Die Bedeutung des Kreuzes

"Alltäglicher Prozess des Aushandelns"

Ein Kreuz hängt an der Wand im Landgericht im bayerischen Traunstein.
"Religiöse Symbole werden permanent umgedeutet", sagt Kulturwissenschaftlerin Monique Scheer. © dpa
Ist das Kreuz ein religiöses Symbol oder steht es für eine Kultur? Das müsse in der Gesellschaft immer wieder neu ausgehandelt werden, meint die Kulturwissenschaftlerin Monique Scheer nach der Entscheidung in Bayern, Kreuze in staatlichen Behörden aufzuhängen.
Wofür steht eigentlich ein Kreuz? Ist es ein Zeichen der christlichen Religion oder steht es für eine kulturelle Identität christlich-abendländischer Prägung? Ab dem 1. Juni 2018 soll in Bayern im Eingangsbereich jeder staatlichen Behörde ein Kreuz hängen. Das hat die Landesregierung am gestrigen Dienstag entschieden - denn das Kreuz sei ein grundlegendes Symbol "unserer bayerischen Identität und Lebensart", begründete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Beschluss. Dafür gab es sowohl Lob als auch Kritik.
Wann geht ein religiöses Symbol in das allgemeine Kulturgut über? Wer entscheidet, wann es nicht mehr in erster Linie religiös ist? Das werde von vielen gesellschaftlichen Akteuren jeden Tag neu ausgehandelt, erklärt die Tübinger Kultur- und Religionswissenschaftlerin Monique Scheer:
"Und das ist etwas, das wir zurzeit in Bayern erleben, dass wir den alltäglichen Prozess des Aushandelns wieder beobachten können. Die versuchen ja gerade durch die Behauptung, das Kreuz sei kulturell in Bayern verankert, das Gebot der staatlichen Neutralität gegenüber Religionen zu umgehen."

"Religiöse Symbole werden permanent umgedeutet"

Wenn religiöse Symbole in das allgemeine Kulturgut übergingen, behielten sie dennoch den Ursprung von religiösen Kontexten, sagt Scheer. Es bleibe also immer eine Schnittmenge, wie sich auch am Beispiel von Weihnachten zeige. Debatten über religiöse Symbole und die Veränderung ihrer Bedeutung habe es in der Geschichte immer wieder gegeben, betont sie:
"Mir fällt die Bedeutung des süddeutschen Grußes 'Grüß Gott', der im Dritten Reich verboten war, und dadurch gerade zu einem Akt des Widerstands wurde. Das ist ein Beispiel dafür, wie religiöse Symbole permanent umgedeutet und für andere Zwecke eingesetzt werden. Die werden politisiert und kulturalisiert. Und die Debatte über Kreuze in bayrischen Klassenzimmern hatten wir auch schon in den 90er-Jahren."
(cosa)
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