Es war ein schöner, sonniger Tag – die Balkontür der Küche stand offen. Und auf einmal knallt es. Das Kind fing an zu weinen, am Gebäude gegenüber habe ich grauen Rauch gesehen. Eine Granate war auf das Nebenhaus gefallen.
Die bosnische Kriegsreporterin Aida Cerkez
Albtraum des Krieges: Nach einem serbischen Angriff steigt im April 1992 über der Innenstadt von Sarajevo Rauch auf. © picture alliance / dpa / AP Images / H. Delich
“Ich bin richtig böse geworden”
35:59 Minuten
Als in ihrem Heimatland Bosnien Krieg ausbricht, wird die Studentin Aida Cerkez zur Kriegsreporterin. Wenn die Welt erfährt, was passiert, wird der Krieg enden, hofft sie. Als niemand einschreitet, verzweifelt sie. Doch eine Begegnung macht ihr Mut.
Aida Cerkez ist Ende 20, als der Krieg ausbricht. Bis dahin hat sie nur Musik und ihre Freunde im Kopf und lebt ein schönes, sorgenfreies Leben. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihrem Baby in einer hellen Dreizimmerwohnung im Stadtzentrum von Sarajevo, studiert Germanistik und singt in einem erfolgreichen Chor.
Mit dem Kriegsbeginn in Sarajevo am 5. April 1992 endet ihr unbekümmertes Leben. Aida flieht mit ihrer Mutter und dem kleinen Sohn in den Keller.
Nichts ist mehr, wie es war
Plötzlich ist nichts wie es war: Strom und Wasser fließen nicht mehr, die Telefonleitungen funktionieren nicht und im Laden fehlen die Nahrungsmittel. Die Menschen in Sarajevo müssen erfindungsreich werden.
Eines Tages trifft Aida auf zwei US-Journalisten, die nach Sarajevo gekommen sind, um über die Belagerung der Stadt zu berichten. Sie suchen nach einer Übersetzerin mit Ortskenntnissen. Aida begleitet die beiden ins Krankenhaus – und wird so Fixerin, ein Begriff für lokale Ortskräfte, die ausländischen Reporter:innen bei ihrer Recherche unterstützen.
Du rennst! Du hast diese Ziel vor deinen Augen. Wenn irgendwas Schreckliches passiert, zum Beispiel ein Kind tot ist. Ich fühlte: Wenn ich jetzt nicht über die Ursache und diesen Tod berichte, ist dieses Kind umsonst gestorben.
Journalismus aus Berufung
Im Journalismus erkennt sie ihre Berufung: So will sie die Welt darüber informieren, was in Bosnien vor sich geht. Sie glaubt, den Krieg so beenden zu können. Aber die Monate streichen dahin und Aida zweifelt: Wie lange wird der Krieg noch dauern? Wieso schreitet niemand ein?
Ich bin richtig böse geworden. Ich wollte mich an den Menschen, die mir nicht geholfen haben, rächen.
Bei Plus Eins erzählt Sophie Rebmann von ihrer Begegnung mit der bosnischen Kriegsreporterin Aida Cerkez – von Wut und Verzweiflung, als trotz jahrelanger Berichterstattung aus dem belagerten Sarajevo niemand zur Hilfe kommt. Und von dem unverhofften Rat eines alten Mannes, der Aida neuen Mut schöpfen lässt.