Die Berater-Republik
Deutschlands einstiger Außenminister Fischer soll das Erdgasprojekt "Nabucco" politisch unterstützen. Er habe einen Beratervertrag abgeschlossen. Aber was ist daran die Nachricht? Die sechsstellige Vergütung vielleicht?
Im Übrigen: Was kriegt Joschkas zeitweiliger Weggefährte Gerhard Schröder dafür, dass er das Konkurrenzunternehmen NEGP berät oder den Schweizer Medienunternehmer Ringier? Was hat Kohl vom Filmhändler Leo Kirch bekommen?
Wer die Summen kennt, die abgehalfterte Spitzenpolitiker dafür abgreifen, dass sie milliardenschwere Dinnergesellschaften zum Glitzern bringen, wäre nicht überrascht, wenn Joschka Fischer nur einen Dollar unter der Million bliebe.
Eine echte Nachricht wäre die Meldung, wenn er jetzt tatsächlich genug wüsste, um außenpolitischer Berater zu werden Dann bliebe nur noch die Frage: Gibt’s da was zu beraten? Die sechs Staaten, durch die "Nabucco" verlaufen soll, gehören der EU an oder wollen rein und werden sich deshalb nicht querstellen. Ein Problem ist sicher die Finanzierung.
Aber: Akzeptieren die Investmentfonds ,die diese Erdgaspipeline vom Kaspischen Meer nach Mitteleuropa finanzieren sollen, einen Rat, wenn sie Gewinne wittern? Fachjournalisten befürchten noch immer: Die Gasversorgung durch "Nabucco" werde möglicherweise nie die Kosten der Entsorgung der Anlage einspielen.
Die Frage, ob der Berater tatsächlich beraten soll, ist erledigt seit man sich Mitarbeiter für Geld kaufen kann. Seither hat er die Funktion, die auf dem Schloß meiner Vorfahren in Ostpolen das Tafelsilber hatte, die Schinken an der Wand, die Geweihe im Rauchzimmer, die Badewanne in der Abstellkammer. So wie Madame Verdurin in Prousts Roman sich einen Pianisten hält, so hält man sich heute einen Berater.
Eine bekannte Zeitung zeigt das sehr schön in ihrem Werbespot im Fernsehen. Das sehen wir den Chefredakteur, der so aussieht, als ob er viel Zeit beim Schneider und beim Fitnesstrainer verbringt, wie er mit einem offensichtlich schon sehr alten Mann durch einen scheußlichen Bürogang geht. Dazu hören wir aus dem Off eine Stimme, die verkündet, dies sei der Mensch, der die Redaktion berät. Vergessen wir die Frage, ob dieser Berater nicht genug auf der Bank hat und warum er nicht lieber auf seiner Bank sitzt. Wichtig ist die Feststellung, ein Berater braucht nicht einmal so auszusehen, als ob er jemand beraten könnte.
Die Bundesrepublik ist voller Berater. Die meisten Betriebe können nicht mal mehr den Speisenplan ihrer Kantine und das richtige Klopapier einkaufen ohne Berater. Jedes Firmenimperium, jedes Ministerium hält sich eine Handvoll Berater. Massenentlassungen, Betriebsschließungen sind leichter zu ertragen, wenn sie von einem Berater empfohlen werden. Durch seinen Berater weist der Beratene sich aus: Ich bin beraten, also bin ich. Und wenn was schief geht, war immer der Berater schuld.
Die Berater wissen das, deshalb verdienen sie als Berater mehr als früher, als sie noch arbeiten mussten. Ich glaube, unsere Fachkräfte eignen sich nur deshalb ein gewisses Fachwissen an, um nach dem Ausscheiden aus dem Amt Berater zu werden. Ein paar Jahre Minister, Staatssekretär und dann lebenslänglich Aufsichtsratsvorsitzender. Der Sachbearbeiter im Bundeswehrbeschaffungsamt berät die Rüstungsindustrie, der Finanzbeamte wird Steuerberater, der pensionierte Polizeirat berät eine Firma für Sicherheitssysteme und der Regierungsrat für Arzneimittelsicherheit heuert an bei einem Pharmakonzern.
Die Austauschbarkeit der Funktionäre des Staates und der Wirtschaft ist ein alter Hut. Die Gremien der kommunalen Wirtschaft sind Endlager für nutzlos gewordene Politiker, aber Leute wie Schröder, Schmidt und Fischer kann man nicht gut mit einem Posten im Aufsichtsrat der Staats-Brauerei "Tannenzäpfle" abspeisen.
So what? Die Nachricht ist keine Nachricht.
Peter O. Chotjewitz, geboren 1934 in Berlin. Seine Jugend verlebte er in einem Dorf in Hessen. Danach Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte, Philosophie und
Publizistik. Seit Mitte der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts als freier Autor tätig und als Übersetzer aus dem Italienischen. In den Siebzigerjahren war er neben seiner Autorentätigkeit auch politisch stark engagiert. Seit Mitte der Neunzigerjahre lebt er in Stuttgart.
Wer die Summen kennt, die abgehalfterte Spitzenpolitiker dafür abgreifen, dass sie milliardenschwere Dinnergesellschaften zum Glitzern bringen, wäre nicht überrascht, wenn Joschka Fischer nur einen Dollar unter der Million bliebe.
Eine echte Nachricht wäre die Meldung, wenn er jetzt tatsächlich genug wüsste, um außenpolitischer Berater zu werden Dann bliebe nur noch die Frage: Gibt’s da was zu beraten? Die sechs Staaten, durch die "Nabucco" verlaufen soll, gehören der EU an oder wollen rein und werden sich deshalb nicht querstellen. Ein Problem ist sicher die Finanzierung.
Aber: Akzeptieren die Investmentfonds ,die diese Erdgaspipeline vom Kaspischen Meer nach Mitteleuropa finanzieren sollen, einen Rat, wenn sie Gewinne wittern? Fachjournalisten befürchten noch immer: Die Gasversorgung durch "Nabucco" werde möglicherweise nie die Kosten der Entsorgung der Anlage einspielen.
Die Frage, ob der Berater tatsächlich beraten soll, ist erledigt seit man sich Mitarbeiter für Geld kaufen kann. Seither hat er die Funktion, die auf dem Schloß meiner Vorfahren in Ostpolen das Tafelsilber hatte, die Schinken an der Wand, die Geweihe im Rauchzimmer, die Badewanne in der Abstellkammer. So wie Madame Verdurin in Prousts Roman sich einen Pianisten hält, so hält man sich heute einen Berater.
Eine bekannte Zeitung zeigt das sehr schön in ihrem Werbespot im Fernsehen. Das sehen wir den Chefredakteur, der so aussieht, als ob er viel Zeit beim Schneider und beim Fitnesstrainer verbringt, wie er mit einem offensichtlich schon sehr alten Mann durch einen scheußlichen Bürogang geht. Dazu hören wir aus dem Off eine Stimme, die verkündet, dies sei der Mensch, der die Redaktion berät. Vergessen wir die Frage, ob dieser Berater nicht genug auf der Bank hat und warum er nicht lieber auf seiner Bank sitzt. Wichtig ist die Feststellung, ein Berater braucht nicht einmal so auszusehen, als ob er jemand beraten könnte.
Die Bundesrepublik ist voller Berater. Die meisten Betriebe können nicht mal mehr den Speisenplan ihrer Kantine und das richtige Klopapier einkaufen ohne Berater. Jedes Firmenimperium, jedes Ministerium hält sich eine Handvoll Berater. Massenentlassungen, Betriebsschließungen sind leichter zu ertragen, wenn sie von einem Berater empfohlen werden. Durch seinen Berater weist der Beratene sich aus: Ich bin beraten, also bin ich. Und wenn was schief geht, war immer der Berater schuld.
Die Berater wissen das, deshalb verdienen sie als Berater mehr als früher, als sie noch arbeiten mussten. Ich glaube, unsere Fachkräfte eignen sich nur deshalb ein gewisses Fachwissen an, um nach dem Ausscheiden aus dem Amt Berater zu werden. Ein paar Jahre Minister, Staatssekretär und dann lebenslänglich Aufsichtsratsvorsitzender. Der Sachbearbeiter im Bundeswehrbeschaffungsamt berät die Rüstungsindustrie, der Finanzbeamte wird Steuerberater, der pensionierte Polizeirat berät eine Firma für Sicherheitssysteme und der Regierungsrat für Arzneimittelsicherheit heuert an bei einem Pharmakonzern.
Die Austauschbarkeit der Funktionäre des Staates und der Wirtschaft ist ein alter Hut. Die Gremien der kommunalen Wirtschaft sind Endlager für nutzlos gewordene Politiker, aber Leute wie Schröder, Schmidt und Fischer kann man nicht gut mit einem Posten im Aufsichtsrat der Staats-Brauerei "Tannenzäpfle" abspeisen.
So what? Die Nachricht ist keine Nachricht.
Peter O. Chotjewitz, geboren 1934 in Berlin. Seine Jugend verlebte er in einem Dorf in Hessen. Danach Studium der Rechtswissenschaften, Geschichte, Philosophie und
Publizistik. Seit Mitte der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts als freier Autor tätig und als Übersetzer aus dem Italienischen. In den Siebzigerjahren war er neben seiner Autorentätigkeit auch politisch stark engagiert. Seit Mitte der Neunzigerjahre lebt er in Stuttgart.