Darwins Reise zu Schildkröten und Spottdrosseln
Auf seiner Weltumsegelung mit der "H.M.S. Beagle" machte Charles Darwin die entscheidenden Beobachtungen, die ihn auf seine Evolutionstheorie brachten. Heute vor 185 Jahren stach das Schiff in See – Beginn einer der folgenreichsten Forschungsexpeditionen aller Zeiten.
"Keiner, der nur 24 Stunden auf See gewesen ist, hat das Recht zu behaupten, Seekrankheit erlebt zu haben. Das wahre Elend beginnt erst, wenn man so erschöpft ist, dass auch schon die kleinste Anstrengung das Gefühl hervorruft, ohnmächtig zu werden. Ich fand heraus, dass nichts außer dem Liegen in meiner Hängematte mir irgendwie half. Ausgenommen jedoch Deine Verordnung von Rosinen, sie sind die einzige Nahrung, die der Magen erträgt."
Dass er dermaßen unter Übelkeit leiden würde, wie er es seinem Vater, der Arzt war, in einem Brief schilderte – damit hatte Charles Darwin nicht gerechnet. Aber während der fast fünf Jahre, in denen er mit der "Beagle" die Welt umsegelte, hat er sich auch daran gewöhnt. Der 22-jährige Engländer sollte nach einem abgebrochenen Medizinstudium eigentlich Pfarrer werden, was ihm nicht sonderlich behagte. Da kam das Angebot, den Kapitän der "Beagle" Robert Fitz-Roy als zahlender Gast zu begleiten, gerade recht. Fitz-Roy neigte zu Depressionen und fürchtete sich vor der Einsamkeit auf hoher See.
"Er hat sich wirklich einen Begleiter gesucht, der mit ihm zu Tisch sitzt und mit ihm redet und mit ihm auf gleicher Augenhöhe, also gleiche Gesellschaftsschicht, verkehren kann."
... erklärt Darwins Biograph Jürgen Neffe. Ziel der Expedition war die endgültige Vermessung der südamerikanischen Küsten durch die britische Marine. Am 27. Dezember 1831 stach die "Beagle" von Devonport aus in See. Darwins winzige Kajüte war vollgestopft mit Chemikalien, Seziergeräten und anderen Beobachtungsinstrumenten. Er war schon immer ein begeisterter Naturforscher gewesen. Von einer "natürlichen Auslese", dem Grundbegriff seiner späteren Evolutionstheorie, ahnte er damals noch nichts. Oder doch?
Von Teneriffa nach Feuerland
Jürgen Neffe: "Ich gehöre zu denen, die sagen: Darwin ist mit einer Idee im Kopf losgefahren. Aber einer vorbewussten oder unbewussten. Sein Großvater Erasmus Darwin hat bereits sich sehr intensiv Gedanken über Evolution gemacht. Diese Idee war im Raum. Das war en vogue, über Evolution nachzudenken. Nur keiner konnte es erklären."
Die "Beagle" nahm erst Kurs auf Teneriffa, dann ging es durch die Kapverden nach Brasilien, zu den Falkland-Inseln, nach Patagonien und Feuerland. Die Begegnung mit den dortigen Ureinwohnern sei das "merkwürdigste Schauspiel" seines Lebens gewesen, schrieb Darwin in sein Tagebuch:
"Einige von uns begannen scheele Gesichter zu ziehen, doch einem der jungen Feuerländer gelangen noch weit scheußlichere Grimassen. Ebenso überrascht betrachteten sie unseren Tanz, doch einer der jungen Männer hatte gegen einen kleinen Walzer nichts einzuwenden."
Reiten auf Schildkröten
1835 erreichte Darwin die Galapagos-Inseln. Anfangs machte es ihm einfach nur Spaß, die vielen Tiere zu beobachten. Vor allem die Riesenschildkröten hatten es ihm angetan:
"Einige Male setzte ich mich einer auf den Rücken, und wenn ich ihr dann ein paar Mal hinten auf ihren Panzer klopfte, erhob sie sich und lief los – doch fand ich es sehr schwierig, das Gleichgewicht zu halten."
Doch dann dämmerte ihm, dass irgendetwas nicht stimmte:
"Die Verbreitung der Bewohner dieses Archipels wäre nicht annähernd so wunderbar, wenn beispielsweise eine Insel eine Spottdrossel aufwiese und eine zweite eine gänzlich andere Gattung … Mich aber erstaunt nun, dass mehrere der Inseln ihre eigene Art der Schildkröte, der Spottdrossel, des Finken sowie etlicher Pflanzen aufweisen."
Dazu Darwin-Biograf Jürgen Neffe: "Und dann hat Darwin eigentlich nur noch eins und eins zusammenzählen müssen. Er hat sich vorgestellt, dass diese Vögel höchst selten überhaupt auf die Inseln geraten, tausend Kilometer vor Ecuador, vor dem amerikanischen Festland (…) Und jede unterschiedliche Umwelt hat die dort lebende Art praktisch gezwungen, sich ihr anzupassen. Die Alternative heißt: aussterben."
Eine Empfehlung für Naturforscher
Schon 1838, zwei Jahre nach seiner Rückkehr nach England, entwarf Darwin seine Theorie vom evolutionären Entwicklungsprozess. Bis zur Veröffentlichung seines Hauptwerks "Die Entstehung der Arten" 1859 dauerte es allerdings noch mehr als 20 Jahre, in denen er Beweise für seine Behauptung sammelte. Die Evolutionstheorie bedeutete eine radikale Abkehr von dem Glauben, dass jede Spezies einzeln von Gott erschaffen wurde – einer der folgenreichsten Paradigmenwechsel der Geistesgeschichte.
Dankbar erinnerte sich Darwin an die Fahrt mit der "Beagle", die ihm einst die Augen geöffnet hatte. Bis zu seinem Tod 1882 hat er England nicht mehr verlassen:
"Doch habe ich meine Reise zu sehr genossen, um nicht jedem Naturforscher zu empfehlen, (…) unbedingt sein Glück zu versuchen und auf Reisen zu gehen."