"Das ist nicht die Schuld von den Frauen, die Branche funktioniert so"
Die Medien stürzen sich auf den Fall Wedel, aus der Filmbranche selbst melden sich vergleichsweise wenige Stimmen. Wir fragen die Schauspielerin Maren Kroymann, ob gerade die Filmwirtschaft besonders anfällig für sexuelle Übergriffe ist.
Drei Frauen erheben im "Zeit-Magazin" schwere Vorwürfe gegen Dieter Wedel. Der Fernseh- und Theaterregisseur soll ihnen gegenüber sexuell übergriffig geworden sein. Die Vorfälle, die beschrieben werden, sollen sich bereits Mitte der 90er-Jahre ereignet haben. "Offensichtlich müssen die Frauen, denen das widerfährt, das erstmal aufarbeiten", sagt die Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin Maren Kroymann. So einen Schritt zu gehen erfordere viel Mut. Die Betroffene gehe das Risiko ein, selber belangt zu werden.
Die Frauen, die ihr Schweigen gebrochen haben, sind ehemalige Schauspielerinnen. "Ich finde es sehr aufschlussreich, dass es Frauen sind, die den Beruf gewechselt haben. Ehrlich gesagt, finde ich, das wirft kein gutes Licht auf die Branche."
Filmbranche besonders anfällig
Die Filmbranche sei besonders anfällig für derartige Schlagzeilen: "Man kennt Promis, man möchte wissen: Wer hat das gemacht? Wer hat das erduldet?" Dadurch nehme die Berichterstattung und das Interesse des Publikums schnell eine reißerische Form an. Ein weiterer Faktor, der die Filmbranche empfänglich macht für sexuelle Übergriffe: "Man kommt sich wahnsinnig schnell nah, ohne eine wirkliche Beziehung zu haben". Dieser Umstand wirke erleichternd für potentielle Täter.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Konkurrenzsituation zwischen den Schauspielern.
"Bei Frauen ist es besonders stark – gerade wenn es um jüngere Schauspielerinnen geht – spielt einfach die Physis eine wahnsinnig große Rolle und da denkt sich so manche junge Schauspielerin oder hat sich gedacht: 'Naja, mit der Begabung, ich denke schon, ich bin begabt, aber auf jeden Fall sehe ich jetzt gut aus und ich kann mal versuchen, übers Aussehen das zu machen'. Das ist ja ein schon oft karikierter Ansatz, dass Mädchen irgendwie denken, sie haben geile Titten und das schafft ihnen jetzt Vorteile." Dass es ihnen tatsächlich Vorteile verschaffe, hätten bestimmte Regisseure bewiesen – solche Fälle, wie Dieter Wedel.
Dieses Schönheitsdenken sei in der ganzen Film- und Theaterbranche präsent. "Das ist auch nicht die Schuld von den Frauen, sondern die Branche funktioniert so", sagt Kroymann
Mythos: "Schauspieler muss gebrochen werden"
Es gibt noch einen anderen Mythos über das Schauspieler-Dasein: "Es geht darum, Schauspieler müssen gebrochen werden. Das ist so ein alter Topos, der immer wieder aufkommt, der hoffentlich jetzt mal beiseite geschmissen wird." Wenn die Schauspieler gebrochen werden müssten, müsse es auch jemanden geben, der sie bricht und das sei dann der Regisseur oder der Schauspielprofessor.
"Da mischt sich bei Regisseuren der Mythos des Genialischen mit dem Persönlich-Cholerischen und dem Autoritären, das heißt Frauen denken, 'das muss so sein, ich muss mich jetzt brechen lassen, sonst bin ich keine gute Schauspielerin'. Der Regisseur denkt wiederum, 'ach, hier ist so ein Wesen, das ich formen kann und das ich auch fertig machen kann'".
Jede Kollegin könne von Regisseuren berichten, "die vorzugsweise Frauen fertig machen – bis die in Tränen aufgelöst sind. Und dann nach der Probe wird sich angenähert und oft unter Einsatz körperlicher Mittel die junge Kollegin wieder aufgebaut."
Dieter Wedel sei kein Einzelfall. "Er ist vielleicht eine besonders extreme Form, aber das wird von allen erzählt und da wird dann gesagt: 'Da musst du eben durch' (…), 'es ist eben so.' Jetzt zum ersten Mal sind wir soweit, dass gesagt wird 'es muss nicht so sein!'"