Die Briten und ihre Monarchie

Hartgekochte Eier für die Queen

Queen Elizabeth II und Prinz Philip während der "Trooping the Colour"-Parade anlässlich des 90. Geburtstags der Königin.
Egal, was nach dem Brexit aus den Briten wird: Ihre Queen lieben sie unverbrüchlich. © picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga
Von Paul Stänner |
Komme was da wolle - die Briten lieben ihre Queen und zeigen ihre Zuneigung überschwänglich. PR-Strategen aus Windsor Castle versuchen unterdessen, auch ausländische Journalisten mit gezielten Einladungen von den Vorzügen der Monarchie zu überzeugen.
Windsor Castle – an einem illustren Frühjahrsmorgen. Vor dem Portal des Castle ist in roten Röcken mit blitzenden Instrumenten eine Kapelle der Coldstream Guards aufmarschiert, zu deren Privilegien der Wachdienst für die Königin von England gehört. Rechts und links von den Soldaten warten schier endlose Reihen ruhiger, disziplinierter, erwartungsvoller Untertanen auf das Erscheinen der Queen. Nervös sind nur die Kinder auf dem Rasen vor dem Castle. Und Fiona.
Fiona Turnbull ist unsere Reiseleiterin. Sie ist die ideale Botschafterin ihrer Queen, für die sie fühlt, als sei sie ein Familienmitglied.
"Ich kenne sie natürlich nicht persönlich, aber ich finde, sie macht einen sehr glücklichen Eindruck – so inmitten ihrer Familie. Auf dem Foto heute Morgen in der Zeitung hatte sie ihre drei Erben um sich, Charles, William und George, und sie sah einfach glücklich aus im Kreise ihrer Familie."

Das Wohlfühlgefühl der Monarchie

Die Regierung Ihrer Britischen Majestät möchte uns mit pomp and circumstance das Wohlgefühl der Monarchie vor Augen führen. Wir sind Journalisten aus Schweden, Frankreich, Belgien, Spanien und der Bundesrepublik, also vier Angehörige einer Monarchie gegen zwei Republikaner.
Am Festtag selbst stehen wir in strahlendem Sonnenschein und warten. Ich plausche mit einer Dame in Uniform, die offenbar zum Haushalt der Königin gehört. Sie verrät durch leichtes Augenzwinkern, wann die Königin in ihrem Bentley das Schloss verlassen wird. Nicht jetzt! Aber gleich! Wie wir so plaudern, bestätigt sie unter der Hand meine Theorie vom Windsor-Syndrom.
Bekannt ist das Jerusalem-Syndrom, wo alljährlich neue, verzückte Jesusse auftauchen. Ähnliches scheint es auch im Bewundererkreis der Queen zu geben: Frauen, die sich so sehr mit der Queen identifizieren, dass sie sich selbst für die Queen und im Gegenzug die Queen für eine Doppelgängerin halten. Das sei aber ungefährlich, versichert mir die Dame vom Haushalt, die Polizei kenne diese armen Menschen und habe ein Auge auf sie.

Einmal Zwinkern heißt: Here comes the Queen

Es geht los. Die Dame aus dem Haushalt zwinkert mir zu und folgerichtig rollt die Queen aus dem Tor. Es geht recht zivilisiert zu, niemand will eine 90jährige Dame anschreien, selbst wenn es als Jubel gemeint ist. Hinter der Queen stehen junge Soldaten, die ihr in regelmäßigen Abständen die Geschenke abnehmen und forttragen. Ich kann sehen, wie einer der Soldaten eine Art Pralinenschachtel und dazu noch eine handelsübliche Vierer-Box für Hühnereier davontrug. Wer schenkt der Queen vier hartgekochte Eier und Mon Cherie?
Die Einladung der Krone an internationale Journalisten ist ein kommunikativer Doppelschlag: Vorführen und verführen, lautet die Devise. Wenn die ausländischen Kollegen erst einmal sehen, wie die Queen auftritt und wie das Volk ihr entgegenjubelt, werden sie – kritisch und unabhängig – nicht anders können, als Queen und Volk zu lieben. Und sie werden begeistert davon berichten.
Das wiederum kurbelt den Tourismus an, sagt Julia White, die im Großraum Windsor Castle die Touristenströme lenkt.
"Einige Leute sind ziemlich aus dem Häuschen, nachdem sie das heute erlebt haben. Ich bin mir sicher, wir können Herzen und Hirne zum Schmelzen bringen und Menschen auf unsere Seite ziehen. Wenn sie erst einmal sehen, wie die Briten Pomp und Zeremonien inszenieren, dann verstehen sie auch den Stellenwert dieser Feierlichkeiten. Und natürlich auch die geschichtliche Bedeutung: Wir haben heute an einem historischen Ereignis teilgenommen, wie es in meinem Leben nicht mehr vorkommen wird. Und damit können wir auch die verstocktesten Journalisten überzeugen und sie für unsere Art zu denken begeistern."

Die Deutschen sind nicht so begeisterungsfähig

Man frage sich ernsthaft: Würde bei uns jemanden ein Schauer über den Rücken laufen, wenn er sagen könnte: "Theodor Heuss hat mir die Hand geschüttelt?" Oder: "Ich habe mit Walter Scheel Wanderlieder gesungen?" Oder: "Ich habe der Gattin von Christian Wulf einen Handkuss aufgedrückt?" Wohl kaum – aber tausende Briten rasten aus vor Hingabe, wenn sie der Queen im Vorbeifahren zuwinken können. Und schenken ihr aus lauter Liebe hartgekochte Eier. Und tragen gleichzeitig ihre Nationalflagge als T-Shirt, setzen sich ulkige Krönchen auf und veranstalten einen Karneval um ihre eigene Monarchie. Sie sind in einem Atemzug begeistert und ironisch.
Die geladenen Journalisten, embedded in eine Geburtstagsparty, sahen die ernsthafte Begeisterung, gewachsen aus der Überzeugung, dass die Queen die Nation über sehr wechselhafte Zeiten zusammengehalten hat.
Und sahen gleichzeitig die selbstbewusste Distanz des wählenden Volkes gegenüber einer Institution, die ihm von Geschichte und Tradition aufs Auge gedrückt wurde.
Liv, schwedische Monarchie-Reporterin, sieht es so:
"Gerade jetzt sind wir in einer Periode, in der sich die Dinge sehr schnell verändern durch die Technologie und die Globalisierung. Und ich glaube, die Menschen mögen Dinge, die sich nicht verändern. Und die britische royal family verändert sich gewiss nicht. Die Queen hat sich nie verändert, sie sieht immer gleich aus, einzig ihre Kleidung wechselt. Die Farbe ihrer Kleider. Ich denke, vielleicht brauchen die Menschen etwas, was sich nicht verändert in einer Gesellschaft, die sich sehr schnell verändert."
So dramatisch wie am 24. Juni, als Großbritannien aufwachte und feststellte, dass es nicht mehr zur europäischen Union gehören wird, waren die Zeiten im Königreich lange nicht. Die schottische Autorin Joanne K. Rowling hat den Brexit-Befürwortern vorgeworfen, gleich zwei Unionen zerstört zu haben – die Europäische und die Britische, denn es besteht eine große Chance, dass Schottland in einem neuen Referendum seinen Austritt aus der britischen Union erklärt. Schoxit nach Brexit.

Selbst eine republikanischer Franzose wird weich

Die Queen bleibt die Queen, soviel ist sicher, aber ob das Vereinigte Königreich noch eine nennenswerte Größe behält – wer weiß? Bruno aus Frankreich, der Republik ohne Krone, ist jetzt schon ergriffen von einer nostalgischen Regung, die von der Sorge um die Zukunft gespeist wird.
"Ich werde meinen Lesern sagen, dass es wichtig ist, die Erinnerung zu bewahren, und nach England zu gehen, um zu sehen, wie sie da die Monarchie leben. Die Queen ist die letzte Königin in einer sich verändernden Welt. Sie ist die letzte, die die Monarchie über Jahrzehnte hinweg erhalten hat. Die nächste Generation wird viel moderner sein und das wird die Monarchie verändern. Sie wird nicht mehr sein, was sie mal war."
Und womöglich hat sie bald ein Königreich, das sie mit dem Pferd ohne große Mühe durchmessen kann.
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