Comics werden immer vielfältiger
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Comics sind für viele Menschen gleichbedeutend mit Superhelden. Die sind zwar auch gut, aber die Szene bietet so viel mehr. Zum Beispiel einen feministischen Verlag aus Berlin. Und selbst Superman kämpfte dieses Jahr gegen den Ku-Klux-Klan.
Angesichts unzähliger Neuerscheinungen im Ressort "Comic" ist es schwer, den Überblick zu behalten. Doch dafür gibt es Kritiker wie Stefan Mesch, der die interessantesten und besten Comics des Jahres zusammengetragen hat.
Er beobachtet, dass die Szene jedes Jahr vielfältiger wird. Das zeige sich unter anderem an dem feministischen Berliner "Jaja Verlag", der 2020 gleich drei sehr spannende Comics herausgebracht habe.
"Jein" von Büke Schwarz
Büke Schwarz arbeitetet in Berlin und hat mit "Jein" einen Comic darüber gemacht, wie eine deutsch-türkische Künstlerin ein Kunststipendium bekommt und dann so eine Gruppenausstellung mitmachen darf. Und alle Leute, zum Beispiel ihr Vater aus der Türkei, aber auch Freunde, Konkurrenten und Journalistinnen fragten sie die ganze Zeit, wo sie politisch stehe. In dem Comic geht es dann darum, wie sie sich positioniert und warum es oft eine Belastung ist, als marginalisierte Künstlerin in eine Ecke gedrängt zu werden.
"Bei mir zuhause" von Paulina Stulin
Paulina Stulin hat in Darmstadt studiert und wohnte in in dieser Zeit in einer Dachgeschosswohnung. Darüber hat sie das 600 Seiten lange Buch "Bei mir zuhause" geschrieben. Das klingt zwar total dröge, sei es aber nicht, meint Mesch. Stattdessen werfe Stulin einen kritischen Blick auf sich selbst, ohne in zu viel Selbstironie oder Selbsthass zu verfallen. Leserinnen kämen dabei der Autorin unglaublich nah.
"Küsse für Jet" von Joris Bas Backer
Joris Bas Backer hat ein Buch darüber geschrieben, wie es ist, als trans Mann in einem Internat in den Neunzigern zu leben. Anders als andere Bücher über genderqueere Themen sei "Küsse für Jet" jedoch nicht wie eine Powerpoint-Präsentation, um Dinge zu erklären, sondern eine subtile Geschichte, die sich schön zusammenfüge.
"Sentient" von Jeff Lemire
Der Kanadier Jeff Lemire hat über ein Raumschiff voller verlassener Kinder geschrieben, die von einem Sprachassistenten wie Siri oder Alexa unterstützt werden. In "Sentient" führt das zu einer mitreißenden 70er-Jahre-Ästhetik.
"Die Farbe der Dinge" von Martin Panchaud
Aus der Schweiz kommt "Die Farbe der Dinge" von Martin Panchaud. Mesch beschreibt die Geschichte als eine Art South Park in Comicform: Ein 14-jähriger Trottel gerät in immer schlimmer eskalierende Situationen. Das spannende hier sei der visuelle Stil, erklärt Mesch. Alle Figuren würden nur als Punkte aus der Vogelperspektive gezeigt. Meschs Fazit: Panchaud gelingt es in "Die Farbe der Dinge" sehr gut, Gefühle herüberzubringen.
"Superman Smashes the Klan" von Gene Luen Yang
Auch im traditionellen Superheldencomic sieht Mesch spannende Entwicklungen. In "Superman Smashes the Klan" kämpft der Titelgeber gegen den Ku-Klux-Klan. Dabei sei es Autor Gene Luen Yang sehr gut gelungen, ein Radiohörspiel aus den Vierzigern, in dem Superman gegen Faschisten kämpfte, kindertauglich in die aktuelle Zeit zu heben.
"The Other History of the DC Universe" John Ridley
Ein weiteres wichtiges antirassistisches Comic sei "The Other History of the DC Universe", das vom Drehbuchautor von Filmen wie "12 Years a Slave" geschrieben wurde. Die Geschichten aus der Sicht vom Superhelden Black Lightning vergleicht Mesch mit Essays von James Baldwin.
Comic des Jahres: "Pimo & Rex" von Thomas Wellmann
Meschs Comic des Jahres 2020 ist jedoch ein Märchen: In "Pimo & Rex"geht es um farbenfrohe Fabelwesen, die eine queere Hochzeit feiern, auf der viel schiefläuft. Und wie Mesch sagt: "Mit acht hätte mich das begeistert und mit 80 wird mich das immer noch begeistern."
(hte)