Die ''Bussis'' sind tot - es leben die ''Bussis''
Mein erster Termin in München: Das noble Hotel "Königshof" am Karlsplatz, den die Münchner Stachus nennen. Vor der gläsernen Schwingtür parken zwei Porsches, drei Mercedes-Cabrios und mehrere Jeeps. Sie stehen im Halteverbot. Niemand interessiert sich dafür. In der Empfanghalle schlucken dicke Teppiche und cremefarbene Vorhänge den Straßenlärm. Auf dem Glastisch neben den dunkelroten Sesseln liegt die "Münchner Abendzeitung", das Zentralorgan der Münchner Schickeria, mit einer riesigen Schlagzeile: "Die? - Nie!", daneben ein unvorteilhaftes Bild von Angela Merkel.
Noch bevor ich den Text lesen kann, kommt Michael Graeter auf mich zu, sieht das Bild, grinst und sagt Dinge, die .... leider habe ich das Mikrophon noch nicht ausgepackt. Ich bin zu langsam für das Urgestein der Münchner Klatschreporter. Als wir im Park sitzen, spricht er immer noch über "das protestantische Ost-Fräulein", die nie ... also in München schon gar nicht. Herr Graeter, eigentlich suche ich die Münchner Bussi-Gesellschaft oder das, was von ihr …
Michael Graeter: "Also die Gesellschaft ist gleich geblieben, nur die Medien spiegeln es nicht wieder, ich weiß nicht, worans liegt, die Kids in den Redaktionen sehen nicht die Nachfolger der Flicks, der Thurn und Taxis, der Beckenbauers, in jede Richtung, Maler, Sportler, die haben ja auch Nachwuchs bekommen, aber die kommen in der Zeitung nicht vor, es kommen Plastik-People vor, wahrscheinlich weil die am leichtesten hergehen, weil die keine Gegendarstellungen verursachen, also Naddels und Kübelböcks, die man eigentlich nennen muss, weil sie so oft erwähnt werden, die waren zu meiner Zeit, zu meiner Tagesgeschäftszeit waren das Fußnoten und heute sind das Schlagzeilen ! "
Schlagzeilen! Baby Schimmerlos weiß, was Schlagzeilen sind! Er hat sie gemacht in den 70er und 80er Jahren. Michael Graeter, selbst zum Klischee in der Fernsehserie "Kir Royal" geronnen, lehnt sich genüsslich auf der Parkbank zurück. Mädchen, sagt er, das waren Zeiten. Die Flicks, Curd Jürgens, Gunther Sachs. Echte Playboys, um die sich die Münchner Schickeria drehte.
Michael Graeter: "Fußballspieler haben den ausgestorbenen Playboy etwas ersetzt ja, der ist ja nicht mehr modelliert worden in dieser Stadt, da hält jetzt der Oliver Kahn her....aber die können ja noch werden, man muss ja mal anfangen oder der Ballack, der ist doch eine ganz schöne Erscheinung, wenn der nicht spricht, ist der sensationell und er muss ja eigentlich auch nicht sprechen, er verdient ja sein Geld mit Füßen ... "
Welch ein Abgesang! Oliver Kahn statt Gunther Sachs. Ich muss Herrn Graeter bedauern. Man kann verstehen, dass er sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Aber was ist mit den Mädchen, den schönen? Herr Graeters Gesicht zieht sich zu einer Zitrone zusammen.
Michael Graeter: "Mädchen? Ja wir wollen doch keine Luder? Wollen wir Luder auch zeigen? Na gut, es gibt so Antworten auf Ariane Sommer, aber da geht man in München, im Gegensatz zu Berlin, auf die andere Straßenseite...Uschi Glas...Moment, ja ist noch da? Ich dachte, die ist angeschmiert worden, und die kennt man nicht mehr, weil die Creme so hat zugeschlagen hat, ja also Uschi ... wollen wir doch lieber von der Kindern von Uschi Glas sprechen, die Tochter, die Rambosöhne... "
Fußballer und Luder! Das kann es doch nicht gewesen sein. Ich verlasse die Parkbank und suche Rat bei Karin Dietl-Wichmann. Die Buchautorin wohnt in einem Dachgeschoss-Appartement in Schwabing. Sie öffnet die Tür, schwarzes Kleid, Bluse im Raubtierlook, schwerer Goldschmuck, blitzende braune Augen. Ach Kindchen, diese Zeiten, damals!, gluckst sie und sinkt in das schwarze Ledersofa.
Karin Dietl-Wichmann: "Es war immer was los, und es kamen immer Leute, die man gar nicht erwartet hat, also ich entsinne mich auf eine Party, da ging ich hin zum Geburtstag und plötzlich stand Curd Jürgens da, und war hinreißend oder Sie haben Gunter Sachs gesehen und es kam sehr oft...na Sean Connery nach München, der hatte hier irgendeine heimliche Freundin, da ging die Post ab wirklich, nicht jetzt im Sinne, dass zuviel getrunken wurde, aber es war lustig, es war komisch, die Leute haben sich Mühe gegeben mit dem Anziehen....das war was....und die 80er waren am Anfang noch glänzend, das war nicht schlecht, und dann kamen diese ganzen jungen selbstbewussten New-Economy-Typen, und da fand ich’s zum Kotzen, da gings nur noch, wer kam mit dem Porsche an, und wer hat dieses Haus gekauft, mein Haus, meine Yacht, und meine fünf Geliebten..."
Karin Dietl-Wichmann macht eine Flasche Champagner auf. Vor ein paar Jahren hat die Ex-Frau des Filmregisseurs Helmut Dietl einen bitterbösen Roman über die Münchner Bussi-Gesellschaft geschrieben. Genau genommen ist "Ciao Herzi" die süße Rache am Film ihres Ex, der sie in seinem Film "Rossini" als männerhungrige Journalisten darstellt. Die Hauptperson in ihrem Buch ist natürlich ein frauenhungriger Regisseur. Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen sind ausdrücklich erwünscht. Das ist München!, lacht Frau Dietl-Wichmann und nippt an ihrem Champagner, die inszenierte Wirklichkeit! Nur leider, leider ist das Personal heute so zweitklassig: Fußballer, Vorabendserienstars, Möchte-Gern-Models, die zur Eröffnung jeder Ölsardinendose gehen, sagt Frau Dietl-Wiechmann, die mal Chefredakteurin von "Cosmopolitan" war:
Karin Dietl-Wichmann: "Also nicht mal B-, es sind C-Klasse-Promis, die sieht man jedes Mal auf jedem Fest, jetzt werden Sie mich fragen, woher wissen Sie das, ... (lacht)... in dem Fall nicht, weil ich hingehe, sondern weil ich hochamüsiert dann die Abendzeitung lese... ich gehe nicht mehr hin, weil mir der Abend zu schade ist, das klingt jetzt sehr prätentiös, weiß ich...also da rumzustehen, Champagner kann ich mir selber kaufen und zu heucheln, dass man sich freut, wenn man jemanden sieht und in Arm fällt und sich eigentlich denkt, Mensch was hat die denn für ein Parfum, Mensch wie sieht die denn heute aus...aber dann sagt: Hach siehst du glänzend aus heute meine Liebe! Und nein warst du auch bei Gerhard wieder!"
Das ist das Stichwort! Gerhard! Er muss es wissen. Haargenau. Gerhard Meir, der Promi-Frisör von München. Er hat ein, nein drei Bücher geschrieben. Geschichten aus seinem Salon zwischen Shampoo und Schampus. "Erzähl mir alles!", - ich stecke den Roman gleichnamigen Titels in die Tasche, dass er ihn sehen muss. Sein Salon liegt direkt neben dem Hotel "Bayrischen Hof", der Top-Adresse für Promis oder solche, die es werden wollen. Herr Meir, nicht mehr ganz so schlank wie auf den Buch-Cover, rast mir aus den Tiefen des marmorverkleideten Frisiergeschäftes entgegen, ordert an der Bar Rotwein, - Wie schön, dass Du da bist! - und beachtet meine wenig trendige Frisur mit keinem Blick. Sag einfach Gerhard! Ich habe noch keine Frage gestellt …
Gerhard Meir: "Ja total, es gibt natürlich diese Medien-Öffentlichkeitsarbeiter, wo dann die Leute hinfahren, und wenn Sie sich die Gästeliste angucken, dann reichst gerade mal bis zur Guila Siegel, ... Telefon: ... ich kann nicht hin Sven ... ich bin nicht da ... warte einmal ... Sven .. .ich bin nicht da …"
Das TV-Sternchen Guila Siegel sitzt wohl gerade nicht in Gerhards Salon, leider sehe ich auch Gloria von Thurn und Taxis nicht, deren Punkfrisuren von Meir in den 80er Jahren die biedere Gesellschaft schockierten. Damals war der Meir, Gerhard, ein kleiner Frisör vom Schliersee auf dem Weg nach oben. Heute gehört er dazu, er ist ein "Adabei", ein "Auch dabei", wie die Münchner ironisch ihre Promis nennen. Keine Feier ohne Meir. Doch heute will Herr Meir, sorry, der Gerhard, mit der Bussi-Gesellschaft nix mehr zu tun haben.
Gerhard Meir: "Und auf einmal sah man, auch im Reifeprozess von mir, dass es doch andere Gesellschaften, sehr starke Gesellschaftsformen gibt in München, die unabhängig von der Geschäftseröffnungstross ... sondern es gibt die Leute der leisen Töne, und auch die letzten Jahre noch verstärkter seit dieser Pulk von Deutschland sucht den Superstar oder Big Brother .... und die wahre Gesellschaft, wo der Vorhang immer dicker wird, zugezogen wird, weil sie sich nicht in der selben Position sehen wollen wie die Sonja Kraussens und Verena Pooths...oder Paris Hilton, also ich muss ja sagen, ein Skandal, dass da so ein Hype gemacht wird und dass das ZDF da auch mitmacht ... also ... dass denen da nix mehr einfällt, also grauenhaft"
Ein Promi-Frisör, der Paris Hilton blöd findet? Ich irre zwischen den Designer-Frisörstühlen umher und suche Halt. Ist die Münchner Schickeria tot? Wo sind die Schönen und Reichen? Dann sehe ich Frau Lodenkofler, blond, ibizabraun, mit Botox-Lächeln:
Lodenkofler´: "Super ... jetzt brauchen wir noch mal fünf Jahre, weil zehn Jahre muss ich jünger ausschauen, wenn ich hier rausgehe … super gell!"
Frau Lodenkofler ist Zahnarztgattin, wohnt am Starnberger See und kann sich alles leisten, was man so braucht: Louis-Vuitton-Taschen, Prada-Schuhe, Diamant-Rolex und einen BMW-Geländewagen, mit dem sie in keine Tiefgarage fahren kann. Sie gehört zum Stammpersonal einer Gesellschaft, deren Stars schreibende Frisöre und fremdgehende Fußball-Torhüter sind.
Christian Mayer: "Ich glaube, die Bussi-Gesellschaft war immer ein bisschen trivial, das hängt da damit zusammen, dass die Menschen sich treffen auf einer Party und das "Bussi Bussi", das vielleicht im Norden der Republik nicht so usus ist, soll ja signalisieren, wir gehören alles zusammen, Küsschen rechts und Küsschen links, ach du schon wieder, haben wir und nicht erst gestern gesehen und sehen uns heute schon wieder. Bussi-Gesellschaft heißt ja eigentlich, es gibt ein Zusammenhörigkeits-Gefühl bei denen, die auf allen Gästelisten stehen. Die Leute, die auf allen Gästelisten stehen, haben meistens sehr viel Zeit, es sind Schauspieler, die nicht mehr auf dem Höhepunkt ihres Schaffens stehen, die glauben, sie müssen auf jede Party rennen...die treffen zusammen mit Unternehmern, die unbedingt wie damals bei "Kir Royal" in die Klatschspalten möchten."
Sagt Christian Mayer, ein intimer Kenner der Münchner Gesellschaft, - obwohl man ihm das nicht ansieht. Als ich ihn in der Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" besuche, kommt mir ein großer, schlacksiger Junge entgegen. Cargohosen, verknittertes T-Shirt, offenes Lächeln. Überhaupt nicht Bussi-Bussi. Sein Schreibtisch quillt über vor Einladungen. Gerade kommt er von einer Champagner-Party. Die Firma Veuve Cliquot hatte eingeladen.
Christian Mayer: "Also ich beobachte bei Veranstaltungen, die in der society stattfinden, einen Trend zur Kommerzialisierung, es gibt eigentlich wenig Feste und Partys, die ohne einen PR-Zweck stattfinden, meist steckt eine Firma dahinter, welche ein Parfum verkaufen möchte, es gibt sehr viel Autopremieren in der Autostadt München mit dem Großkonzern BMW, auch in der Modewelt gibt es immer wieder Präsentationen, die verbunden sind mit Partys, dass ein Unternehmer oder ein Casanova wie in den 70er Jahren feiert, weil er Spaß an der Freude hat oder weil er Geburtstag hat oder weil er Models einlädt, das gibst selten..."
Ich bin enttäuscht. Keine wilden Partys mehr, nur noch kühl inszenierte Events? Und das in München? In einer Stadt, in der es drei Boulevardzeitungen mit ganzseitigen Klatschspalten gibt und das Leitmedium der deutschen Yellowpress, "Die Bunte", ihren Sitz hat, ist der Klatsch ein hartes Geschäft. Jedes noch so kleine Ereignis wird zur Society-Party aufgeblasen.
Christian Mayer: "Die Kommerzialisierung lässt sich daran erkennen, dass die meisten Gästelisten von professionellen PR-Agenturen zusammengestellt werden, die natürlich ihre Prominenten haben, also jede PR-Agentur hat also eine Stamm von Schauspielern, von Wirtschaftsleuten, von Kulturleuten, die gehegt werden, die aber dann auch auf den Partys zu erscheinen haben, denn die kriegen von den PR-Agenturen im Gegenzug auch mal schöne Wochenenden spendiert, beim Skifahren in der Schweiz oder in Österreich."
Warum soll die Gesellschaft in München wärmer sein als in anderen Städten? Weil der Himmel so weiß-blau ist? Ich flüchte mich auf die Dachterrasse von Karin Dietl-Wichmann. Sie sagte, ich dürfte wiederkommen. Ein Satz, den man normalerweise nicht ernst nehmen sollte.
Karin Dietl-Wichmann: "Die sind wahnsinnig oberflächlich die Leute, also Sie werden empfangen mit einer Herzlichkeit immer, da meint man, wenn man es von außen anschaut, oh Gott, dass sind ja die besten Freunde und wunderbar, aber wenn Sie selber Probleme haben und zu den Leuten kommen würden und sagen würden, kannst du mir helfen, Kleinigkeiten auch ... nichts, gar nichts, ist alles Schau...man trifft sich zu irgendwelchen Geschichten und verabredet sich und jeder weiß, es wird gar nicht mehr angerufen, don’t call me ... das ist schon arg geworden."
Karin Dietl-Wichmann schenkt noch ein Glas Champagner ein. Es gibt Tage, da fällt einem der weiß-blaue Himmel auf den Kopf. Jennifer Nitsch muss es so ergangen sein, der Schauspielerin, die sich aus dem Fenster ihrer Schwabinger Wohnung stürzte. Oder Rudolph Moshammer, dem bekanntesten Boutiquebesitzer Deutschlands, der das größte Begräbnis nach Franz Josef Strauß bekam. 15.000 Menschen säumten die Straßen. Bekannte Gesichter suchte man vergebens.
Karin Dietl-Wichmann: ... nein aber in gewisse Gesellschaften kommen Sie als normaler Mensch gar nicht rein, das sind die großen Adelshäuser, die untereinander bleiben, das sind die alten Münchner Familien, wo man überhaupt nicht ran kommt, wie Eduard Meier, Dietl, der Schneider und noch ein paar Leute ..."
Etwas benommen vom Dietl’schen Champagner betrete ich das Schuhgeschäft "Eduard Meier” in der Residenzstraße. Mahagonifarbene Wandschränke, karierte Teppiche, die Verkäuferinnen im grauen Flanellrock. Das älteste deutsche Schuhhaus besteht seit 1596. Ich halte ein paar dunkelblaue Damenschuhe in der Hand für 390 Euro. Meine weißen Turnschuhe sind mir peinlich. Plötzlich steht Brigitte Meier neben mir, sie leitet das Unternehmen zusammen mit ihrem Bruder in 13. Generation. Eine große blonde Frau, zartgrünes Leinenkostüm, hellblaue Bluse, flache elegante Schuhe. Natürlich Maßanfertigung. Alles. Sie lacht sympathisch, als sie von ihren Kunden erzählt.
Brigitte Meier: "Uns ist kürzlich aufgefallen, dass eine Familie auf alle Fälle seit sieben Generationen bei uns einkauft...die bei uns seit 7 Generationen einkaufen, sind auch die, denen wir den Titel Hoflieferant zu verdanken haben und ansonsten haben wir von jung bis alt ... wir haben den Kunden, der auf ein Paar Eduard Meier-Schuhe spart, das macht uns sehr großen Spaß, wir haben den flippigen Künstler, genauso wie den superseriösen Banker, wir haben die alte Gräfin, wie den jungen Showstar, es ist ein sehr, sehr buntes Publikum .... aber ich glaube, dass ist gerade so auch das Münchnerische, dass man sich traut, auch in traditionelle Häuser zu gehen, obwohl man vielleicht selber eher jung, flippig, dynamisch ist."
Nie würde Brigitte Meier Namen nennen. Sie würde auch nie in einer Klatschspalte auftauchen, - also nicht freiwillig. Ein wenig verlegen sitzt sie auf einem Ledersofa im Verkaufsraum, der eher dem Herrenzimmer eines englischen Landhauses ähnelt. Wir trinken Espresso. Die Tradition atmet aus jeder Ecke. Auf ihrer Visitenkarte steht in schnörkeliger Schrift über dem altem Wappen ihre Internet-Adresse.
Brigitte Meier: "Ich finde so diesen Ausspruch unseres Landesvaters "Laptop und Lederhose" immer ganz schrecklich, aber irgendwo ist es schon so, dass wir im Verkaufshaus Tradition präsentieren wollen, der Kunde soll sich so ein bisschen in die gute alte Zeit versetzt fühlen, im Hintergrund versuchen wir das natürlich alles modern aufzuarbeiten, sowohl mit Internet und Computern, aber auch beim Einsatz moderner Materialen... wenn wir sagen, es gibt jetzt einen Kunststoff oder eine Gummimischung, die jetzt besser ist als ein Naturprodukt, dann setzen wir das auch ein."
Dieses Prinzip haben sie in München perfektioniert. Das Bier hat die gleichen Zutaten wie seit Jahrhunderten, - aber der gesamte Brauvorgang ist computergesteuert. Bayrische Brauereianlagen werden bis nach Japan exportiert. Wie Chips, Autos, Biotechnologie. Ich stelle das dunkelblaue Paar Damenschuhe für 390 Euro wieder zurück in das Regal. Teure Schuhe für ein teures Pflaster. Aber auch in München sitzt das Geld nicht mehr so locker wie vor 15 Jahren. Wer wüsste das besser als Charles Schumann? "Schumans Bar" war der angesagte Club früher, klein, eng, wer wollte, saß neben Boris Becker oder Heiner Lauterbach. Heute hat Charles Schumann ein größeres Etablissement im Hofgarten neben der Residenz. Er hockt mit seinem verknitterten Gesicht, das ich von einer Anzug-Werbung kenne, draußen in der Abendsonne, vor sich einen Eimer mit Kartoffeln. Setzt Dich her, sagt er und schält Kartoffeln. Auch das ist München.
Charles Schumann: "Ja klar hat sich total verändert, ist ja auch eine andere Generation, die jetzt hier unterwegs ist, nachts vor allem, ich kann ja nur von nachts reden, tagsüber tun ja die meisten was, auch in München, obwohl man sagt, hier kann man am besten überleben überhaupt in Deutschland mit Nichtstun, ich glaube, dass hat sich auch schon hier ein bisschen verändert... Also ich glaube, dass auch München damit Probleme hat, dass Leute einfach nicht mehr so viel Geld haben, wenn ich sehe, wie schwierig es ist, 1000 Euro umzusetzen, dann ist München auch ärmer geworden."
Sagt Charles Schumann und schält Kartoffeln. Das hat er immer gemacht. Es hat nur keiner gemerkt. Genau wie seine Aversion gegen das Wort "Bussi-Gesellschaft". Schumann Gesicht wird noch ein bisschen grantiger.
Charles Schumann: "Das ist eigentlich ein Ausdruck der Yellowpress und damit habe ich nichts zu tun, ich habe absolut nichts damit zu tun, da sind wir viel zu seriös, wir arbeiten über 25 Jahre lang und wenn ich mit der so genannten mit der wie immer sie sich nennt- Gesellschaft arbeiten würden, dann würde es mich schon längst nicht mehr geben ..."
Es gibt ihn aber immer noch, genau wie Gerhard Meir, den Frisör und das Schuhgeschäft "Eduard Meier". Wie das Restaurant "Rossini", den FC Bayern München und die "Bunte". Alle hängen mit allen zusammen. Ob in der Wirklichkeit oder im Film. Vielleicht liegt es ja an diesem Himmel oder am Fön, also dem meteorologischen ... Heute ist er besonders zu spüren. Ich sitze auf der Parkbank und warte auf Michael Graeter. Baby Schimmerlos kommt um die Ecke, schnell, dynamisch, Hallo Hallo, ja was haben wir denn alles erlebt? Ich erzähle natürlich viel, aber sage gar nichts. Herr Graeter, bitte, eine Frage noch: Wenn wir ein Fest ausrichten würden in München, ein großes, wer müsste denn unbedingt dabei sein?
Michael Graeter: "Machen wir jetzt so eine lange Sendezeit? ... (lacht) ... Naja da fange an bei dem Franz von Bayern, der muss natürlich ...das wäre ja der König, Stoiber muss dabei sein, Strauß haben wir ja leider nicht mehr, dann muss dabei sein Beckenbauer, Becker, Stich, Haas, wenn ich Sportler nenne, dann ... na ja die Begum ... freilich , warum denn nicht? Nur weil sie sich scheiden lässt, was ich persönlich nicht verstehe, weil wenn ich diesen Mann heirate, weiß ich, was auf mich zukommt, es gibt keinen treuen Mann, auch der Aga Khan ist nicht treu, also ein gesunder Mann, wenn die Gelegenheit leicht ist ... die Frauen wollen es nicht hören, aber es ist so...dann die Maler wie Elvira Bach und Salome müssten vorkommen, damit es schön ist, dann ein paar Industrielle, der Schrempp, der Porsche, Dr. Wolfgang Porsche ... oder ?
Michael Graeter: "Also die Gesellschaft ist gleich geblieben, nur die Medien spiegeln es nicht wieder, ich weiß nicht, worans liegt, die Kids in den Redaktionen sehen nicht die Nachfolger der Flicks, der Thurn und Taxis, der Beckenbauers, in jede Richtung, Maler, Sportler, die haben ja auch Nachwuchs bekommen, aber die kommen in der Zeitung nicht vor, es kommen Plastik-People vor, wahrscheinlich weil die am leichtesten hergehen, weil die keine Gegendarstellungen verursachen, also Naddels und Kübelböcks, die man eigentlich nennen muss, weil sie so oft erwähnt werden, die waren zu meiner Zeit, zu meiner Tagesgeschäftszeit waren das Fußnoten und heute sind das Schlagzeilen ! "
Schlagzeilen! Baby Schimmerlos weiß, was Schlagzeilen sind! Er hat sie gemacht in den 70er und 80er Jahren. Michael Graeter, selbst zum Klischee in der Fernsehserie "Kir Royal" geronnen, lehnt sich genüsslich auf der Parkbank zurück. Mädchen, sagt er, das waren Zeiten. Die Flicks, Curd Jürgens, Gunther Sachs. Echte Playboys, um die sich die Münchner Schickeria drehte.
Michael Graeter: "Fußballspieler haben den ausgestorbenen Playboy etwas ersetzt ja, der ist ja nicht mehr modelliert worden in dieser Stadt, da hält jetzt der Oliver Kahn her....aber die können ja noch werden, man muss ja mal anfangen oder der Ballack, der ist doch eine ganz schöne Erscheinung, wenn der nicht spricht, ist der sensationell und er muss ja eigentlich auch nicht sprechen, er verdient ja sein Geld mit Füßen ... "
Welch ein Abgesang! Oliver Kahn statt Gunther Sachs. Ich muss Herrn Graeter bedauern. Man kann verstehen, dass er sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Aber was ist mit den Mädchen, den schönen? Herr Graeters Gesicht zieht sich zu einer Zitrone zusammen.
Michael Graeter: "Mädchen? Ja wir wollen doch keine Luder? Wollen wir Luder auch zeigen? Na gut, es gibt so Antworten auf Ariane Sommer, aber da geht man in München, im Gegensatz zu Berlin, auf die andere Straßenseite...Uschi Glas...Moment, ja ist noch da? Ich dachte, die ist angeschmiert worden, und die kennt man nicht mehr, weil die Creme so hat zugeschlagen hat, ja also Uschi ... wollen wir doch lieber von der Kindern von Uschi Glas sprechen, die Tochter, die Rambosöhne... "
Fußballer und Luder! Das kann es doch nicht gewesen sein. Ich verlasse die Parkbank und suche Rat bei Karin Dietl-Wichmann. Die Buchautorin wohnt in einem Dachgeschoss-Appartement in Schwabing. Sie öffnet die Tür, schwarzes Kleid, Bluse im Raubtierlook, schwerer Goldschmuck, blitzende braune Augen. Ach Kindchen, diese Zeiten, damals!, gluckst sie und sinkt in das schwarze Ledersofa.
Karin Dietl-Wichmann: "Es war immer was los, und es kamen immer Leute, die man gar nicht erwartet hat, also ich entsinne mich auf eine Party, da ging ich hin zum Geburtstag und plötzlich stand Curd Jürgens da, und war hinreißend oder Sie haben Gunter Sachs gesehen und es kam sehr oft...na Sean Connery nach München, der hatte hier irgendeine heimliche Freundin, da ging die Post ab wirklich, nicht jetzt im Sinne, dass zuviel getrunken wurde, aber es war lustig, es war komisch, die Leute haben sich Mühe gegeben mit dem Anziehen....das war was....und die 80er waren am Anfang noch glänzend, das war nicht schlecht, und dann kamen diese ganzen jungen selbstbewussten New-Economy-Typen, und da fand ich’s zum Kotzen, da gings nur noch, wer kam mit dem Porsche an, und wer hat dieses Haus gekauft, mein Haus, meine Yacht, und meine fünf Geliebten..."
Karin Dietl-Wichmann macht eine Flasche Champagner auf. Vor ein paar Jahren hat die Ex-Frau des Filmregisseurs Helmut Dietl einen bitterbösen Roman über die Münchner Bussi-Gesellschaft geschrieben. Genau genommen ist "Ciao Herzi" die süße Rache am Film ihres Ex, der sie in seinem Film "Rossini" als männerhungrige Journalisten darstellt. Die Hauptperson in ihrem Buch ist natürlich ein frauenhungriger Regisseur. Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen sind ausdrücklich erwünscht. Das ist München!, lacht Frau Dietl-Wichmann und nippt an ihrem Champagner, die inszenierte Wirklichkeit! Nur leider, leider ist das Personal heute so zweitklassig: Fußballer, Vorabendserienstars, Möchte-Gern-Models, die zur Eröffnung jeder Ölsardinendose gehen, sagt Frau Dietl-Wiechmann, die mal Chefredakteurin von "Cosmopolitan" war:
Karin Dietl-Wichmann: "Also nicht mal B-, es sind C-Klasse-Promis, die sieht man jedes Mal auf jedem Fest, jetzt werden Sie mich fragen, woher wissen Sie das, ... (lacht)... in dem Fall nicht, weil ich hingehe, sondern weil ich hochamüsiert dann die Abendzeitung lese... ich gehe nicht mehr hin, weil mir der Abend zu schade ist, das klingt jetzt sehr prätentiös, weiß ich...also da rumzustehen, Champagner kann ich mir selber kaufen und zu heucheln, dass man sich freut, wenn man jemanden sieht und in Arm fällt und sich eigentlich denkt, Mensch was hat die denn für ein Parfum, Mensch wie sieht die denn heute aus...aber dann sagt: Hach siehst du glänzend aus heute meine Liebe! Und nein warst du auch bei Gerhard wieder!"
Das ist das Stichwort! Gerhard! Er muss es wissen. Haargenau. Gerhard Meir, der Promi-Frisör von München. Er hat ein, nein drei Bücher geschrieben. Geschichten aus seinem Salon zwischen Shampoo und Schampus. "Erzähl mir alles!", - ich stecke den Roman gleichnamigen Titels in die Tasche, dass er ihn sehen muss. Sein Salon liegt direkt neben dem Hotel "Bayrischen Hof", der Top-Adresse für Promis oder solche, die es werden wollen. Herr Meir, nicht mehr ganz so schlank wie auf den Buch-Cover, rast mir aus den Tiefen des marmorverkleideten Frisiergeschäftes entgegen, ordert an der Bar Rotwein, - Wie schön, dass Du da bist! - und beachtet meine wenig trendige Frisur mit keinem Blick. Sag einfach Gerhard! Ich habe noch keine Frage gestellt …
Gerhard Meir: "Ja total, es gibt natürlich diese Medien-Öffentlichkeitsarbeiter, wo dann die Leute hinfahren, und wenn Sie sich die Gästeliste angucken, dann reichst gerade mal bis zur Guila Siegel, ... Telefon: ... ich kann nicht hin Sven ... ich bin nicht da ... warte einmal ... Sven .. .ich bin nicht da …"
Das TV-Sternchen Guila Siegel sitzt wohl gerade nicht in Gerhards Salon, leider sehe ich auch Gloria von Thurn und Taxis nicht, deren Punkfrisuren von Meir in den 80er Jahren die biedere Gesellschaft schockierten. Damals war der Meir, Gerhard, ein kleiner Frisör vom Schliersee auf dem Weg nach oben. Heute gehört er dazu, er ist ein "Adabei", ein "Auch dabei", wie die Münchner ironisch ihre Promis nennen. Keine Feier ohne Meir. Doch heute will Herr Meir, sorry, der Gerhard, mit der Bussi-Gesellschaft nix mehr zu tun haben.
Gerhard Meir: "Und auf einmal sah man, auch im Reifeprozess von mir, dass es doch andere Gesellschaften, sehr starke Gesellschaftsformen gibt in München, die unabhängig von der Geschäftseröffnungstross ... sondern es gibt die Leute der leisen Töne, und auch die letzten Jahre noch verstärkter seit dieser Pulk von Deutschland sucht den Superstar oder Big Brother .... und die wahre Gesellschaft, wo der Vorhang immer dicker wird, zugezogen wird, weil sie sich nicht in der selben Position sehen wollen wie die Sonja Kraussens und Verena Pooths...oder Paris Hilton, also ich muss ja sagen, ein Skandal, dass da so ein Hype gemacht wird und dass das ZDF da auch mitmacht ... also ... dass denen da nix mehr einfällt, also grauenhaft"
Ein Promi-Frisör, der Paris Hilton blöd findet? Ich irre zwischen den Designer-Frisörstühlen umher und suche Halt. Ist die Münchner Schickeria tot? Wo sind die Schönen und Reichen? Dann sehe ich Frau Lodenkofler, blond, ibizabraun, mit Botox-Lächeln:
Lodenkofler´: "Super ... jetzt brauchen wir noch mal fünf Jahre, weil zehn Jahre muss ich jünger ausschauen, wenn ich hier rausgehe … super gell!"
Frau Lodenkofler ist Zahnarztgattin, wohnt am Starnberger See und kann sich alles leisten, was man so braucht: Louis-Vuitton-Taschen, Prada-Schuhe, Diamant-Rolex und einen BMW-Geländewagen, mit dem sie in keine Tiefgarage fahren kann. Sie gehört zum Stammpersonal einer Gesellschaft, deren Stars schreibende Frisöre und fremdgehende Fußball-Torhüter sind.
Christian Mayer: "Ich glaube, die Bussi-Gesellschaft war immer ein bisschen trivial, das hängt da damit zusammen, dass die Menschen sich treffen auf einer Party und das "Bussi Bussi", das vielleicht im Norden der Republik nicht so usus ist, soll ja signalisieren, wir gehören alles zusammen, Küsschen rechts und Küsschen links, ach du schon wieder, haben wir und nicht erst gestern gesehen und sehen uns heute schon wieder. Bussi-Gesellschaft heißt ja eigentlich, es gibt ein Zusammenhörigkeits-Gefühl bei denen, die auf allen Gästelisten stehen. Die Leute, die auf allen Gästelisten stehen, haben meistens sehr viel Zeit, es sind Schauspieler, die nicht mehr auf dem Höhepunkt ihres Schaffens stehen, die glauben, sie müssen auf jede Party rennen...die treffen zusammen mit Unternehmern, die unbedingt wie damals bei "Kir Royal" in die Klatschspalten möchten."
Sagt Christian Mayer, ein intimer Kenner der Münchner Gesellschaft, - obwohl man ihm das nicht ansieht. Als ich ihn in der Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" besuche, kommt mir ein großer, schlacksiger Junge entgegen. Cargohosen, verknittertes T-Shirt, offenes Lächeln. Überhaupt nicht Bussi-Bussi. Sein Schreibtisch quillt über vor Einladungen. Gerade kommt er von einer Champagner-Party. Die Firma Veuve Cliquot hatte eingeladen.
Christian Mayer: "Also ich beobachte bei Veranstaltungen, die in der society stattfinden, einen Trend zur Kommerzialisierung, es gibt eigentlich wenig Feste und Partys, die ohne einen PR-Zweck stattfinden, meist steckt eine Firma dahinter, welche ein Parfum verkaufen möchte, es gibt sehr viel Autopremieren in der Autostadt München mit dem Großkonzern BMW, auch in der Modewelt gibt es immer wieder Präsentationen, die verbunden sind mit Partys, dass ein Unternehmer oder ein Casanova wie in den 70er Jahren feiert, weil er Spaß an der Freude hat oder weil er Geburtstag hat oder weil er Models einlädt, das gibst selten..."
Ich bin enttäuscht. Keine wilden Partys mehr, nur noch kühl inszenierte Events? Und das in München? In einer Stadt, in der es drei Boulevardzeitungen mit ganzseitigen Klatschspalten gibt und das Leitmedium der deutschen Yellowpress, "Die Bunte", ihren Sitz hat, ist der Klatsch ein hartes Geschäft. Jedes noch so kleine Ereignis wird zur Society-Party aufgeblasen.
Christian Mayer: "Die Kommerzialisierung lässt sich daran erkennen, dass die meisten Gästelisten von professionellen PR-Agenturen zusammengestellt werden, die natürlich ihre Prominenten haben, also jede PR-Agentur hat also eine Stamm von Schauspielern, von Wirtschaftsleuten, von Kulturleuten, die gehegt werden, die aber dann auch auf den Partys zu erscheinen haben, denn die kriegen von den PR-Agenturen im Gegenzug auch mal schöne Wochenenden spendiert, beim Skifahren in der Schweiz oder in Österreich."
Warum soll die Gesellschaft in München wärmer sein als in anderen Städten? Weil der Himmel so weiß-blau ist? Ich flüchte mich auf die Dachterrasse von Karin Dietl-Wichmann. Sie sagte, ich dürfte wiederkommen. Ein Satz, den man normalerweise nicht ernst nehmen sollte.
Karin Dietl-Wichmann: "Die sind wahnsinnig oberflächlich die Leute, also Sie werden empfangen mit einer Herzlichkeit immer, da meint man, wenn man es von außen anschaut, oh Gott, dass sind ja die besten Freunde und wunderbar, aber wenn Sie selber Probleme haben und zu den Leuten kommen würden und sagen würden, kannst du mir helfen, Kleinigkeiten auch ... nichts, gar nichts, ist alles Schau...man trifft sich zu irgendwelchen Geschichten und verabredet sich und jeder weiß, es wird gar nicht mehr angerufen, don’t call me ... das ist schon arg geworden."
Karin Dietl-Wichmann schenkt noch ein Glas Champagner ein. Es gibt Tage, da fällt einem der weiß-blaue Himmel auf den Kopf. Jennifer Nitsch muss es so ergangen sein, der Schauspielerin, die sich aus dem Fenster ihrer Schwabinger Wohnung stürzte. Oder Rudolph Moshammer, dem bekanntesten Boutiquebesitzer Deutschlands, der das größte Begräbnis nach Franz Josef Strauß bekam. 15.000 Menschen säumten die Straßen. Bekannte Gesichter suchte man vergebens.
Karin Dietl-Wichmann: ... nein aber in gewisse Gesellschaften kommen Sie als normaler Mensch gar nicht rein, das sind die großen Adelshäuser, die untereinander bleiben, das sind die alten Münchner Familien, wo man überhaupt nicht ran kommt, wie Eduard Meier, Dietl, der Schneider und noch ein paar Leute ..."
Etwas benommen vom Dietl’schen Champagner betrete ich das Schuhgeschäft "Eduard Meier” in der Residenzstraße. Mahagonifarbene Wandschränke, karierte Teppiche, die Verkäuferinnen im grauen Flanellrock. Das älteste deutsche Schuhhaus besteht seit 1596. Ich halte ein paar dunkelblaue Damenschuhe in der Hand für 390 Euro. Meine weißen Turnschuhe sind mir peinlich. Plötzlich steht Brigitte Meier neben mir, sie leitet das Unternehmen zusammen mit ihrem Bruder in 13. Generation. Eine große blonde Frau, zartgrünes Leinenkostüm, hellblaue Bluse, flache elegante Schuhe. Natürlich Maßanfertigung. Alles. Sie lacht sympathisch, als sie von ihren Kunden erzählt.
Brigitte Meier: "Uns ist kürzlich aufgefallen, dass eine Familie auf alle Fälle seit sieben Generationen bei uns einkauft...die bei uns seit 7 Generationen einkaufen, sind auch die, denen wir den Titel Hoflieferant zu verdanken haben und ansonsten haben wir von jung bis alt ... wir haben den Kunden, der auf ein Paar Eduard Meier-Schuhe spart, das macht uns sehr großen Spaß, wir haben den flippigen Künstler, genauso wie den superseriösen Banker, wir haben die alte Gräfin, wie den jungen Showstar, es ist ein sehr, sehr buntes Publikum .... aber ich glaube, dass ist gerade so auch das Münchnerische, dass man sich traut, auch in traditionelle Häuser zu gehen, obwohl man vielleicht selber eher jung, flippig, dynamisch ist."
Nie würde Brigitte Meier Namen nennen. Sie würde auch nie in einer Klatschspalte auftauchen, - also nicht freiwillig. Ein wenig verlegen sitzt sie auf einem Ledersofa im Verkaufsraum, der eher dem Herrenzimmer eines englischen Landhauses ähnelt. Wir trinken Espresso. Die Tradition atmet aus jeder Ecke. Auf ihrer Visitenkarte steht in schnörkeliger Schrift über dem altem Wappen ihre Internet-Adresse.
Brigitte Meier: "Ich finde so diesen Ausspruch unseres Landesvaters "Laptop und Lederhose" immer ganz schrecklich, aber irgendwo ist es schon so, dass wir im Verkaufshaus Tradition präsentieren wollen, der Kunde soll sich so ein bisschen in die gute alte Zeit versetzt fühlen, im Hintergrund versuchen wir das natürlich alles modern aufzuarbeiten, sowohl mit Internet und Computern, aber auch beim Einsatz moderner Materialen... wenn wir sagen, es gibt jetzt einen Kunststoff oder eine Gummimischung, die jetzt besser ist als ein Naturprodukt, dann setzen wir das auch ein."
Dieses Prinzip haben sie in München perfektioniert. Das Bier hat die gleichen Zutaten wie seit Jahrhunderten, - aber der gesamte Brauvorgang ist computergesteuert. Bayrische Brauereianlagen werden bis nach Japan exportiert. Wie Chips, Autos, Biotechnologie. Ich stelle das dunkelblaue Paar Damenschuhe für 390 Euro wieder zurück in das Regal. Teure Schuhe für ein teures Pflaster. Aber auch in München sitzt das Geld nicht mehr so locker wie vor 15 Jahren. Wer wüsste das besser als Charles Schumann? "Schumans Bar" war der angesagte Club früher, klein, eng, wer wollte, saß neben Boris Becker oder Heiner Lauterbach. Heute hat Charles Schumann ein größeres Etablissement im Hofgarten neben der Residenz. Er hockt mit seinem verknitterten Gesicht, das ich von einer Anzug-Werbung kenne, draußen in der Abendsonne, vor sich einen Eimer mit Kartoffeln. Setzt Dich her, sagt er und schält Kartoffeln. Auch das ist München.
Charles Schumann: "Ja klar hat sich total verändert, ist ja auch eine andere Generation, die jetzt hier unterwegs ist, nachts vor allem, ich kann ja nur von nachts reden, tagsüber tun ja die meisten was, auch in München, obwohl man sagt, hier kann man am besten überleben überhaupt in Deutschland mit Nichtstun, ich glaube, dass hat sich auch schon hier ein bisschen verändert... Also ich glaube, dass auch München damit Probleme hat, dass Leute einfach nicht mehr so viel Geld haben, wenn ich sehe, wie schwierig es ist, 1000 Euro umzusetzen, dann ist München auch ärmer geworden."
Sagt Charles Schumann und schält Kartoffeln. Das hat er immer gemacht. Es hat nur keiner gemerkt. Genau wie seine Aversion gegen das Wort "Bussi-Gesellschaft". Schumann Gesicht wird noch ein bisschen grantiger.
Charles Schumann: "Das ist eigentlich ein Ausdruck der Yellowpress und damit habe ich nichts zu tun, ich habe absolut nichts damit zu tun, da sind wir viel zu seriös, wir arbeiten über 25 Jahre lang und wenn ich mit der so genannten mit der wie immer sie sich nennt- Gesellschaft arbeiten würden, dann würde es mich schon längst nicht mehr geben ..."
Es gibt ihn aber immer noch, genau wie Gerhard Meir, den Frisör und das Schuhgeschäft "Eduard Meier". Wie das Restaurant "Rossini", den FC Bayern München und die "Bunte". Alle hängen mit allen zusammen. Ob in der Wirklichkeit oder im Film. Vielleicht liegt es ja an diesem Himmel oder am Fön, also dem meteorologischen ... Heute ist er besonders zu spüren. Ich sitze auf der Parkbank und warte auf Michael Graeter. Baby Schimmerlos kommt um die Ecke, schnell, dynamisch, Hallo Hallo, ja was haben wir denn alles erlebt? Ich erzähle natürlich viel, aber sage gar nichts. Herr Graeter, bitte, eine Frage noch: Wenn wir ein Fest ausrichten würden in München, ein großes, wer müsste denn unbedingt dabei sein?
Michael Graeter: "Machen wir jetzt so eine lange Sendezeit? ... (lacht) ... Naja da fange an bei dem Franz von Bayern, der muss natürlich ...das wäre ja der König, Stoiber muss dabei sein, Strauß haben wir ja leider nicht mehr, dann muss dabei sein Beckenbauer, Becker, Stich, Haas, wenn ich Sportler nenne, dann ... na ja die Begum ... freilich , warum denn nicht? Nur weil sie sich scheiden lässt, was ich persönlich nicht verstehe, weil wenn ich diesen Mann heirate, weiß ich, was auf mich zukommt, es gibt keinen treuen Mann, auch der Aga Khan ist nicht treu, also ein gesunder Mann, wenn die Gelegenheit leicht ist ... die Frauen wollen es nicht hören, aber es ist so...dann die Maler wie Elvira Bach und Salome müssten vorkommen, damit es schön ist, dann ein paar Industrielle, der Schrempp, der Porsche, Dr. Wolfgang Porsche ... oder ?