Die CDU nach der Landtagswahl in Niedersachsen

Entspannte Wahlverlierer

Ältere CDU-Anhänger stehen am Wahlabend in den Fraktionsräumen der CDU im niedersächsischen Landtag in Hannover.
Ein Wahlergebnis unter 50 Prozent ist für emsländische CDU-Kandidaten eine gefühlte Niederlage, selbst wenn sie den Wahlkreis gewonnen haben. © picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Almuth Knigge |
Wahlkreis gewonnen, aber unter 50 Prozent: Das schmerzt die erfolgsverwöhnte CDU im konservativen Emsland. Doch bei der Wahlparty gibt man sich gönnerhaft und findet lobende Worte für den bisherigen und zukünftigen Ministerpräsidenten, einen SPD-Mann!
Eine Wahltour durch Niedersachsen führt automatisch über eine Grenze. Es ist eine imaginäre Grenze – man sieht sie nicht. Denn auf beiden Seiten der Grenze sieht es für den Besucher gleich aus. Viel Platz für viele Kühe – und wenige Menschen, die gerne Platt sprechen und in roten Klinkerhäusern auf adretten Grundstücken wohnen.
Aber auf der einen Seite, in Ostfriesland, sind die Menschen überwiegend protestantisch und wählen SPD und auf der anderen Seite, im Emsland, sind sie katholisch und wählen CDU. Eine ganz klare Teilung. So wie früher.
Auf der CDU-Seite, in Petersfeld, trifft man sich am Wahlabend in einem Vier-Sterne- Hotel. Man zeigt, was man kann und hat.

Hier konzentriert sich Deutschlands Fleischindustrie

Vom bitterarmen Landstrich nach dem Krieg bis hin zum Landkreis mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt der bevölkerungsarmen Landkreise. Maisfelder, Mastställe und Schlachthöfe prägen das Bild. Hier konzentriert sich Deutschlands Fleischindustrie. Bäuerliche Landwirtschaft ist nur noch ein Märchen aus der Wurstreklame.
Und trotz beinahe historischer Wahlniederlage ist die Stimmung im Partysaal gelöst- Die Schuldfrage bei den Damen, die draußen am Rauchertischchen mit einem Prosecco in der Hand sitzen, scheint schnell geklärt.
"Wer hat Schuld - man darf auch nicht zu viel sagen. Wer hat Schuld: die Wähler, die das nicht richtig gewählt haben."
Man weiß nicht mehr so recht, wie Niederlagen aussehen.
"Darf ich noch ganz schnell eben gratulieren?"
"Danke."
"Karl Heinz - ich hab nichts anderes erwartet."
"Ein bisschen Medizin für die innerlichen und äußerlichen Anwendungen."
"Können wir gebrauchen, wollt ihr denn schon los?"
"Esst noch was, es sind noch so viel Sachen noch da, vielen Dank nochmal, wir kämpfen weiter."

Zwischen blass und bluthochdruckverdächtig

Die Gesichtsfarbe des CDU-Kandidaten, Karl-Heinz Bley, schwankt zwischen blass und bluthochdruckverdächtig. Er hat gerade das Ergebnis seines Wahlkreises erfahren. Gewonnen – aber unter 50 Prozent. Mehr als 7 Prozentpunkte Verlust. Das verstört und schmerzt empfindlich.
"Kalt erwischt hat mich das nicht, aber ich habe in den letzten Tagen ein mulmiges Gefühl gehabt, dass wir die Wahl nicht gewinnen werden."
Woran hat's gelegen?
"Dazu haben wir nicht dem Bürger vermitteln können, die Schwachpunkte der Landesregierung näher zu bringen."
Die Schwachpunkte der Landesregierung – Bildung, Infrastruktur, Landwirtschaft.
"Das ist in den Medien, auch wenn Sie eine davon sind, nicht so wiedergegeben worden, wie es hätte sein müssen."

"Wir stehen für Sicherheit, Bodenständigkeit und für Konstanz"

Die Medien haben also die Schwachpunkte des politischen Gegners nicht so gut vermittelt. Vielleicht hätte aber die CDU eher ihre Stärken in den Vordergrund rücken müssen, als auf die Schwächen des Gegners zu setzen. Aber was sind denn die Stärken?
"Wir stehen für Sicherheit, für Bodenständigkeit und auch für Konstanz, dass die Menschen sich auf uns verlassen können."
Und dass es ihnen gut geht. Landwirtschaft, Tiermast und Schlachtbetriebe haben der Region den Wohlstand gebracht. Trotzdem liegen kleine Schatten über dem CDU-Paradies.
"Die geringfügige Beschäftigung bzw. der Mindestlohn - da kann kein Mensch von leben, hier in Deutschland zumindest nicht, die können da gar nicht mit rumkommen, das geht gar nicht."
"... aber das ist ja eigentlich ein SPD Thema, da müsste die CDU auch mehr ran ... ja, in dem Fall müsste sie wirklich mehr ran."
Denn die Damen wissen wohl, gerade hier – rund um Cloppenburg – werden auf Schlachthöfen osteuropäische Leiharbeiter wenig christlich ausgebeutet.
"Das ist schlimm, dass die sich das erlauben können, das zu tun, ich denk immer, dass da nicht mehr auf die Barrikaden gehen, dass die sich das herausnehmen können, dass die einfach nicht besser bezahlen."

"Manchmal ist das Meckern auch ein bisschen grundlos"

Das war aber nicht der Grund für das Abschneiden der CDU. Die SPD hat einfach mehr Nichtwähler mobilisiert. Und wenn es den Menschen gut geht, so wie hier, geht man nicht wählen. Auch nicht die SPD abwählen.
"Wenn es Leuten gut geht, dann brauchen sie ja nichts bemeckern. Ich muss sagen, manchmal ist das Meckern auch ein bisschen grundlos, ne."
Deswegen sind die Wahlverlierer-Sieger in Petersfeld auch ganz entspannt.
"Nein, nein, wir haben keine schlechte Stimmung."
"Das ist wie im Sport, mal gewinnt man, mal verliert man. Jetzt hat die SPD gewonnen und da kann man neidlos sagen, jawohl, in Ordnung, jetzt akzeptieren wir das, und ich glaube persönlich, dass es zu einer großen Koalition kommen wird."

Ein guter Verlierer

Die CDU im Emsland scheint ein guter Verlierer, obwohl sie verlieren eigentlich gar nicht gewohnt ist.
"Normalerweise ist doch immer über 50 hier, ...60"
Vielleicht, ganz vielleicht, liegt es doch auch an Personen – jetzt kann man es ja mal sagen – auch als CDU-Mitglied. Ihr Spitzenkandidat …
"Er kommt nicht so rüber ... also es gab kein: Weil muss weg."
"Ich wollte ihnen mal eben ein Foto zeigen, das hat Weil für mich gemacht, im Bundestag."
"SPD-Weil?"
"Ja klar, wer denn sonst? Das hat er für mich gemacht. Das ist ganz egal, ob das ein SPD-Mann ist, die Persönlichkeit, die zählt, und da hat er den Riesenvorteil - das ist so ein charismatischer Mann, das muss man mal erlebt haben."
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