und Kameras.
Die Banane ist in der Kunst aber auch Gütesiegel. Das Urheberrecht für Warhols Album-Cover wurde nie registriert. Und so sprüht der Kölner Künstler Thomas Baumgärtel das Logo seit Mitte der 80er-Jahre an Galerien und Museen, die er für wertvoll hält.
Auf anderen Bildern steckt er Politikern Bananen in den Mund und in andere Körperöffnungen oder lässt gleich ein ganzes Bananen-Meer auf sie regnen: "Es ist ein Instrument erst mal. Und da ist die Banane gut. So ein Ding, um krumme Dinger an den Pranger zu stellen."