Das Schwein in uns
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In "Animal Farm" ist irgendwann nicht mehr klar, wer ist Mensch, wer ist Schwein. In "Snatch“ werden wir wiederum mit einer menschlichen Urangst konfrontiert: Ein Schwein frisst uns auf. Unsere besten Filme mit dem sonst so friedlichen Haustier.
Platz 5 – "Die Odyssee" von Franco Rossi (1968)
Egal, ob der Meeresgott Poseidon tobt: Der schlimmste Alb, schlimmer als der Tod ist für die griechischen Helden das, was ihnen die Zauberin auf der Insel antut: nämlich sie in Schweine zu verwandeln. Odysseus, der Listenreiche, wird sich nicht von Circe bezirzen lassen, und die frühe Femme fatale muss aus Schwein wieder Mensch machen.
Aber der Horror, zu diesen groben, unreinen und unreinen Allesfressern geworden zu sein, steckt den Helden in den Knochen - eine archaische Urangst, die die Odyssee beschwört.
Platz 4 – "Snatch – Schweine und Diamanten" von Guy Ritchie (2000)
Ein Problem, das sich der Mafia stellt: die Entsorgung gekillter Gegner. Das Schwein putzt alles weg, was der Mensch ihm in den Trog legt. Das macht das Schwein schon mal an sich unheimlich. Der fieseste Gangster in "Snatch" (Untertitel: "Schweine und Diamanten") ist daher auch der mit dem Schweinestall.
So konfrontieren uns die grunzenden Vierbeiner mit einem weiteren Aspekt unserer Urangst: vom Schwein gefressen zu werden. Denn verwandeln wir uns damit auf gar mythische Weise in eben diese Tierwesen? Was natürlich die totale Umkehrung der Realität ist: Wir sind es ja, die die Schweine fr-, Entschuldigung: essen!
Platz 3 – "Animal Farm" von John Stephenson (1999)
Auch die Geschichte der "Animal Farm", der "Farm der Tiere", lebt von der beunruhigenden Ambivalenz dem Schwein gegenüber: Denn das Tier, das träumt, das Joch der Menschen abzuwerfen und nicht mehr für den saufenden Bauern zu arbeiten, ist immerhin - der preisgekrönte Eber.
Doch die Schweine als intelligenteste und hinterhältigste Tiere auf der Farm reklamieren bald Privilegien für sich: "Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher als andere." Wenn am Ende Menschen und Schweine perfekt zusammenarbeiten, ist für die da unten in der Hierarchie der Farm nicht mehr zu unterscheiden, wer die "wahren Schweine", also die Ausbeuter und Unterdrücker sind.
Platz 2 – "Das Schwein von Gaza" von Sylvain Estibal (2011)
Da wir ihm, dem Schwein, im Guten wie im Schlechten und genetisch wie metaphorisch gefährlich nahe sind, liegt es nahe, dass wir uns mit Tabus von ihm abzugrenzen suchen, es kurzum zum "unreinen" Tier erklären. Wieder sind wir bei der Drohung der Verwandlung. So bekommt der palästinensische Fischer Jafaar Probleme. Denn das lebendige Schwein, das er eines Tages in seinem Netz findet, gilt sowohl den Juden als auch den Muslimen eben als unrein, ist also faktisch für Jafaar weder zu schlachten noch zu verkaufen.
In dieser bösen Parabel auf den Nahostkonflikt ist das Schwein Projektionsfläche und ist am Ende doch nur das Schwein, die Menschen hingegen sind dämlich, arrogant, hintertrieben und verlogen.
Platz 1 – "Ein Schweinchen namens Babe" von Chris Noonan (1995)
Die düstere Szene am Anfang, wenn Babes Mutter – also die Muttersau und alle Ferkel – ins Schlachthaus gebracht werden: Babe überlebt nur durch Zufall, weil das junge Schwein im Rahmen eines Wettbewerbs an den Farmer Hoggett verschenkt wird. Ein naives, süßes Schweinchen, das langsam die Grausamkeit der Menschen gegenüber den Tieren erkennen muss: "Du weißt doch, warum Schweine hier sind? Warum halten die Bosse sich Enten? Um sie zu essen. Und warum halten die Bosse sich ein Schwein?"
Als Gegenentwurf erzählt "Ein Schweinchen namens Babe" eine klassische Heldenreise, die dem kleinen Schwein gegen alle Vorurteile Individualität, Leiden, Emotionen und ein gehöriges Maß Klugheit verleiht. Wenn Babe am Ende den Schäferhund-Wettbewerb gewinnt, auch aufgrund von Sturheit, ist das Lob von Farmer Hoggett wohl das verdienteste, das das Kino je zu vergeben hatte: "Gut gemacht, Schwein! Gut gemacht!"
Herrliche Schweinerei.