Die Befreiung aus der Sklaverei

Schwarzafrika hat eine lange Leidensgeschichte: heute dezimiert durch Bürgerkriege und Aids, bis in das 19. Jahrhundert hinein durch Versklavung; 27 Millionen Schwarzafrikaner wurden verschleppt. Der Geschichte der Sklavenbefreiung geht der amerikanische Publizist Adam Hochschild in dem Sachbuch "Sprengt die Ketten" nach.
Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wurden 27 Millionen Schwarzafrikaner als Sklaven deportiert: 12 Millionen von Europäern, die die Sklaven nach Amerika verschifften, und 15 Millionen von arabischen Händlern, die den asiatischen Markt belieferten.

Die Profitraten waren astronomisch hoch, Sklaverei galt weltweit als etwas Alltägliches, da trafen sich am Nachmittag des 22. Mai 1778 in einer kleinen Druckerei in London zwölf Männer: Kirchenmänner, Anglikaner und Quäker, dazu ein britischer Humanist und Berufsexzentriker und ein freier Schwarzer.

Diese zwölf Männer hoben die erste Menschenrechtsorganisation globalen Ausmaßes aus der Taufe, die exakt 50 Jahre später die Sklaverei im Bereich des britischen Empires verbot, was global Vorbildfunktion bekam.

"Der entscheidende Kampf um die Abschaffung der Sklaverei", so heißt denn auch der Untertitel des Buches "Sprengt die Ketten" des amerikanischen Publizisten Adam Hochschild, dessen erstes Buch über Sklaverei "Schatten über dem Kongo" mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet und auch in Deutschland zum Bestseller wurde.
Hochschild hat einen höchst spannenden Historien-Thriller im besten Sinne geschrieben. Mit enormer Präzision und Detailtreue entwirft er ein sinnlich erfahrbares Kaleidoskop der europäischen Gesellschaft um 1800, jener Schnittstelle zur modernen Gesellschaft.

Dankbar ist der Leser, angesichts der schwere des Themas, es ab und zu auch mit angelsächsischem Humor zu tun zu haben, wenn Hochschild zum Beispiel von Lord Gardenstone berichtet, dem führenden Sklavereigegners Schottlands, der statt eines Hundes immer ein Schwein bei sich hatte und der Lieblingsferkel bei sich im Bett aufzog.

Meisterlich bewältigt Hochschild die lange Zeitspanne der Sklavenbefreiung und ihre vielen historischen Verästelungen.
Zwei historische Haupteckpunkte werden von ihm extrapoliert: 1807 wird noch nicht die Sklaverei selbst aber immerhin der Sklavenhandel sprich Transport über das Meer verboten, nicht allerdings aus Menschenliebe sondern aus kriegsstrategischen Gründen; England führte Krieg gegen Napoleon.

"Sprengt die Ketten" ist ein Buch, das den Laien von Seite Eins an in den Bann zieht, und es bietet auch dem Insider sehr viel Neues und große Zusammenhänge: Anders als in den meisten Geschichtsbüchern sieht Hochschild den Hauptmotor der Sklavenbefreiung in den Guerilla-Armeen der Sklaven in der Karibik: Sklaveninseln wie St. Lucia, Jamaika und vor allem Santo Domingo wurden regelmäßig von Aufständen erschüttert; allein die britische Armee hatte zwischen 1793 und 1801 79.000 Mann Verluste zu beklagen, das ist mehr als Napoleon bei Waterloo.

Dass 1838 die Sklaverei wenigstens von England offiziell abgeschafft wurde, dafür sorgten unter anderem traumhafte Abfindungen für die Sklavenbesitzer, die allerdings von da an ihre bisherigen Sklaven nun als Tagelöhner ausbeuteten.

"Sprengt die Ketten" ist ein neues Standardwerk zum Thema Sklaverei, ein perfektes Sachbuch, ein Muss für Laien wie für Insider. Es führt uns an die hochbrisante Schnittstelle zur modernen Gesellschaft um 1800 mit Revolution, Arbeiterbewegung und Frauenemanzipation; in seiner Quintessenz ist es erstaunlich modern: Es zeigt, wie Globalisierung seit Columbus funktioniert hat und wie sie nach denselben Mustern bis heute existiert.

"Sprengt die Ketten" ist ein furios spannendes und bewegendes Lehrstück.

Rezensiert von Lutz Bunk

Adam Hochschild: Sprengt die Ketten
Der entscheidende Kampf um die Abschaffung der Sklaverei

Übersetzt von Ute Spengler
Klett-Cotta Verlag 2007, 504 Seiten, 26,50 Euro