Die Brixton Riots 1981 in London

Ein Knall mit Ansage

06:29 Minuten
Ein Kleinbus der Polizei liegt auf der Seite und brennt. Die Straße ist übersäht mit geworfenen Steinen.
Die Wut brodelte: Ein Polizeiauto brennt bei den Unruhen in Brixton im Jahr 1981. © picture alliance / empics | Martyn Hayhow
Von Laf Überland |
Audio herunterladen
Arbeitslosigkeit, Armut und rassistische Polizeigewalt führten im April 1981 im Londoner Einwandererbezirk Brixton zum Aufstand. Musiker hatten die Unruhen in ihren Songs vorhergesagt und dokumentierten mit den Mitteln der Musik, was dort geschah.
Man hätte es wissen können! Schließlich hatten Bands wie The Ruts und The Clash es in den Jahren davor angekündigt, dass die Gettos bei all dieser Wut explodieren würden.
Babylon brennt, sangen die Ruts, und The Clash hatten in "Guns Of Brixton" gefragt: "Wenn sie deine Haustür eintreten, wie kommst du dann raus? Mit den Händen am Kopf oder am Abzug deines Gewehrs?"
Der Reggaepoet Linton Kwesie Johnson allerdings hatte die Gewalt noch präziser angekündigt: "Alles was wir tun, ist, uns verteidigen – All wi doin is defendin."

Die Hölle brach los

Arbeitslosigkeit, Armut und eine rassisistische Polizei hatten die Menschen in den Armenvierteln in eine verzweifelte Lage gebracht. Anfang April 81 hatte die Metropolitan Police dann noch eine Spezialoperation namens "Swamp 81" gestartet – Sumpf 81. Dabei konnte sie jeden, der ihr auch nur scheinbar irgendwie verdächtig vorkam, auf der Straße anhalten und untersuchen, was sie reichlich praktizierte.
Die Wut brodelte. Und als am 10. April in Brixton das Gerücht aufkam, Polizisten hätten das jugendliche Opfer eines Messerangriffs auf der Straße verbluten lassen, da brach die Hölle los.
Obwohl Anfang der 80er nur 25 Prozent der Einwohner ethnischen Minderheiten angehörten, war Brixton die Heimat der afro-karibischen Communities. Und natürlich dokumentierten viele Musiker die Ereignisse und die Hintergründe. Chartsträchtige Skabands wie The Selecter besangen die Situation in den Gettos.

Roots-Reggae dokumentiert Wirklichkeit

Das Stück "Ghost Town" der Specials hielt sich im Sommer der Unruhen, die den Brixton Riots in mindestens 35 Städten folgten, drei Wochen lang auf Platz eins der UK-Charts. Doch während die 2-Tone-Ska-Bands bei Top Of The Pops ihre sozialen Statements abgaben, lieferte der Roots-Reggae vor Ort die notwendigen Reportagen über die Wirklichkeit, die die Medien weitgehend ignorierten.
Eine Maxisingle wummerte glasklar aus allem anderen heraus: Raymond Naptali and Roy Rankinʼs Dokumentar-Stück "Brixton Incident": Es ging um hohe Arbeitslosigkeit, Schwarzen Stolz und Schwarze Jugend, die die Frontlinie verteidigte. Front Line wurde eine Hauptstraße in Brixton genannt. Reggae Soundsystems lieferten den Klangteppich des Moments, und die Wörter Freedom und Justice fanden sich überall.
Aber die wahrscheinlich markanteste und intelligenteste Stimme war eben die des lokalen Poeten Linton Kwesi Johnson, der seine Gedichte zur rumpelnden Musik der Dennis Bovell Dub Band vortrug. Und die Brixton-Riots vom April 81 analysierte er im Stück "Di Great Insohreckshan" – Das große Aufbegehren: "Wenn wir Swamp 81 aufmischen, – wozu? Wir lassen den Herrscher verstehen, dass wir keine Unterdrückung mehr von ihm hinnehmen!"

Protest geht in "Berieselung des Alltags" unter

Ein Jahr nach den Unruhen nahm sogar der Feel-Good-Reggae-Sänger Eddy Grant ein Stück darüber auf. Sein Riesenhit "Electric Avenue" war benannt nach der ikonischen Straße in Brixton, in der erstmals elektrisches Licht verlegt worden war. Die Brixtoner macht dies so stolz, dass bei den Riots die Geschäfte dieser Straße ungeplündert geblieben waren.
Zwar sang der Ex-Gitarrist der Equals durchaus über die Armut in Brixton. Aber der Kunstgriff, die Brutalität des Alltags in diesem fröhlichen Eddy-Grant-Klang zu verpacken, ging am Ziel vorbei.
Und spätestens als die ortsansässigen Möbelhäuser anfingen, das Stück fröhlich über die Beschallungsanlage zu spielen, war klar, dass der Moment, an dem die westindische Community sich tatsächlich gegen ihre Lebensumstände gewehrt hatte, für die britische Popkultur wieder in der Berieselung des Alltags untergegangen war.
Mehr zum Thema