Die Briefe Victor Klemperers

Schreiben als Lebenselixier

Der Romanist und Philologe Victor Klemperer in einer zeitgenössischen Aufnahme. Er wurde am 9. Oktober 1881 in Landsberg (Warthe) geboren und ist am 11. Februar 1960 in Dresden gestorben.
Der Romanist Victor Klemperer gilt seit der Veröffentlichung seiner eindrucksvollen Tagebücher in den 1990er-Jahren als wichtiger Chronist der NS-Zeit © picture alliance / dpa / Fotoreport Aufbau Verlag
Nele Holdack im Gespräch mit Joachim Scholl |
Die Briefe des jüdischen Romanisten Victor Klemperer sind jetzt unter dem Titel "Warum soll man nicht auf bessere Zeiten hoffen" erschienen. Sie gewähren neue Einblicke in sein Leben, wie die Herausgeberin Nele Holdack beschreibt.
Es war eine bedrückende und zugleich sehr erhellende Sicht auf Leben und Überleben im Nationalsozialismus, die sich in den Tagebüchern des jüdischen Romanisten Victor Klemperer eindrucksvoll wiederfand. Diese Beschreibungen des Alltags waren bei ihrem Erscheinen Mitte der 1990er-Jahre nicht nur ein publizistisches Großunternehmen des Berliner Aufbau-Verlags, sondern auch eine literarische Sensation. Es folgte die Veröffentlichung von Klemperers eindrucksvoller Biographie und weiterer Bücher. Nun sind auch seine bislang unveröffentlichten Briefe erschienen, unter dem Titel "Warum soll man nicht auf bessere Zeiten hoffen? Ein Leben in Briefen", die weiteren Einblick in sein Leben in der NS-Diktatur, aber auch nach 1945 in der DDR gewähren.

Neue Art der Betrachtung

"Die Themen, die in den Briefen sind natürlich nicht komplett andere als in den Tagebüchern, die wir kennen", sagte Nele Holdack im Deutschlandfunk Kultur. Sie hatte die Edition zusammen mit dem Kollegen Walter Nowojski betreut. "Was aber neu ist, ist die Art der Betrachtung." Klemperer habe bei dem Verfassen der Briefe immer ein Gegenüber vor sich, auf den er sich eingestellt habe und mit dem er sich auseinandersetzte. "Das führt dann dazu, dass etliche Zeitthemen anders und umfangreicher, zum Teil deutlicher, zum Ausdruck kommen."

Briefe an den Bruder

Als Beispiel nannte Holdack die Briefe an Klemperers älteren Bruder, der als Internist arbeitete und bereits 1935/36 Deutschland verlassen habe, um in die USA auszuwandern. Im Briefwechsel mit ihm habe Klemperer sich mit der Frage befasst, ob er Deutschland verlassen solle. Als Romanist habe Klemperer die Heimat nicht so leicht verlassen können wie sein Bruder, der als Arzt tätig war. "So hing er an Deutschland auch in dem Versuch, einen Ort zu haben, wo er weiter wirken kann, auch wenn das immer weiter einschrumpfte", sagte Holdack. "Er hat dann leider sehr spät versucht, ernsthafter aus Deutschland auszureisen, erst Ende 1938/1939, als es nicht mehr gelang."

Der Glaube an das Wort

Holdach sagte, sie hätten sehr bewusst diesen erstaunlich optimistischen Titel für das Buch gewählt. Er bringe etwas zum Ausdruck, dass sie an Klemperer sehr bewundere. "Diese unerschütterliche Bereitschaft für seine Ideale einzustehen, für seine Überzeugungen zu kämpfen , auch gegen Widerstände, das war bei ihm auch immer ein Glaube an das Wort." Schreiben habe Klemperer sehr viel bedeutet, der habe Zeugnis ablegen wollen und Widerstand leisten. Aber es sei auch Hoffnung gewesen. "Das Schreiben ist für ihn wirklich so ein Lebenselixier und etwas woran er festhalten kann."

Victor Klemperer, Warum soll man nicht auf bessere Zeiten hoffen? Ein Leben in Briefen
Aufbau Verlag 2017, 28 Euro.

Mehr zum Thema