Die Crux mit der angeheirateten Verwandtschaft

Rezensiert von Christine Westerhaus |
Man kann sie sich nicht aussuchen und ausweichen kann man ihr auch nur unter Schwierigkeiten. Für viele Menschen ist das ein Problem, denn kaum ein Verhältnis ist derart vorbelastet und als schwierig verschrien wie das zur Schwiegermutter. In ihrem neuen Buch "Liebe, böse Schwiegermutter" erklärt die Psychoanalytikerin und Verhaltenstherapeutin Eva Jaeggi warum dieses Verhältnis so störanfällig ist.
Schwiegermütter sind ein Abend füllendes Thema. Sie bieten Stoff für unzählige Witze, sie treiben in vielen Filmen ihr Unwesen und sie haben die Fantasie zahlreicher Romanautoren beflügelt. Was die meisten dieser berühmten Schwiegermütter vereint: Sie sind fast immer böse. Sie setzen alles daran, Tochter und Schwiegersohn bzw. Sohn und Schwiegertochter voneinander zu entfernen, machen dem jungen Glück das Leben zur Hölle oder lassen zumindest kein gutes Haar an dem Partner ihres Kindes.

Doch sind Schwiegermütter tatsächlich so schlecht, wie ihr Ruf? Die Psychoanalytikerin und Verhaltenstherapeutin Eva Jaeggi geht dieser Frage in ihrem Buch "Liebe, böse Schwiegermutter" auf den Grund und zeigt anschaulich, warum gerade das Verhältnis zur angeheirateten Mutter in den meisten Familien so kompliziert ist.

Ihr Fazit: Viele Mütter können schlecht loslassen, projizieren falsche Erwartungen in ihre Kinder, sehen den Partner des Sprösslings als Konkurrenz, scheitern an kulturellen Barrieren oder kommen schlicht mit dem modernen Lebensentwurf des jungen Paares nicht zurecht. Die Kinder auf der anderen Seite bereiten sich gegenseitig zu wenig auf das erste Zusammentreffen vor, versuchen sich zuwenig in die Gefühle der Schwiegermütter hineinzuversetzen und haben manchmal auch selbst überzogene Erwartungen von der Begegnung mit der neuen Familie.

All diese Probleme erläutert Eva Jaeggi anhand von interessanten Fallbeispielen, die alle sehr lebensnah und kenntnisreich geschildert sind. So zum Beispiel die Geschichte der jung gebliebenen und immer noch attraktiven Schwiegermutter, die ihre Tochter eines Tages in den Armen eines sehr viel älteren Mannes sieht. Auch sie findet den Schwiegersohn attraktiv und fängt eines Tages ein Verhältnis mit ihm an. Oder der Fall einer Tochter, die einen Afrikaner heiratet. Obwohl tolerant und aufgeschlossen, findet die Schwiegermutter keinen Zugang zur fremden Kultur des angeheirateten Sohnes.

Neben diesen weniger alltäglichen Konflikten schildert Jaeggi aber vor allem die eher "klassischen" Probleme: Mütter, denen kein Mann gut genug erscheint für die bildhübsche und intelligente Tochter. Großmütter, die ständig die Erziehungsmethoden der Kinder kritisieren, Mütter, die eifersüchtig auf die Partnerin des Sohnes sind oder solche, die ihre erwachsenen Sprösslinge immer noch wie kleine Kinder behandeln. Hauptsächlich geht es dabei um das schwierige Verhältnis zwischen Schwiegermüttern und ihren Schwiegertöchtern, das laut Autorin die größte Reibungsfläche bietet.

Das Ergebnis ist in den meisten Fällen das gleiche: Familientreffen geraten zum notwendigen und sparsam eingesetzten Übel, zwischen der Schwiegermutter und Schwiegertochter oder -sohn entwickelt sich ein verkrampftes Verhältnis, die Gespräche bleiben oberflächlich und die Beziehung zum Sohn oder zur Tochter ist in den Augen der Mutter nicht mehr das, was es mal war. Es sind aber nicht nur die schlechten Beispiele, die die Autorin schildert. Immer finden sich in dem Buch auch Geschichten von Schwiegermüttern, die nach anfänglichen Schwierigkeiten doch noch ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwiegertochter entwickeln.

Eva Jaeggi analysiert die geschilderten Fälle präzise und erklärt dem Leser, wo der Knackpunkt in dem beschriebenen Verhältnis liegt. Ihr Tonfall bleibt bei diesen Ausführungen immer angenehm sachlich und unparteilich. Zudem problematisiert und dramatisiert sie das Thema nicht unnötig. Interessant wird das Buch vor allem dann, wenn die Autorin auch Schwiegersohn oder Schwiegertochter zu Wort kommen lässt. Denn meist zeigen diese Zitate, dass die Probleme erst durch Missverständnisse und falsche Erwartungen entstehen.

Insgesamt bietet die Autorin mit diesem Buch einen gut lesbaren und unterhaltsamen Überblick über die zahlreichen Probleme, auf die Schwiegermütter und ihre -töchter oder –söhne stoßen können. Und der ein oder andere findet bestimmt auch eine Anregung, das eigene Verhältnis zur angeheirateten Verwandtschaft neu zu überdenken. Denn zumindest in Ansätzen wird sich jeder in einem der zahlreichen Beispiele wieder erkennen und genau das macht das Buch zu einem sehr unterhaltsamen Leseereignis.

Eva Jaeggi: Liebe, böse Schwiegermutter.
Walter Verlag, 160 Seiten, 16,00 Euro