Die Clowns sind vor allem laut
Das 27-jährige Regietalent Antú Romero Nunes inszeniert zum Saisonauftakt am Hamburger Thalia Theater Tankred Dorsts "Merlin oder Das wüste Land". Aus dem hehren Stoff, mit dem Dorst vor allem zum Nachdenken anregen wollte, macht Nunes Comedy-Theater und lässt die Narren tanzen.
Ob wohl dieser "Merlin" ganz auf der Höhe der Zeit war, damals, im Augenblick globaler und lokaler Krisen, zur Zeit der Düsseldorfer Uraufführung 1981? Nebenan quasi, im Bonner Hofgarten, protestierte die noch ganz junge Friedensbewegung immerhin zu Hunderttausenden gegen Nachrüstung und NATO-Doppelbeschluss, und zugleich legte Tankred Dorst einen Theatertext vor, der auf der Folie der europäischen Sagenwelt des Mittelalters vor allem von der Untauglichkeit von Welt und Mensch zur Utopie erzählte.
Sein zauberkräftiger Merlin suchte und fand mit dem Ritter Artus an der Tafelrunde immerhin eine Art Erlöser, einen Friedensfürsten, keinen Kriegsherrn mehr wie bis dahin üblich - doch auch der zerbrach, an familiären Abgründen vor allem mit Frau und Sohn.
Gerade die, die auserwählt erscheinen, begabt mit Erkenntnis und beflügelt von fundamentalen Glücksvisionen - das klang aus Dorsts Stück - führten die Welt oft in die schlimmsten Katastrophen. "Merlin" war sozusagen das Theaterstück zu Kanzler Helmut Schmidts ruppiger Analyse, dass, wer Visionen habe, doch bitte zum Arzt gehen möge.
Die kleine Rückblende ist ganz nützlich beim Blick auf die "Merlin"-Version, die der gerade 27-jährige, aus Spanien stammende und in Berlin sehr senkrecht in die aktuelle Regie-Szene gestartet Antú Romero Nunes auf Dorsts Ideen-Panorama wirft. Deren Debatten um Glaube und Zukunft und Wahrheit interessieren den jungen Mann nämlich herzlich wenig - als wolle er bekunden, dass auch versponnene Grübler wie Dorst, Sinnsucher wie Merlin, der Gegenwart nicht viel zu weisen hätten.
Wer Visionen dieser Art hat, sollte - so der Jungstar - vielleicht nicht gleich zum Arzt, aber zur Entspannung mal ins Comedy-Theater gehen: Clowns, wohin das Auge schaut, nicht nur in Merlins Familie - Vater und Mutter sind Spaßmacher, leben in einem Baum-Nest zu Beginn, und wenn sie den jungen Merlin lautstark in die Welt setzen, klingelt's beträchtlich. Auch in der Folge machen Jux und Dollerei und ironische Verbrämung sich breit, wohin die Ohren hören in der Nunes-Fassung. Selbst Merlins erste Vision vom friedenstiftenden "Runden Tisch" klingt mit der Zeit recht stark nach Ironie.
Der runde Tisch selber wird dann in einem sehr ulkigen, aber auch bisschen blöden Comedy-Sketch beim Tischler in Auftrag gegeben; und Ritter holt sich Merlin aus dem Publikum. Nein: Langweilig ist dieser Abend eher nicht.
Aber auch wer im Theater durchaus nicht zu den tendenziell bornierten Texttreuebeschwörern zählt, staunt mit der Zeit nicht schlecht über das rüde Desinteresse an Sprache und Dramaturgie, das die Aufführung durchzieht. Was zum Beispiel die Qualität von Dorsts speziellem Erzähler-Ton ausgemacht haben könnte vor 30 und mehr Jahren, bleibt völlig unerkennbar - so sehr hat das Hamburger "Merlin"-Team den ursprünglichen Text fragmentiert und eben nicht: verdichtet.
Obendrein wurde die Textstruktur dick und fett mit einer auf Dauer schwer erträglichen Ulk-Glasur überzogen; und das hält die nicht aus - Romero Nunes nutzt eine Spielweise, die inzwischen durchaus das Zeug zum Mainstream hat: Irgendwie soll alles wie improvisiert wirken, der eigentliche Kern von Wort und Sinn ist wie versteckt in elend-endlosem Geplapper und Geschnatter. Clowns beherrschen vielleicht noch nicht die Welt, aber zumindest dieses Theater.
Wie ernst lässt sich dann aber - sagen wir mal - Parzivals Grals- und Erlösungssuche noch nehmen? Genau: gar nicht. Pappkameraden überall, Abziehbilder - Lancelot ein begriffsstutziger Schürzenjäger, Parzival ein tapsiges Riesenbaby, Mordred, Artus' wenig geliebter Sohn, ein alberner Macho; mehr an Personenführung hat Nunes nicht zu bieten.
Und die Clowns sind vor allem laut. Merlin selbst lässt immerhin die Puppen wie die Bilder tanzen - mit ihm zeigt der Regisseur eine immense Lust auf alle möglichen Tricks, die so ein schöner großer Theaterapparat hergibt: optisch vor allem, mit immens fantasievollen Projektionen auf bühnenfüllend-weiße Papierbahnen im zweiten Teil; oder schattenspielerischen Dimensionsverschiebungen, bis es so aussieht, als sei ein Mensch im anderen verborgen und komme aus dem Mund heraus gepurzelt.
Nett ist das. Effektvoll. Handwerklich weithin überzeugend in Florian Lösches Bühnen-Apparat; ein wenig überreizt in weiten Teilen des Ensembles und dominiert von diesem elenden Improvisationspalaver. Aber Sorgen muss sich um den weiteren Aufstieg des jungen Regisseurs niemand machen. Eher schon um Tankred Dorsts Wohlbefinden - den Schlussbeifall haben Ursula Ehler und er jedenfalls zügig verlassen.
Sein zauberkräftiger Merlin suchte und fand mit dem Ritter Artus an der Tafelrunde immerhin eine Art Erlöser, einen Friedensfürsten, keinen Kriegsherrn mehr wie bis dahin üblich - doch auch der zerbrach, an familiären Abgründen vor allem mit Frau und Sohn.
Gerade die, die auserwählt erscheinen, begabt mit Erkenntnis und beflügelt von fundamentalen Glücksvisionen - das klang aus Dorsts Stück - führten die Welt oft in die schlimmsten Katastrophen. "Merlin" war sozusagen das Theaterstück zu Kanzler Helmut Schmidts ruppiger Analyse, dass, wer Visionen habe, doch bitte zum Arzt gehen möge.
Die kleine Rückblende ist ganz nützlich beim Blick auf die "Merlin"-Version, die der gerade 27-jährige, aus Spanien stammende und in Berlin sehr senkrecht in die aktuelle Regie-Szene gestartet Antú Romero Nunes auf Dorsts Ideen-Panorama wirft. Deren Debatten um Glaube und Zukunft und Wahrheit interessieren den jungen Mann nämlich herzlich wenig - als wolle er bekunden, dass auch versponnene Grübler wie Dorst, Sinnsucher wie Merlin, der Gegenwart nicht viel zu weisen hätten.
Wer Visionen dieser Art hat, sollte - so der Jungstar - vielleicht nicht gleich zum Arzt, aber zur Entspannung mal ins Comedy-Theater gehen: Clowns, wohin das Auge schaut, nicht nur in Merlins Familie - Vater und Mutter sind Spaßmacher, leben in einem Baum-Nest zu Beginn, und wenn sie den jungen Merlin lautstark in die Welt setzen, klingelt's beträchtlich. Auch in der Folge machen Jux und Dollerei und ironische Verbrämung sich breit, wohin die Ohren hören in der Nunes-Fassung. Selbst Merlins erste Vision vom friedenstiftenden "Runden Tisch" klingt mit der Zeit recht stark nach Ironie.
Der runde Tisch selber wird dann in einem sehr ulkigen, aber auch bisschen blöden Comedy-Sketch beim Tischler in Auftrag gegeben; und Ritter holt sich Merlin aus dem Publikum. Nein: Langweilig ist dieser Abend eher nicht.
Aber auch wer im Theater durchaus nicht zu den tendenziell bornierten Texttreuebeschwörern zählt, staunt mit der Zeit nicht schlecht über das rüde Desinteresse an Sprache und Dramaturgie, das die Aufführung durchzieht. Was zum Beispiel die Qualität von Dorsts speziellem Erzähler-Ton ausgemacht haben könnte vor 30 und mehr Jahren, bleibt völlig unerkennbar - so sehr hat das Hamburger "Merlin"-Team den ursprünglichen Text fragmentiert und eben nicht: verdichtet.
Obendrein wurde die Textstruktur dick und fett mit einer auf Dauer schwer erträglichen Ulk-Glasur überzogen; und das hält die nicht aus - Romero Nunes nutzt eine Spielweise, die inzwischen durchaus das Zeug zum Mainstream hat: Irgendwie soll alles wie improvisiert wirken, der eigentliche Kern von Wort und Sinn ist wie versteckt in elend-endlosem Geplapper und Geschnatter. Clowns beherrschen vielleicht noch nicht die Welt, aber zumindest dieses Theater.
Wie ernst lässt sich dann aber - sagen wir mal - Parzivals Grals- und Erlösungssuche noch nehmen? Genau: gar nicht. Pappkameraden überall, Abziehbilder - Lancelot ein begriffsstutziger Schürzenjäger, Parzival ein tapsiges Riesenbaby, Mordred, Artus' wenig geliebter Sohn, ein alberner Macho; mehr an Personenführung hat Nunes nicht zu bieten.
Und die Clowns sind vor allem laut. Merlin selbst lässt immerhin die Puppen wie die Bilder tanzen - mit ihm zeigt der Regisseur eine immense Lust auf alle möglichen Tricks, die so ein schöner großer Theaterapparat hergibt: optisch vor allem, mit immens fantasievollen Projektionen auf bühnenfüllend-weiße Papierbahnen im zweiten Teil; oder schattenspielerischen Dimensionsverschiebungen, bis es so aussieht, als sei ein Mensch im anderen verborgen und komme aus dem Mund heraus gepurzelt.
Nett ist das. Effektvoll. Handwerklich weithin überzeugend in Florian Lösches Bühnen-Apparat; ein wenig überreizt in weiten Teilen des Ensembles und dominiert von diesem elenden Improvisationspalaver. Aber Sorgen muss sich um den weiteren Aufstieg des jungen Regisseurs niemand machen. Eher schon um Tankred Dorsts Wohlbefinden - den Schlussbeifall haben Ursula Ehler und er jedenfalls zügig verlassen.