Die Bucht der weißen Haie
Eigentlich ist Gansbaai ein ganz normaler südafrikanischer Küstenort, doch die Bucht zieht jedes Jahr zehntausende Touristen, Fernsehteams und Meeresforscher an. Grund dafür: weiße Haie, die sich in der Bucht tummeln und Jagd auf Robben machen. Während Forscher die letzen Geheimnisse des Meeresräubers lüften wollen, sind die Touristen nur am einem interessiert: dem Adrenalin-Kick. Auge in Auge mit dem Weißen Hai. Ein lukratives Geschäft für die Einheimischen.
"Haie sind schon gigantische Tiere und die dann mal live zu sehen, das ist schon toll. Schon ein Erlebnis."
Medi Diescher, 16, Schülerin aus Frankfurt/Oder. Ihr Wunsch: einen Weißen Hai aus nächster Nähe zu sehen.
"Sie können schon ziemlich bösartig aussehen. Sie haben keine Hände und benutzen deshalb ihr Maul, um herauszufinden, was sich im Wasser bewegt. Also haltet eure Hände immer im Käfig."
Grant Tucket, Ende 30, Skipper in Gansbaai. Sein Job: Käfig-Tauchen mit Weißen Haien für Touristen.
"Ich mag ihr Aussehen Wenn ein Weißer Hai vorbei schwimmt, dann sieht das immer extrem dramatisch aus. Alles daran: die Rückenflosse, die aus dem Wasser ragt, die schwarzen Augen. All das sieht für mich sehr aufregend aus."
Craig Ferreira, 40, Hai-Forscher aus Kapstadt. Seine Berufung: der Schutz des Weißen Hais.
Der Hafen von Gansbaai wird immer kleiner. Das Boot schneller. Skipper Grant Tucket steht lässig, routiniert vor dem Steuerrad, in Jeans und T-Shirt, lenkt er das Boot direkt in die Wellen, beschleunigt noch einmal. Die Gischt spritzt bis in die Kabine. Auf die Rucksäcke und Hosen der 16 Touristen an Bord. Die sitzen sich auf Holzbänken gegenüber. Die meisten haben gelbe Öljacken an. Ein Service des Käfig-Tauch-Unternehmens "White Shark Projects" in Gansbaai bei Kapstadt. Zwei Frauen sehen etwas blass um die Nase aus. Die anderen Touristen lachen und scherzen. In englisch, finnisch, deutsch. Die 16-jährige Medi Diescher sitzt neben ihrem Vater, die braunen Haare in einem Pferdeschwanz unter einer Baseballkappe. Ihre Mutter sitzt schräg gegenüber. "Wir haben sie zu dem Ausflug überredet.", sagt Medi und lacht von einem Ohr zum anderen. Der Vater lacht mit. Die Mutter lächelt etwas seekrank: "In den Käfig, ins Wasser aber bringen mich keine zehn Pferde", sagt sie.
Nach einer viertel Stunde wendet der Skipper das Boot schwungvoll. Manövriert ein bisschen hin und her. Für die richtige Position, um Anker zu werfen. Der Himmel ist bedeckt an diesem Vormittag. Der Wind bläst nur schwach. Vier Seemeilen entfernt: die Küste mit Dünen, Stränden, vereinzelten Häuschen. Trotzdem: Keine ganz normale Bucht in der Kapregion Südafrikas. Hier gibt es so viele Weiße Haie wie nur an wenigen Orten der Welt.
Neugierige Möwen kreisen ums Boot. Skipper Grant Tucket wirft den Anker über Bord. Sein Kollege Mandla öffnet eine große blaue Tonne mit dem sogenannten "Chumming": Zerstampfte Sardinen, Fischblut und -öl. Eine Fischsuppe ganz nach Geschmack der Weißen Haie. Mehrere Plastikbecher davon schüttet Mandla ins Meer. Die Touristen schauen etwas angeekelt zu. Grant Tucket lenkt sie ab, zeigt in Richtung Horizont auf eine Insel.
"Wir sind hier an einer Stelle, die Joubert's Dam genannt wird. Hier, in der Nähe der Küste, halten sich die Haie vom Frühling bis zum Sommer auf. Den Rest des Jahres sind sie dort drüben, rund um Dyer Island und Geyser's Rock, in der so genannten Hai-Allee. Die Wassertemperatur ist angenehm für sie - zwischen 14 und 20 Grad. Außerdem gibt es jede Menge zu fressen: Eine große Seehundkolonie von 50 bis 60.000 Tieren. Ihre Jungen lernen im Spätsommer schwimmen. Eine leichte Beute, auch für einen jungen Hai. Generell lassen Weiße Haie nie viel von ihrer Beute übrig. Sie bevorzugen etwas Kleineres, das sie leicht auffressen und töten können."
Medi Diescher hört interessiert zu. In der Hand den Flyer der "White Shark Projects". In gelben Buchstaben steht darauf: Gewinner des internationalen Ökotourismus-Preises 2004. Das Foto auf dem Faltblatt - wie aus dem Spielberg-Film "Der Weiße Hai": Aufgewühltes Wasser, ein riesig aufgerissenes Maul mit messerscharfen Zähnen, der Blick in den tödlichen Schlund. So stellt sich die Schülerin einen Hai vor: die Bestie aus den Medien, den Killer der Meere. Eigentlich ein Image, von dem man weg will, sagt Hai Forscher Craig Ferreira, der lässig an der Rehling lehnt. In Jeans und kurzärmligem Hemd. Pro Jahr werden mehr Menschen durch Kokosnüsse erschlagen, als von Haien getötet, fügt er hinzu, lächelt kurz, den Blick auf die Wasseroberfläche geheftet.
"Ich denke, die Art der Werbung ist nicht ganz korrekt. Das Käfigtauchen wird den Touristen als gefährliches Abenteuer mit Adrenalinkick verkauft und natürlich denken die Leute dann an den Spielfilm. Die öffentliche Wahrnehmung ist also immer noch sehr davon geprägt. Die meisten wissen so gut wie nichts über Weiße Haie, haben aber trotzdem Angst vor ihnen. Das liegt auch am Lebensraum: dem Meer, das vielen einfach unheimlich ist. Doch die Einstellung ändert sich langsam: viele sehen im Weißen Hai inzwischen ein interessantes Tier, das zwar gefährlich, aber kein Killer ist. Sie sehen ein, dass auch Haie ein Recht haben, zu leben, während man vorher nur von gefährlichen Killern sprach, die es eigentlich gar nicht geben dürfte."
Seit 1991 gehören Weiße Haie in Südafrika zu den geschützten Tierarten, erzählt Craig Ferreira. Ich habe mich damals dafür stark gemacht, fügt er hinzu, drückt stolz die Brust heraus. Skipper Grant Tucket gibt dem Forscher im Vorbeigehen einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Beide kennen sich schon seit Jahren. "Craig war bis vor einem Jahr noch mein Boss", sagt der Skipper und grinst breit "Er hat die Firma "White Shark Projects" hier in Gansbaai gegründet, aber inzwischen wieder verkauft." Der blonde Forscher lächelt, nickt - jetzt hat er wieder mehr Zeit für die Wissenschaft.
"Ich bin mit dem Interesse für Haie groß geworden. Andere Kinder interessieren sich für Dinosaurier, Rennautos oder Flugzeuge, mich faszinierten Haie. Insbesondere der Weiße Hai. Er ist für mich der Ferrari unter den Haien. Ich mag sein Aussehen, die Tatsache, dass er so groß wird und so gefährlich sein kann. Ich war früher oft mit meinem Vater fischen, denn er hat Haie damals für das Aquarium in Durban gefangen."
Noch heute kann man dort verschiedene Haiarten sehen, Katzenhaie und Riffhaie zum Beispiel, erklärt der Forscher, nicht aber den Ferrari - den Weißen Hai - denn er überlebt die Gefangenschaft nicht. Warum das so ist? Craig Ferreira zuckt mit den Schultern. Es gibt noch viele Fragen, auf die ich keine Antwort habe, sagt er, die blauen Augen weiter aufs Wasser gerichtet.
Am Heck des Bootes warten die beiden anderen Mitglieder der Crew auf Skipper Tucket. Gerald, ein kräftiger Bure in den obligatorischen khakifarbenen Shorts und Mandla, ein junger sportlicher Südafrikaner in Jeans und T-Shirt. Jetzt stehen alle drei neben dem Käfig: Dicke Gitterstäbe, 2,30 Meter hoch, etwa 1 Meter breit, rote Bojen baumeln an beiden Seiten. Betont cool lehnt sich Grant Tucket an, putzt kurz seine Sonnenbrille mit dem T-Shirt, rückt seine Baseballkappe zurecht.
Die Touristen sollen sich in den nächsten Stunden auf dem Boot verteilen, sagt der Skipper und deutet auf eine Leiter, die auf eine kleine Aussichtsplattform über der Kajüte führt. Acht Leute haben hier Platz, ein guter Ort für Fotos: Von oben sehen die Haie größer aus. Das macht Eindruck zuhause. Grant Tucket grinst: Er weiss was die Leute wollen - und fürchten. Im Käfig muss keiner Angst haben, fährt er fort, solange Füße und Hände hinter den Gitterstäben bleiben.
"Die Haie sehen eure Bewegungen, aber sie werden den Käfig nicht angreifen. In Filmen habe ihr bestimmt gesehen, wie Haie in den Käfig beißen und ihn rammen. Aber das passiert nur aus Versehen, wenn sie hinter dem Köder her sind. Wir versuchen solche Situationen zu vermeiden, weil sie die Haie verjagen. Denn Haie mögen keinen Köperkontakt und sind normalerweise recht vorsichtig. Was passiert ist folgendes: Der Hai versucht herauszufinden, wo der Köder ist, verfolgt die Spur mit der Nase, mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 Kilometer pro Stunde. Zu schnell um eine Hand weg zu ziehen, also lasst sie immer im Käfig."
Die Crew senkt den Käfig langsam ins Wasser, vertäut ihn an der Seite des Bootes. Die Bojen schwimmen an den Seiten, der Gitterdeckel des Käfigs steht offen. Grant Tucket befestigt einen halben Tunfisch an einem Haken. Die rote Boje darüber hat schon einige Bissspuren. Der Skipper holt aus und wirft den Köder ins türkisfarbene Wasser. Direkt stürzen sich mehrere Möwen und ein Schwarm kleiner Fische darauf. Medi Diescher steht neben ihrem Vater an der Rehling, als der Skipper links ins Wasser zeigt. Eine dreieckige Rückenflosse, ein dunkler Schatten. Der erste Hai heute. Gänsehaut.
Der Hai taucht schnell wieder ab, große Mühe den Köder zu bekommen, hat er sich nicht gegeben. Die Touristen sind trotzdem wie elektrisiert. Drängeln sich jetzt alle an der Reling, die Augen weit aufgerissen, die Kameras gezückt.
"Wahnsinn, Wahnsinn, so riesig, so wow, Hammer."
Die 16-Jährige zupft ihrem Vater aufgeregt am Arm.
"Ich brauche vier Freiwillige für den ersten Tauchgang", ruft Gerald. Die Hände der Touristen fliegen nur so in die Luft. Auch Medis Vater hebt den Arm. Sie aber reagiert nicht schnell genug.
Ohne den Vater in den Käfig? So mutig ist die Schülerin aus Frankfurt/Oder dann doch nicht. Der Vater legt ihr beruhigend die Hand auf die Schulter, verzichtet auf den ersten Tauchgang. Die beiden schauen zu, wie sich die anderen in der Kajüte die Neopren-Anzüge überstreifen, die Taucherbrillen aufsetzen.
Zuerst steigt ein Amerikaner in den Käfig, danach seine Freundin, eine Finnin und ein Ire. Grant Tucket erklärt ihnen noch einmal wie sie sich im Käfig verhalten sollen.
"Ihr sitzt bis zum Brustkorb im Wasser. Füße hierhin, dort abstützen. Wundert euch nicht, wenn ich euch anschreie. Ich bin nicht wütend auf euch, aber es ist windig, ihr habe die Neopren-Kapuzen auf, Wasser in den Ohren und hört mich sonst einfach nicht. Wenn ich also rufe: abtauchen, dann müsst ihr schnell sein, denn die Sicht unter Wasser ist heute nicht besonders gut. Nehmt einen tiefen Atemzug und taucht ab bis eure Füße den Boden des Käfigs berühren, haltet euch an diesem Seil fest, geht so nah an die Stäbe wie möglich und folgt dem Köder mit den Augen, um den Hai zu sehen."
Craig Ferreira schaut der Crew und den Touristen von der Aussichtsplattform zu. Das kommerzielle Käfigtauchen, der Artenschutz und die Forschung widersprechen sich nicht grundsätzlich, sagt er und fährt sich durch die kurzen blonden Haare. Er kennt die Sorge, dass sich das Verhalten der Haie durch das touristische Ködern ändert. Dass Haie auf die Dauer eine Verbindung zwischen Booten, Menschen und Futter herstellen. Dass sie durch die Köder in die Bucht von Gansbaai gelockt werden, wo inzwischen acht Unternehmen Käfigtauchen anbieten.
"Ich persönlich glaube nicht, dass wir hier mit 8 Firmen arbeiten können, ohne dass das irgendeine Auswirkung hat. Die Haie sind hier, weil sie die Seehunde jagen wollen und die Boote lenken sie davon ab. Der Hai will also eigentlich eine Robbe fangen, kommt an einem Boot vorbei, wittert die Ölspur, vergisst den Seehund für eine Weile und versucht stattdessen den Köder zu erwischen. Trotzdem: das Positive am Käfigtauchen überwiegt meiner Meinung nach. Es ist eine gute und inzwischen sehr kontrollierte Branche. Die Touristen sehen den Weißen Hai mit anderen Augen, die Tiere sind geschützt, werden nicht mehr gejagt, sondern nur angeschaut und man kann sogar Geld damit verdienen. Arbeitsplätze werden geschafften und Millionen eingenommen. Das Ganze ist also wirklich gut für unser Land."
1000 Rand, etwa 90 Euro, kostet ein Ausflug mit den "White Shark Projects": Ein paar Stunden auf dem Wasser, ein Tauchgang im Käfig, Sandwich und Regenjacken inklusive. Die Touren sind fast immer ausgebucht. Im Schnitt sind wir im letzten Jahr mit 450 Touristen im Monat in die Bucht gefahren, erzählt der Skipper.
Auch Craig Ferreira hat den rund zwei einhalb Meter langen Weißen Hai gesichtet, der von rechts auf den Käfig zu schwimmt. Die Touristen tauchen ab, der Skipper zieht den Köder durchs Wasser, so nah am Käfig vorbei, wie möglich, der Hai folgt, beschleunigt, schnappt nach dem Köder, verpasst ihn um Haaresbreite und trollt sich wieder in die Tiefe.
"Ich habe vor lauter Aufregung die Luft angehalten", sagt die 16-jährige Medi Diescher zu einer anderen deutschen Touristin. Die beiden sitzen nebeneinander auf einer Bank, direkt hinter Käfig und Skipper.
Touristin: "Das war die ganze Zeit so kribbelig, so spannend."
Medi: "Dabei müssen die sich ja verarscht fühlen, oder?"
Touristin: "Nee, ich glaub nicht."
Medi: "Wenn das Essen immer weg gezogen wird."
Hai-Forscher Craig Ferreira grinst. Genauso soll es sein. Die Haie sollen den Köder gar nicht bekommen. Dann würde man sie ja füttern, erklärt er, und daran könnten sie sich gewöhnen.
Die Haie kommen wie bestellt. Gleich zwei versuchen den Köder zu ergattern, einer springt hoch, für einen Schnappschuss wie im Film: das Maul weit aufgerissen, die Zahnreihen entblößt. Medi zupft ihren Vater aufgeregt am Arm, der nickt anerkennend.
"Medi: Ich hab schon ein Bild gemacht, als er hoch gesprungen ist."
Vater: "Ist ja ein gewaltiges Tierchen, beeindruckend."
Auch für mich ist das jeden Tag wieder aufregend, sagt Crew-Mitglied Gerald Engelbrecht und lehnt sich an die Kajütenwand. Eintönig wird der Job nie, denn jeden Tag haben wir es mit anderen Haien zu tun.
"Weiße Haie sind Normaden. Vor etwa drei Jahren wurde ein Tier markiert. Der Hai schwamm von Südafrika, bis nach Australien und zurück, etwa 20.000 Kilometer in neun Monaten. Da überrascht es nicht, dass wir 80 bis 90 Prozent der Haie, die wir jeden Tag beobachten, zum ersten Mal sehen. Auch der Vorwurf, wir würden sie füttern, stimmt nicht. Selbst wenn ein Hai einen Köder erwischt, ist das nur ein Snack und keine echte Mahlzeit."
Der erste Tauchgang ist fast zu Ende. Die vier Touristen im Käfig haben vor Kälte blaue Lippen, die schrumpligen Finger halten zitternd die Einweg-Unterwasserkameras. Als nächste sind Medi Diescher und ihr Vater an der Reihe. In der Kabine ziehen sie sich die Neoprenanzüge an, stellen die Taucherbrillen ein, und gehen ein paar Schritte zum Käfig.
Zuerst steigt Medi ins Wasser, danach ihr Vater. Zur Probe tauchen die beiden ab. Alles klappt wie am Schnürchen, der nächste Hai ist auch schon in Sicht, langsam schwimmt er zum Köder, doch dann einfach daran vorbei.
Craig Ferreira beobachtet die Touristen weiter von oben, von der Aussichtsplattform. Einige sind enttäuscht, dass der Hai den Köder nicht attackiert hat.
"Es ist einfach so: ein Weißer Hai frisst nur dann, wenn er hungrig ist. Wenn Menschen nicht hungrig sind, dann sind sie auch nicht wirklich an Nahrung interessiert. Wenn sie aber an einer Bäckerei vorbei laufen und frisches Brot riechen, dann kaufen sie sich vielleicht doch ein Croissant. So ist das auch bei den Haien. Sie riechen die Spur aus Öl und Blut, schwimmen zum Boot, beißen vielleicht ein- zweimal in den Köder und verschwinden wieder. Deshalb hält sich ein Hai meistens nur kurz am Boot auf: 15 oder 18 Minuten."
Dieser fast drei Meter lange Hai erfüllt die Erwartungen der Touristen: er springt aus dem Wasser, verkeilt seine Zähne in den Köder, hält ihn so fest, dass der Skipper all seine Kraft einsetzen muss, um die Leine wieder einzuholen. Die Touristen, die neben dem Hai-Forscher auf der Aussichtsplattform stehen, sind begeistert. Zeigen sich gegenseitig, die Fotos die sie gemacht haben. Unten klettert Medi Diescher aus dem Käfig an Bord, schüttelt ihre nassen halblangen Haare, lacht von einem Ohr zum anderen.
"Es war toll. Kann ich gar nicht beschreiben. Ja erst kam ja gar kein Hai, die waren dann plötzlich alle weg und dann auf einmal kam dann wieder und der eine ist dann sogar in den Käfig rein geschwommen. Und dann waren wir schon Angesicht in Angesicht mit den Hai. Ich hab nur den Kopf gesehen, also den vorderen Teil, war schon mächtig riesig. Der hat sogar meine Hand berührt. Bei meinem Papa ist der an die Brille ran geschwommen. Wir haben alle hinten geklebt. Als der dann ran geschwommen ist mit voller Wucht, da habe ich schon gedacht: oh, wenn der Käfig nicht wär. Aber das war toll. Richtig toll."
Zufrieden schält sich die 16-jährige aus dem Taucheranzug. Nach und nach erleben die anderen Touristen ähnliche Szenen. Unterhalten sich aufgeregt über alle Einzelheiten. Einen Weißen Hai ganz nah im Wasser zu sehen, das ist ein einzigartiges Erlebnis - darüber sind sich alle einig. Auch wenn es manchmal anders ist, als sie es sich vorstellen, meint Craig Ferreira.
"Wenn sie hier ankommen, denken sie huh, das wird ganz schön gruselig. Aber wenn sie die Weißen Haie erstmal sehen, bemerken sie, dass die Tiere sich sehr ruhig verhalten, sehr kontrolliert und nicht aggressiv. Man kann sie nur dann als aggressiv bezeichnen, wenn sie nach dem Köder schnappen. Aber das ist ganz natürlich. Wenn die Touristen erleben, dass die Haie Käfig und Boot nicht angreifen, dann hinterlässt das einen guten Eindruck. Sie kommen dann mit einer anderen Meinung zurück: sie sehen den Hai, als was er ist: ein wunderschönes, sehr kontrolliertes, intelligentes Tier, das deshalb mehr Respekt verdient."
Der Forscher, die Touristen und die Crew sind zufrieden. Rucksäcke werden verstaut, der Anker eingeholt, alle setzten sich wieder auf die Holzbänke für die Fahrt zurück ans Festland nach Gaansbai.
Medi Diescher, 16, Schülerin aus Frankfurt/Oder. Ihr Wunsch: einen Weißen Hai aus nächster Nähe zu sehen.
"Sie können schon ziemlich bösartig aussehen. Sie haben keine Hände und benutzen deshalb ihr Maul, um herauszufinden, was sich im Wasser bewegt. Also haltet eure Hände immer im Käfig."
Grant Tucket, Ende 30, Skipper in Gansbaai. Sein Job: Käfig-Tauchen mit Weißen Haien für Touristen.
"Ich mag ihr Aussehen Wenn ein Weißer Hai vorbei schwimmt, dann sieht das immer extrem dramatisch aus. Alles daran: die Rückenflosse, die aus dem Wasser ragt, die schwarzen Augen. All das sieht für mich sehr aufregend aus."
Craig Ferreira, 40, Hai-Forscher aus Kapstadt. Seine Berufung: der Schutz des Weißen Hais.
Der Hafen von Gansbaai wird immer kleiner. Das Boot schneller. Skipper Grant Tucket steht lässig, routiniert vor dem Steuerrad, in Jeans und T-Shirt, lenkt er das Boot direkt in die Wellen, beschleunigt noch einmal. Die Gischt spritzt bis in die Kabine. Auf die Rucksäcke und Hosen der 16 Touristen an Bord. Die sitzen sich auf Holzbänken gegenüber. Die meisten haben gelbe Öljacken an. Ein Service des Käfig-Tauch-Unternehmens "White Shark Projects" in Gansbaai bei Kapstadt. Zwei Frauen sehen etwas blass um die Nase aus. Die anderen Touristen lachen und scherzen. In englisch, finnisch, deutsch. Die 16-jährige Medi Diescher sitzt neben ihrem Vater, die braunen Haare in einem Pferdeschwanz unter einer Baseballkappe. Ihre Mutter sitzt schräg gegenüber. "Wir haben sie zu dem Ausflug überredet.", sagt Medi und lacht von einem Ohr zum anderen. Der Vater lacht mit. Die Mutter lächelt etwas seekrank: "In den Käfig, ins Wasser aber bringen mich keine zehn Pferde", sagt sie.
Nach einer viertel Stunde wendet der Skipper das Boot schwungvoll. Manövriert ein bisschen hin und her. Für die richtige Position, um Anker zu werfen. Der Himmel ist bedeckt an diesem Vormittag. Der Wind bläst nur schwach. Vier Seemeilen entfernt: die Küste mit Dünen, Stränden, vereinzelten Häuschen. Trotzdem: Keine ganz normale Bucht in der Kapregion Südafrikas. Hier gibt es so viele Weiße Haie wie nur an wenigen Orten der Welt.
Neugierige Möwen kreisen ums Boot. Skipper Grant Tucket wirft den Anker über Bord. Sein Kollege Mandla öffnet eine große blaue Tonne mit dem sogenannten "Chumming": Zerstampfte Sardinen, Fischblut und -öl. Eine Fischsuppe ganz nach Geschmack der Weißen Haie. Mehrere Plastikbecher davon schüttet Mandla ins Meer. Die Touristen schauen etwas angeekelt zu. Grant Tucket lenkt sie ab, zeigt in Richtung Horizont auf eine Insel.
"Wir sind hier an einer Stelle, die Joubert's Dam genannt wird. Hier, in der Nähe der Küste, halten sich die Haie vom Frühling bis zum Sommer auf. Den Rest des Jahres sind sie dort drüben, rund um Dyer Island und Geyser's Rock, in der so genannten Hai-Allee. Die Wassertemperatur ist angenehm für sie - zwischen 14 und 20 Grad. Außerdem gibt es jede Menge zu fressen: Eine große Seehundkolonie von 50 bis 60.000 Tieren. Ihre Jungen lernen im Spätsommer schwimmen. Eine leichte Beute, auch für einen jungen Hai. Generell lassen Weiße Haie nie viel von ihrer Beute übrig. Sie bevorzugen etwas Kleineres, das sie leicht auffressen und töten können."
Medi Diescher hört interessiert zu. In der Hand den Flyer der "White Shark Projects". In gelben Buchstaben steht darauf: Gewinner des internationalen Ökotourismus-Preises 2004. Das Foto auf dem Faltblatt - wie aus dem Spielberg-Film "Der Weiße Hai": Aufgewühltes Wasser, ein riesig aufgerissenes Maul mit messerscharfen Zähnen, der Blick in den tödlichen Schlund. So stellt sich die Schülerin einen Hai vor: die Bestie aus den Medien, den Killer der Meere. Eigentlich ein Image, von dem man weg will, sagt Hai Forscher Craig Ferreira, der lässig an der Rehling lehnt. In Jeans und kurzärmligem Hemd. Pro Jahr werden mehr Menschen durch Kokosnüsse erschlagen, als von Haien getötet, fügt er hinzu, lächelt kurz, den Blick auf die Wasseroberfläche geheftet.
"Ich denke, die Art der Werbung ist nicht ganz korrekt. Das Käfigtauchen wird den Touristen als gefährliches Abenteuer mit Adrenalinkick verkauft und natürlich denken die Leute dann an den Spielfilm. Die öffentliche Wahrnehmung ist also immer noch sehr davon geprägt. Die meisten wissen so gut wie nichts über Weiße Haie, haben aber trotzdem Angst vor ihnen. Das liegt auch am Lebensraum: dem Meer, das vielen einfach unheimlich ist. Doch die Einstellung ändert sich langsam: viele sehen im Weißen Hai inzwischen ein interessantes Tier, das zwar gefährlich, aber kein Killer ist. Sie sehen ein, dass auch Haie ein Recht haben, zu leben, während man vorher nur von gefährlichen Killern sprach, die es eigentlich gar nicht geben dürfte."
Seit 1991 gehören Weiße Haie in Südafrika zu den geschützten Tierarten, erzählt Craig Ferreira. Ich habe mich damals dafür stark gemacht, fügt er hinzu, drückt stolz die Brust heraus. Skipper Grant Tucket gibt dem Forscher im Vorbeigehen einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Beide kennen sich schon seit Jahren. "Craig war bis vor einem Jahr noch mein Boss", sagt der Skipper und grinst breit "Er hat die Firma "White Shark Projects" hier in Gansbaai gegründet, aber inzwischen wieder verkauft." Der blonde Forscher lächelt, nickt - jetzt hat er wieder mehr Zeit für die Wissenschaft.
"Ich bin mit dem Interesse für Haie groß geworden. Andere Kinder interessieren sich für Dinosaurier, Rennautos oder Flugzeuge, mich faszinierten Haie. Insbesondere der Weiße Hai. Er ist für mich der Ferrari unter den Haien. Ich mag sein Aussehen, die Tatsache, dass er so groß wird und so gefährlich sein kann. Ich war früher oft mit meinem Vater fischen, denn er hat Haie damals für das Aquarium in Durban gefangen."
Noch heute kann man dort verschiedene Haiarten sehen, Katzenhaie und Riffhaie zum Beispiel, erklärt der Forscher, nicht aber den Ferrari - den Weißen Hai - denn er überlebt die Gefangenschaft nicht. Warum das so ist? Craig Ferreira zuckt mit den Schultern. Es gibt noch viele Fragen, auf die ich keine Antwort habe, sagt er, die blauen Augen weiter aufs Wasser gerichtet.
Am Heck des Bootes warten die beiden anderen Mitglieder der Crew auf Skipper Tucket. Gerald, ein kräftiger Bure in den obligatorischen khakifarbenen Shorts und Mandla, ein junger sportlicher Südafrikaner in Jeans und T-Shirt. Jetzt stehen alle drei neben dem Käfig: Dicke Gitterstäbe, 2,30 Meter hoch, etwa 1 Meter breit, rote Bojen baumeln an beiden Seiten. Betont cool lehnt sich Grant Tucket an, putzt kurz seine Sonnenbrille mit dem T-Shirt, rückt seine Baseballkappe zurecht.
Die Touristen sollen sich in den nächsten Stunden auf dem Boot verteilen, sagt der Skipper und deutet auf eine Leiter, die auf eine kleine Aussichtsplattform über der Kajüte führt. Acht Leute haben hier Platz, ein guter Ort für Fotos: Von oben sehen die Haie größer aus. Das macht Eindruck zuhause. Grant Tucket grinst: Er weiss was die Leute wollen - und fürchten. Im Käfig muss keiner Angst haben, fährt er fort, solange Füße und Hände hinter den Gitterstäben bleiben.
"Die Haie sehen eure Bewegungen, aber sie werden den Käfig nicht angreifen. In Filmen habe ihr bestimmt gesehen, wie Haie in den Käfig beißen und ihn rammen. Aber das passiert nur aus Versehen, wenn sie hinter dem Köder her sind. Wir versuchen solche Situationen zu vermeiden, weil sie die Haie verjagen. Denn Haie mögen keinen Köperkontakt und sind normalerweise recht vorsichtig. Was passiert ist folgendes: Der Hai versucht herauszufinden, wo der Köder ist, verfolgt die Spur mit der Nase, mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 Kilometer pro Stunde. Zu schnell um eine Hand weg zu ziehen, also lasst sie immer im Käfig."
Die Crew senkt den Käfig langsam ins Wasser, vertäut ihn an der Seite des Bootes. Die Bojen schwimmen an den Seiten, der Gitterdeckel des Käfigs steht offen. Grant Tucket befestigt einen halben Tunfisch an einem Haken. Die rote Boje darüber hat schon einige Bissspuren. Der Skipper holt aus und wirft den Köder ins türkisfarbene Wasser. Direkt stürzen sich mehrere Möwen und ein Schwarm kleiner Fische darauf. Medi Diescher steht neben ihrem Vater an der Rehling, als der Skipper links ins Wasser zeigt. Eine dreieckige Rückenflosse, ein dunkler Schatten. Der erste Hai heute. Gänsehaut.
Der Hai taucht schnell wieder ab, große Mühe den Köder zu bekommen, hat er sich nicht gegeben. Die Touristen sind trotzdem wie elektrisiert. Drängeln sich jetzt alle an der Reling, die Augen weit aufgerissen, die Kameras gezückt.
"Wahnsinn, Wahnsinn, so riesig, so wow, Hammer."
Die 16-Jährige zupft ihrem Vater aufgeregt am Arm.
"Ich brauche vier Freiwillige für den ersten Tauchgang", ruft Gerald. Die Hände der Touristen fliegen nur so in die Luft. Auch Medis Vater hebt den Arm. Sie aber reagiert nicht schnell genug.
Ohne den Vater in den Käfig? So mutig ist die Schülerin aus Frankfurt/Oder dann doch nicht. Der Vater legt ihr beruhigend die Hand auf die Schulter, verzichtet auf den ersten Tauchgang. Die beiden schauen zu, wie sich die anderen in der Kajüte die Neopren-Anzüge überstreifen, die Taucherbrillen aufsetzen.
Zuerst steigt ein Amerikaner in den Käfig, danach seine Freundin, eine Finnin und ein Ire. Grant Tucket erklärt ihnen noch einmal wie sie sich im Käfig verhalten sollen.
"Ihr sitzt bis zum Brustkorb im Wasser. Füße hierhin, dort abstützen. Wundert euch nicht, wenn ich euch anschreie. Ich bin nicht wütend auf euch, aber es ist windig, ihr habe die Neopren-Kapuzen auf, Wasser in den Ohren und hört mich sonst einfach nicht. Wenn ich also rufe: abtauchen, dann müsst ihr schnell sein, denn die Sicht unter Wasser ist heute nicht besonders gut. Nehmt einen tiefen Atemzug und taucht ab bis eure Füße den Boden des Käfigs berühren, haltet euch an diesem Seil fest, geht so nah an die Stäbe wie möglich und folgt dem Köder mit den Augen, um den Hai zu sehen."
Craig Ferreira schaut der Crew und den Touristen von der Aussichtsplattform zu. Das kommerzielle Käfigtauchen, der Artenschutz und die Forschung widersprechen sich nicht grundsätzlich, sagt er und fährt sich durch die kurzen blonden Haare. Er kennt die Sorge, dass sich das Verhalten der Haie durch das touristische Ködern ändert. Dass Haie auf die Dauer eine Verbindung zwischen Booten, Menschen und Futter herstellen. Dass sie durch die Köder in die Bucht von Gansbaai gelockt werden, wo inzwischen acht Unternehmen Käfigtauchen anbieten.
"Ich persönlich glaube nicht, dass wir hier mit 8 Firmen arbeiten können, ohne dass das irgendeine Auswirkung hat. Die Haie sind hier, weil sie die Seehunde jagen wollen und die Boote lenken sie davon ab. Der Hai will also eigentlich eine Robbe fangen, kommt an einem Boot vorbei, wittert die Ölspur, vergisst den Seehund für eine Weile und versucht stattdessen den Köder zu erwischen. Trotzdem: das Positive am Käfigtauchen überwiegt meiner Meinung nach. Es ist eine gute und inzwischen sehr kontrollierte Branche. Die Touristen sehen den Weißen Hai mit anderen Augen, die Tiere sind geschützt, werden nicht mehr gejagt, sondern nur angeschaut und man kann sogar Geld damit verdienen. Arbeitsplätze werden geschafften und Millionen eingenommen. Das Ganze ist also wirklich gut für unser Land."
1000 Rand, etwa 90 Euro, kostet ein Ausflug mit den "White Shark Projects": Ein paar Stunden auf dem Wasser, ein Tauchgang im Käfig, Sandwich und Regenjacken inklusive. Die Touren sind fast immer ausgebucht. Im Schnitt sind wir im letzten Jahr mit 450 Touristen im Monat in die Bucht gefahren, erzählt der Skipper.
Auch Craig Ferreira hat den rund zwei einhalb Meter langen Weißen Hai gesichtet, der von rechts auf den Käfig zu schwimmt. Die Touristen tauchen ab, der Skipper zieht den Köder durchs Wasser, so nah am Käfig vorbei, wie möglich, der Hai folgt, beschleunigt, schnappt nach dem Köder, verpasst ihn um Haaresbreite und trollt sich wieder in die Tiefe.
"Ich habe vor lauter Aufregung die Luft angehalten", sagt die 16-jährige Medi Diescher zu einer anderen deutschen Touristin. Die beiden sitzen nebeneinander auf einer Bank, direkt hinter Käfig und Skipper.
Touristin: "Das war die ganze Zeit so kribbelig, so spannend."
Medi: "Dabei müssen die sich ja verarscht fühlen, oder?"
Touristin: "Nee, ich glaub nicht."
Medi: "Wenn das Essen immer weg gezogen wird."
Hai-Forscher Craig Ferreira grinst. Genauso soll es sein. Die Haie sollen den Köder gar nicht bekommen. Dann würde man sie ja füttern, erklärt er, und daran könnten sie sich gewöhnen.
Die Haie kommen wie bestellt. Gleich zwei versuchen den Köder zu ergattern, einer springt hoch, für einen Schnappschuss wie im Film: das Maul weit aufgerissen, die Zahnreihen entblößt. Medi zupft ihren Vater aufgeregt am Arm, der nickt anerkennend.
"Medi: Ich hab schon ein Bild gemacht, als er hoch gesprungen ist."
Vater: "Ist ja ein gewaltiges Tierchen, beeindruckend."
Auch für mich ist das jeden Tag wieder aufregend, sagt Crew-Mitglied Gerald Engelbrecht und lehnt sich an die Kajütenwand. Eintönig wird der Job nie, denn jeden Tag haben wir es mit anderen Haien zu tun.
"Weiße Haie sind Normaden. Vor etwa drei Jahren wurde ein Tier markiert. Der Hai schwamm von Südafrika, bis nach Australien und zurück, etwa 20.000 Kilometer in neun Monaten. Da überrascht es nicht, dass wir 80 bis 90 Prozent der Haie, die wir jeden Tag beobachten, zum ersten Mal sehen. Auch der Vorwurf, wir würden sie füttern, stimmt nicht. Selbst wenn ein Hai einen Köder erwischt, ist das nur ein Snack und keine echte Mahlzeit."
Der erste Tauchgang ist fast zu Ende. Die vier Touristen im Käfig haben vor Kälte blaue Lippen, die schrumpligen Finger halten zitternd die Einweg-Unterwasserkameras. Als nächste sind Medi Diescher und ihr Vater an der Reihe. In der Kabine ziehen sie sich die Neoprenanzüge an, stellen die Taucherbrillen ein, und gehen ein paar Schritte zum Käfig.
Zuerst steigt Medi ins Wasser, danach ihr Vater. Zur Probe tauchen die beiden ab. Alles klappt wie am Schnürchen, der nächste Hai ist auch schon in Sicht, langsam schwimmt er zum Köder, doch dann einfach daran vorbei.
Craig Ferreira beobachtet die Touristen weiter von oben, von der Aussichtsplattform. Einige sind enttäuscht, dass der Hai den Köder nicht attackiert hat.
"Es ist einfach so: ein Weißer Hai frisst nur dann, wenn er hungrig ist. Wenn Menschen nicht hungrig sind, dann sind sie auch nicht wirklich an Nahrung interessiert. Wenn sie aber an einer Bäckerei vorbei laufen und frisches Brot riechen, dann kaufen sie sich vielleicht doch ein Croissant. So ist das auch bei den Haien. Sie riechen die Spur aus Öl und Blut, schwimmen zum Boot, beißen vielleicht ein- zweimal in den Köder und verschwinden wieder. Deshalb hält sich ein Hai meistens nur kurz am Boot auf: 15 oder 18 Minuten."
Dieser fast drei Meter lange Hai erfüllt die Erwartungen der Touristen: er springt aus dem Wasser, verkeilt seine Zähne in den Köder, hält ihn so fest, dass der Skipper all seine Kraft einsetzen muss, um die Leine wieder einzuholen. Die Touristen, die neben dem Hai-Forscher auf der Aussichtsplattform stehen, sind begeistert. Zeigen sich gegenseitig, die Fotos die sie gemacht haben. Unten klettert Medi Diescher aus dem Käfig an Bord, schüttelt ihre nassen halblangen Haare, lacht von einem Ohr zum anderen.
"Es war toll. Kann ich gar nicht beschreiben. Ja erst kam ja gar kein Hai, die waren dann plötzlich alle weg und dann auf einmal kam dann wieder und der eine ist dann sogar in den Käfig rein geschwommen. Und dann waren wir schon Angesicht in Angesicht mit den Hai. Ich hab nur den Kopf gesehen, also den vorderen Teil, war schon mächtig riesig. Der hat sogar meine Hand berührt. Bei meinem Papa ist der an die Brille ran geschwommen. Wir haben alle hinten geklebt. Als der dann ran geschwommen ist mit voller Wucht, da habe ich schon gedacht: oh, wenn der Käfig nicht wär. Aber das war toll. Richtig toll."
Zufrieden schält sich die 16-jährige aus dem Taucheranzug. Nach und nach erleben die anderen Touristen ähnliche Szenen. Unterhalten sich aufgeregt über alle Einzelheiten. Einen Weißen Hai ganz nah im Wasser zu sehen, das ist ein einzigartiges Erlebnis - darüber sind sich alle einig. Auch wenn es manchmal anders ist, als sie es sich vorstellen, meint Craig Ferreira.
"Wenn sie hier ankommen, denken sie huh, das wird ganz schön gruselig. Aber wenn sie die Weißen Haie erstmal sehen, bemerken sie, dass die Tiere sich sehr ruhig verhalten, sehr kontrolliert und nicht aggressiv. Man kann sie nur dann als aggressiv bezeichnen, wenn sie nach dem Köder schnappen. Aber das ist ganz natürlich. Wenn die Touristen erleben, dass die Haie Käfig und Boot nicht angreifen, dann hinterlässt das einen guten Eindruck. Sie kommen dann mit einer anderen Meinung zurück: sie sehen den Hai, als was er ist: ein wunderschönes, sehr kontrolliertes, intelligentes Tier, das deshalb mehr Respekt verdient."
Der Forscher, die Touristen und die Crew sind zufrieden. Rucksäcke werden verstaut, der Anker eingeholt, alle setzten sich wieder auf die Holzbänke für die Fahrt zurück ans Festland nach Gaansbai.