Die Buchmesse als Sechser im Lotto
Island ist in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse. Jeder deutsche Verlag will isländische Titel im Programm haben. So konnte sich die Übersetzerin Betty Wahl im Vorfeld der Messe vor Arbeit kaum retten. In einem guten halben Jahr übertrug sie sechs isländische Romane ins Deutsche.
Betty Wahl klappt den Regenschirm zu und betritt das Postamt. Es ist das größte in Reykjavik, auch wenn es mit zwei Schaltern für Festlandeuropäern eher bescheiden wirkt.
Die kleine Frau mit dezenter Brille und roten, perfekt frisierten Haaren nimmt ein kleines Paket mit vielen Aufklebern darauf entgegen und reißt es an einem Stehtisch auf.
"Das sind Eulen aus Athen, ein isländisches Buch, was nach Island geschickt wurde, unter erschwerten Umständen, weil das erst vom Zoll abgefangen wurde, der nicht wusste, dass es eine gebührenfreie Sendung des Fischer Verlages sein würde, was es offenbar ist, die schicken mir ein Buch zur Begutachtung."
Betty Wahl ist Literaturübersetzerin aus dem Isländischen – ein kleines Zubrot sind die Gutachten über isländische Romane, die Verlagen bei der Entscheidung helfen sollen, ob sie einen Titel ins Deutsche übersetzen lassen oder nicht. Das Postamt ist Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens, beruflich und privat.
"Da ich ja zweimal im Jahr umziehe zwischen Deutschland und Island, kennen die mich auch schon, habe schon so und so viele Nachsendeanträge hier beantragt. Wenn ich reinkomme, die kennen mich auch, die gehen gleich nach hinten und bringen mir meine Briefe, es ist hier alles sehr klein und überschaubar."
Betty Wahl pendelt zwischen Deutschland und Island, seit 20 Jahren. Im Herbst und Winter lehrt sie Isländisch an der Universität in Frankfurt am Main. Den Frühling und Sommer verbringt sie in Reykjavik.
"Das allererste Mal war im Sommer 1993. Als Studentin bin ich mit dem Schiff hierher gefahren, fünf Tage, weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, das Land auf dem Seeweg zu erreichen. Ich wollte es mir erarbeiten, ich wollte es langsam genüsslich mich nähern. Ich hatte ein Semester Isländisch gelernt und wollte einfach sehen, ob es dieses Land wirklich gibt, und ob es diese Sprache wirklich gibt."
Betty Wahl läuft den Laugavegur entlang. Es ist die Straße in Reykjavik: Designergeschäfte, Cafés und Touristenläden. Betty Wahl bezeichnet sich selbst als "Stadtratte", ein isländischer Ausdruck für die Hauptstädter. Alle paar Meter grüßt sie einen Bekannten, bleibt kurz stehen, um mit einer Übersetzer-Kollegin zu plaudern. Alles, was sie braucht, hat sie hier im Postleitzahlenbezirk 101, also dem Zentrum von Reykjavik. Geschäfte, ein beheiztes Freibad - und vor allem Buchläden.
"Das ist im Prinzip der älteste Buchladen, Mal og Menning, und hier bin ich im Prinzip zu Hause seit ich auf Island bin, da nämlich Buchläden immer mit Kaffeehaus-Atmosphäre verwoben sind, und das ist für mich sehr, sehr wichtig. Das ist für mich ein unerlässlicher Ausgleich zum heimischen Schreibtisch."
Und da war in den vergangenen Wochen die Hölle los. Stapelweise türmten sich die Manuskripte: Kurzgeschichten, Romane, Sagas. Und ständig trudelten neue Anfragen ein, gemeinsam mit der Unmöglichkeit "Nein" zusagen. Denn Betty Wahl und ihre Übersetzer-Kollegen haben quasi einen Sechser im Lotto: Das kleine Island ist in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse – und damit spielt die deutsch-isländische Literaturwelt verrückt. Jeder deutsche Verlag will mit isländischen Titeln auf der Messe dabei sein, die isländische Literaturszene legt sich mit dem eigens gegründeten Verein "Sagenhaftes Island" mächtig ins Zeug, unzählige Pressereisen karren deutsche Kulturjournalisten durchs Land.
"Das war Arbeit nonstop (lacht). Ich habe vielleicht zwischen Oktober 2010 und Mai 2011 eineinhalb Tage Pause gemacht, wo ich nicht am Schreibtisch saß, das war vielleicht Heiligabend und der Tag danach. Die Texte waren nach wie vor faszinierend und toll und haben mich nicht wirklich so angenervt, dass ich schreiend davon gelaufen wäre und alles hingeschmissen hätte."
Betty Wahl steigt in dem Buchladen über auf dem Boden spielende Kindern zu dem Regal mit Bestsellern. Hier stehen auch Werke von Gyrđir Eliasson, Träger des diesjährigen Literaturpreises des Nordischen Rates - und IHR Autor, den sie seit kurzem übersetzt.
"Hier ist schon einmal Sandfluss, da ist es noch mal …"
"Am Sandfluss" ist eines von sechs Büchern, das Betty Wahl zur Buchmesse übersetzt hat. Ein enormes Pensum. Betty Wahl hofft, dass diese vielen deutschsprachigen Neuerscheinungen eines endlich auflösen: die hartnäckigen Klischees über Island.
"So die Wortverbindung Land aus Feuer und Eis. Man kann ja keinen Reiseführer auch nur von Ferne angucken, ohne dass da drauf irgendwas von Feuer und Eis gefaselt wird. Oder wenn man erwähnt, dass man sich mit der alten isländischen Literatur beschäftigt, besteht da immer so das Klischee, es ginge um - in Anführungszeichen - Elfen und Trolle, was auch immer das genau sein mag."
Bald wird Betty Wahl wieder ihren großen Koffer packen und nach Frankfurt fliegen. Diesmal warten nicht nur deutsche Isländisch-Studenten auf sie, sondern ein Buchmessenmarathon mit Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Empfängen. Island wird sie dann erst im nächsten Frühling wiedersehen.
"Immer wieder neu anfangen, immer wieder wechseln, bevor man sich einnistet, ist ermüdend, aber auch belebend, und ich brauc'h das und ich bin immer froh, wenn ich den Sprung dann wieder geschafft habe, wenn alles an Ort und Stelle ist und die jeweilige Wohnung wieder ein- und ausgepackt. Vielleicht brauch' ich das, nie ganz zur Ruhe zu kommen, weil die Arbeit selber so ruhig ist."
Die kleine Frau mit dezenter Brille und roten, perfekt frisierten Haaren nimmt ein kleines Paket mit vielen Aufklebern darauf entgegen und reißt es an einem Stehtisch auf.
"Das sind Eulen aus Athen, ein isländisches Buch, was nach Island geschickt wurde, unter erschwerten Umständen, weil das erst vom Zoll abgefangen wurde, der nicht wusste, dass es eine gebührenfreie Sendung des Fischer Verlages sein würde, was es offenbar ist, die schicken mir ein Buch zur Begutachtung."
Betty Wahl ist Literaturübersetzerin aus dem Isländischen – ein kleines Zubrot sind die Gutachten über isländische Romane, die Verlagen bei der Entscheidung helfen sollen, ob sie einen Titel ins Deutsche übersetzen lassen oder nicht. Das Postamt ist Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens, beruflich und privat.
"Da ich ja zweimal im Jahr umziehe zwischen Deutschland und Island, kennen die mich auch schon, habe schon so und so viele Nachsendeanträge hier beantragt. Wenn ich reinkomme, die kennen mich auch, die gehen gleich nach hinten und bringen mir meine Briefe, es ist hier alles sehr klein und überschaubar."
Betty Wahl pendelt zwischen Deutschland und Island, seit 20 Jahren. Im Herbst und Winter lehrt sie Isländisch an der Universität in Frankfurt am Main. Den Frühling und Sommer verbringt sie in Reykjavik.
"Das allererste Mal war im Sommer 1993. Als Studentin bin ich mit dem Schiff hierher gefahren, fünf Tage, weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, das Land auf dem Seeweg zu erreichen. Ich wollte es mir erarbeiten, ich wollte es langsam genüsslich mich nähern. Ich hatte ein Semester Isländisch gelernt und wollte einfach sehen, ob es dieses Land wirklich gibt, und ob es diese Sprache wirklich gibt."
Betty Wahl läuft den Laugavegur entlang. Es ist die Straße in Reykjavik: Designergeschäfte, Cafés und Touristenläden. Betty Wahl bezeichnet sich selbst als "Stadtratte", ein isländischer Ausdruck für die Hauptstädter. Alle paar Meter grüßt sie einen Bekannten, bleibt kurz stehen, um mit einer Übersetzer-Kollegin zu plaudern. Alles, was sie braucht, hat sie hier im Postleitzahlenbezirk 101, also dem Zentrum von Reykjavik. Geschäfte, ein beheiztes Freibad - und vor allem Buchläden.
"Das ist im Prinzip der älteste Buchladen, Mal og Menning, und hier bin ich im Prinzip zu Hause seit ich auf Island bin, da nämlich Buchläden immer mit Kaffeehaus-Atmosphäre verwoben sind, und das ist für mich sehr, sehr wichtig. Das ist für mich ein unerlässlicher Ausgleich zum heimischen Schreibtisch."
Und da war in den vergangenen Wochen die Hölle los. Stapelweise türmten sich die Manuskripte: Kurzgeschichten, Romane, Sagas. Und ständig trudelten neue Anfragen ein, gemeinsam mit der Unmöglichkeit "Nein" zusagen. Denn Betty Wahl und ihre Übersetzer-Kollegen haben quasi einen Sechser im Lotto: Das kleine Island ist in diesem Jahr Gastland der Frankfurter Buchmesse – und damit spielt die deutsch-isländische Literaturwelt verrückt. Jeder deutsche Verlag will mit isländischen Titeln auf der Messe dabei sein, die isländische Literaturszene legt sich mit dem eigens gegründeten Verein "Sagenhaftes Island" mächtig ins Zeug, unzählige Pressereisen karren deutsche Kulturjournalisten durchs Land.
"Das war Arbeit nonstop (lacht). Ich habe vielleicht zwischen Oktober 2010 und Mai 2011 eineinhalb Tage Pause gemacht, wo ich nicht am Schreibtisch saß, das war vielleicht Heiligabend und der Tag danach. Die Texte waren nach wie vor faszinierend und toll und haben mich nicht wirklich so angenervt, dass ich schreiend davon gelaufen wäre und alles hingeschmissen hätte."
Betty Wahl steigt in dem Buchladen über auf dem Boden spielende Kindern zu dem Regal mit Bestsellern. Hier stehen auch Werke von Gyrđir Eliasson, Träger des diesjährigen Literaturpreises des Nordischen Rates - und IHR Autor, den sie seit kurzem übersetzt.
"Hier ist schon einmal Sandfluss, da ist es noch mal …"
"Am Sandfluss" ist eines von sechs Büchern, das Betty Wahl zur Buchmesse übersetzt hat. Ein enormes Pensum. Betty Wahl hofft, dass diese vielen deutschsprachigen Neuerscheinungen eines endlich auflösen: die hartnäckigen Klischees über Island.
"So die Wortverbindung Land aus Feuer und Eis. Man kann ja keinen Reiseführer auch nur von Ferne angucken, ohne dass da drauf irgendwas von Feuer und Eis gefaselt wird. Oder wenn man erwähnt, dass man sich mit der alten isländischen Literatur beschäftigt, besteht da immer so das Klischee, es ginge um - in Anführungszeichen - Elfen und Trolle, was auch immer das genau sein mag."
Bald wird Betty Wahl wieder ihren großen Koffer packen und nach Frankfurt fliegen. Diesmal warten nicht nur deutsche Isländisch-Studenten auf sie, sondern ein Buchmessenmarathon mit Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Empfängen. Island wird sie dann erst im nächsten Frühling wiedersehen.
"Immer wieder neu anfangen, immer wieder wechseln, bevor man sich einnistet, ist ermüdend, aber auch belebend, und ich brauc'h das und ich bin immer froh, wenn ich den Sprung dann wieder geschafft habe, wenn alles an Ort und Stelle ist und die jeweilige Wohnung wieder ein- und ausgepackt. Vielleicht brauch' ich das, nie ganz zur Ruhe zu kommen, weil die Arbeit selber so ruhig ist."