Die CDU sucht ihr Profil

Von Silvia Engels |
Nein, sie hat keine Schwierigkeiten, sagt Angela Merkel. Keine Schwierigkeiten mit ihrer Doppelfunktion als Regierungschefin der großen Koalition einerseits und als Vorsitzende der CDU andererseits. Die Bundeskanzlerin gab sich nach der Vorstandsklausur ihrer Partei überzeugt, dass eine erfolgreiche Politik in Berlin auch Freiräume für die Parteiarbeit schaffe. Folglich steht nach Meinung der CDU-Chefin die Partnerschaft mit der SPD im Bund nicht im Widerspruch zu einem harten Wahlkampf gegen die Sozialdemokraten in den Ländern.
Zweifel sind erlaubt. Schon wer bei der heutigen Pressekonferenz dem neben Merkel stehenden CDU-Landeschef Christoph Böhr lauschte, spürte die Schwierigkeiten, in denen die Union steckt. Lautstark betonte der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen CDU, der Ende März Ministerpräsident Kurt Beck ablösen will, sein Hauptgegner sei die SPD. Doch inhaltlich konnte er nicht deutlich machen, wie er seine CDU gegen die Sozialdemokraten in Stellung bringen will. Arbeitsmarkt, Bildung und Generationengerechtigkeit seien die Themen seines Wahlkampfes, betonte Böhr. Doch mehr als Überschriften setzte er nicht. Wie denn auch. Kann er doch bei diesen zentralen Themen gar nicht die SPD angreifen, ohne zugleich Angela Merkel und die Bundesebene mit zu treffen. Deshalb bleiben allen CDU-Landtagswahlkämpfern, auch denen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt derzeit nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie profilieren sich bewusst gegen die Bundesebene oder sie wiederholen - wie Christoph Böhr - nur allgemeine Schlagworte und hoffen angesichts der derzeit steigenden CDU-Umfragewerte, dass der Rückenwind bis zum Wahltag anhält.

Auch die Bundeskanzlerin hat ein Problem damit, die SPD mal als Partner und mal als Gegner sehen zu müssen. Sie steckt in der Zwickmühle, auch wenn sie es nicht zugibt. In ihrer Regierung werden die ersten großen Reibungspunkte sichtbar. SPD und Union streiten über Arbeitsmarktmodelle, über Atomkraft und über die Gesundheitspolitik. Doch Merkel braucht Ruhe im Kabinett. Wenn die Landeswahlkämpfer sich diese Konflikte zunutze machen wollen, wie zuletzt der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger mit seinem Plädoyer für Atomkraft, muss Merkel sie in ihrer Rolle als Kanzlerin zur Ordnung rufen. Als CDU-Chefin müsste sie solche Abgrenzungsversuche zur SPD allerdings unterstützen.

Angela Merkel muss diesen Spagat auch in Zukunft aushalten. Doch dabei hat sie offenbar ihre Prioritäten bereits gesetzt. Im Magazin 'der Spiegel' rief sie die Großkoalitionäre dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Mit Blick auf die beiden Volksparteien sagte sie: "Unterschiede dürfen und müssen erkennbar sein - in Maßen". Das klingt mehr nach pragmatischer Kanzlerin als nach leidenschaftlicher CDU-Chefin.
"Jeder kämpft auf der Landesebene für sich" hat Angela Merkel heute auf der Pressekonferenz auch gesagt. Gemeint hat sie damit SPD und CDU. Doch mit Blick auf eine Regierungschefin, die sich offenbar zuerst ihrer großen Koalition verpflichtet fühlt und erst dann ihrer Partei, kann das jeder CDU-Landtagswahlkämpfer auch getrost auf sich selbst beziehen.