Die Biennale Venedig als feministischer Katzenjammer

Von Rudolf Schmitz |
Ein riesiger Leuchter aus Tampons, eine Installation aus Kochgeschirr, ein Video, in dem eine junge Frau Geschirr zerschmeißt, die New Yorker Gorilla Girls, die hundert Jahre absurder Männerdominanz in Kunstbetrieb und Museen plakatieren – war das die versprochene weibliche Biennale? Oder war das alles feministische Avantgarde von vorgestern?
Vom spanischen Kuratorinnenduo Rosa Martinez und Maria de Corral hatte man sich viel versprochen. Auch sie selbst schürten im Vorfeld der Biennale die Erwartungen: Endlich werde Schluss gemacht mit männlicher Künstlerdominanz und der Missachtung weiblicher Produktivität. Tatsächlich wurde die Quote dann auch kräftig nach oben korrigiert: 40 Prozent weibliche Künstler im Arsenal und im italienischen Themenpavillon meldete die Presse. Und vielleicht müssen solche dummen Zahlen sein, wenn die Gendervergangenheit des Kunstbetriebs – siehe Gorrilla Girls – tatsächlich nur idiotische Vorurteile zeigt. Doch Quantität allein bringt es nun mal nicht. Sicher waren da einige große Künstlerinnen zu sehen - zumeist mit bekannten Werken -, doch auch viel Ethnokitsch und Klischee.

Der italienische Pavillon, inszeniert von Maria de Corall, spielte auf Nummer Sicher und zeigte vorwiegend museale und abgehangene Ware. Wenig Risiko, wenig Spannung. Auch das Arsenal, eingerichtet von Roas Martinez, bot weder wirklichen Biss für die Sinne noch die Lust zur experimentellen Erweiterung der Kampfzone: Vieles war zu versöhnlich, zu harmlos, zu gefällig. Der radikale Körpereinsatz der zu Recht prämierten Regina José Galindo aus Guatemala – sie zeigte ein Video, in dem ihre Jungfernhaut operativ restauriert wird – wirkte vor diesem Hintergrund fast plakativ schmerzlich. Bestimmte Preisvergaben konnte man leider nur als ostentative Geste interpretieren: Dass der Preis für den besten Pavillon an die Französin Annette Messager und ihre betuliche Pinocchio-Installation ging, wirkte wie abgekarterter Jury-Feminismus. Dass Teile der italienischen Öffentlichkeit immer noch die alten Klischees von Kunstzensur bedienen – zum Beispiel im Fall von Pipilotti Rist, deren sexuell freizügige Installation in der Kirche St. Stae vorzeitig geschlossen wurde – bestätigt letztlich nur das verzopfte Klima der venezianischen Biennale.

Der italienische Kulturminister Rocco Buttiglione, bekanntermaßen ein frauenfeindlicher Erzreaktionär, beklagte die Neigung bestimmter Künstler und Künstlerinnen, religiöse Bilder zu entheiligen, und behauptete, all dies sei veraltet. Es schmerzt, einem Dummkopf Recht zu geben, aber in diesem Fall lag er leider richtig. Die diesjährige Biennale von Venedig, von der man einen Wirbelsturm erwartete, erwies sich als laues Lüftchen. Dieses irritierende metereologische Phänomen entsteht immer dann, wenn jemand sperrangelweit offene Türen einrennt.