Die Besatzungsmacht in ihrer Zone: die Sowjetunion

Von Almuth Knigge |
Vor 60 Jahren tagten im Potsdamer Cecilienhof die Staats- und Regierungschefs der drei Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion. Da sie sich nicht auf eine einheitliche Politik in den Besatzungszonen einigen konnten, gingen die vier Besatzungsmächte (Frankreich inclusive) ihre eigenen Wege in ihren Zonen.
In unserer Reihe "neunzehn fünfundvierzig" berichtet Almuth Knigge über die sowjetische Besatzungspolitik und den Nachkriegsalltag in der sowjetischen Zone.

Wenn Klara Wölke an ihre Jugend denkt, dann denkt sie zuallererst an die Flucht – aus Ostpreußen – und daran – wie es die fünfköpfige Familie geschafft hat, zusammen bis in Mecklenburgische Wölzow bei Wittenburg zu kommen. Hier war der Krieg am 3. Mai 1945 zu Ende. Begegnungen auf der Flucht:

"Jedenfalls waren auf einmal waren Amerikaner da. Wir Kinder waren natürlich neugierig und guckten, was da so passierte. Und die gaben uns Schokolade - wir kriegten von den Amerikanern Schokolade. "

In den ersten Wochen hatten zunächst amerikanische Truppen, danach die englischen und ab Juli 1945 die russischen Truppen das Gebiet besetzt. Im Südwesten bildete die Elbe die natürliche Grenze, im Norden die Ostsee – und im Osten gehörten die Reste der ehemals preußischen Provinz Pommern dazu.

"Erst mal wiegte man sich in Sicherheit als die Amerikaner da waren. Die Hoffnung, dass man nicht russisch besetzt war hielt sich noch, als vier Wochen später die Engländer hier waren – tja- und dann war es bittere Realität. "

Der Historiker Henry Gawlick hat eine Ausstellung zu dem Thema für das Stadtmuseum Hagenow erarbeitet. Im Juli werden von der Sowjetischen Militäradministration die Länder Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und die Provinzen Brandenburg und Thüringen gebildet. Rund 500.000 Menschen aus dem zerbombten Hamburg und Ostpreußen flohen in die damals schon dünn besiedelte Region – die Bevölkerung in den Städten und Dörfern verdreifachte sich., im Pfarrhaus von Wittenburg, so liest man, waren zeitweise 80 Menschen untergebracht. Klara kam mit ihrer Familie zunächst auf einem Heuboden unter:

"So und dann haben wir schon halb ausgepackt gehabt und dann sah sie meine Schwester hochschwanger und ... nein, ein Kind kann ich hier nicht gebrauchen. Mein Vater hat geweint - das erste Mal, dass ich den hab weinen sehen. "

Das sind Demütigungen, die bis heute schmerzen – da ist der Stolz, es geschafft zu haben, umso größer.

"Meine Mutter hat gesponnen für einen Bauern für Weizen... das war ein Gemisch und dann hat die Mutter das ausgebreitet und wir haben alles einzeln aussortiert, damit der Vater dann säen konnte ... und von dieser Saat da haben wir zehn Zentner Weizen geerntet. "

Davon musste aber wieder 90 Prozent abgeben werden, um die Gesamtbevölkerung zu ernähren und auch Lebensmittel nach Russland zu liefern. Viele Neusiedler, die durch die Bodenreform ein paar Hektar Land zugewiesen bekamen, damit sie sich selber versorgen konnten, kamen mit dem Leben nicht zurecht – Künstler, Handwerker, Akademiker – die keine Ahnung von Landwirtschaft hatten, scheiterten.

"Es entsteht ja sehr schnell wieder ein Verwaltungsakt und dann wurden die Menschen erfasst, die arbeitsfähig waren, welche Ausbildung hatten sie, wo konnten sie eingesetzt werden und dann musste ein Professor in die Forst gehen, da wo man eben die Arbeitskräfte brauchte. "


Die Not der Nachkriegszeit macht erfinderisch – aus alten Aluminiumkartuschen wurde Küchengerät hergestellt. Aus jedem Fetzen Stoff wurde Kleidung genäht. Die Bewältigung des Alltags ließ den Menschen keine Muße, sich über politische Entwicklungen Gedanken zu machen. Begegnungen mit der Besatzungsmacht wurden, wenn möglich, vermieden. Denn die Besatzer verbreiteten zunächst Unruhe - und Angst.

"Aber ich hatte nach dem Krieg - da musste ich immer melken, da bin ich dann los. Und dann kam ich aus dem Wald und dann war da ein einzelner Russe, ich bin fast gestorben… ich hatte solche Angst. "

Vergewaltigungen von Frauen waren an der Tagesordnung, man hörte von Massenselbstmorden von Frauen und Mädchen. Auch Klara hat das als Zwölfjährige erleben müssen. Begegnungen zwischen Besetzten und Besatzern wurden unterbunden.

"Die durften die erste Zeit überhaupt mit Deutschen nicht in Berührung kommen aber auch so später, wenn die so kamen, und Rüben ausmachen mussten oder Kartoffeln. Dann kriegten sie bei der LPG Essen - aber immer getrennt - erst die Deutschen und dann kamen die Russen. "

Später dann kamen die russischen Besatzer in der Öffentlichkeit kaum noch vor – Klara hatte, so erinnert sich die heute 73-Jährige, eine fast normale Jugend.

"Es war ja so. Nach dem Krieg wurden viele Gutshäuser ja ausgebaut als Kulturraum. Nach dem Krieg war ja viel nachzuholen Tanz alle vier Wochen. Und dann gab es diese Vorführungen, die Filmvorführer, die kamen dann einmal die Woche - oh da war immer was los. "

Alles im Rahmen dessen, was die sowjetische Besatzungsmacht erlaubt hat. Sobald die Vergnügungen zu bürgerlich wurden, schob der sowjetische Kulturoffizier den Riegel davor. Erste Versuche, im Nordosten Karneval zu feiern, wurden schnellstens unterdrückt.