Die deutsch-französische Freund- und Feindschaft
Die Zeiten der Kriege sind vorbei, nicht aber die Schemata, nach denen das deutsch-französische Verhältnis funktioniert, meint der Schriftsteller Michael Kleeberg: Erdrückende Umarmungsgesten von unserer Seite, Nadelstiche gegen die deutsche Stärke von der anderen.
Um von hinten anzufangen. Das Wort "Freundschaft" verwenden die Deutschen. Ich habe noch nie einen politisch verantwortlichen oder gesellschaftlich relevanten Franzosen von der "Amitié Franco-Allemande" sprechen hören.
Da heißt es entweder "le couple" oder "le partenenariat", das Paar oder die Partnerschaft, wobei "couple" weniger im Sinne von "altes Ehepaar" und mehr im Sinne von "Anhängerkupplung" gebraucht wird.
Das Herz der Franzosen öffnet sich seit jeher nach Südwesten, wohin auch reisen muss, wer die Seele des Landes verstehen will, in die Gascogne, woher Montaigne, Heinrich IV. und D’Artagnan kommen, wo Rugby gespielt wird und wo der Blick der französischen Kolonisatoren sich jenseits des Mittelmeers verlor.
Der düstere und kalte Nordosten, das Land jenseits des Rheins, ist seit jeher nur für wenige Denker von Interesse gewesen. Und all diese meist nicht erwiderte Emotionalität ist immer nur von den Deutschen ausgegangen.
Von Seiten Frankreichs hat es sich, angefangen bei der Revolutionsarmee, über Napoleon, Poincaré, De Gaulle und Mitterrand bis hin zur derzeitigen Regierung immer um eine rein rationale Interessenspolitik gehandelt, die, soweit eben möglich, der Stärkung der eigenen und der Schwächung der gegnerischen Position diente.
Deutschland dagegen hat, soweit ich es übersehe, gegenüber Frankreich nie ein objektives, strategisches Interesse im machiavellistischen Sinne gehabt, ganz gleich ob wir Bismarck betrachten, den Kaiser, Stresemann, Hitler, Adenauer oder seine Nachfolger.
Da heißt es entweder "le couple" oder "le partenenariat", das Paar oder die Partnerschaft, wobei "couple" weniger im Sinne von "altes Ehepaar" und mehr im Sinne von "Anhängerkupplung" gebraucht wird.
Das Herz der Franzosen öffnet sich seit jeher nach Südwesten, wohin auch reisen muss, wer die Seele des Landes verstehen will, in die Gascogne, woher Montaigne, Heinrich IV. und D’Artagnan kommen, wo Rugby gespielt wird und wo der Blick der französischen Kolonisatoren sich jenseits des Mittelmeers verlor.
Der düstere und kalte Nordosten, das Land jenseits des Rheins, ist seit jeher nur für wenige Denker von Interesse gewesen. Und all diese meist nicht erwiderte Emotionalität ist immer nur von den Deutschen ausgegangen.
Von Seiten Frankreichs hat es sich, angefangen bei der Revolutionsarmee, über Napoleon, Poincaré, De Gaulle und Mitterrand bis hin zur derzeitigen Regierung immer um eine rein rationale Interessenspolitik gehandelt, die, soweit eben möglich, der Stärkung der eigenen und der Schwächung der gegnerischen Position diente.
Deutschland dagegen hat, soweit ich es übersehe, gegenüber Frankreich nie ein objektives, strategisches Interesse im machiavellistischen Sinne gehabt, ganz gleich ob wir Bismarck betrachten, den Kaiser, Stresemann, Hitler, Adenauer oder seine Nachfolger.
Was wollte Hitler in Frankreich?
Die Freiheits- und Gleichheitsideen der Revolution ergriffen die besten Geister Deutschlands, aber die Herrschaft Napoleons begründete in den Befreiungskriegen auch den deutschen Nationalismus und den Hass auf Frankreich - mit dem Siegeszug des Begriffs "Erbfeindschaft".
Paris wollte den Ersten Weltkrieg, um das wirtschaftlich und politisch ungeheuer erstarkte Deutschland zu schwächen und Elsaß-Lothringen wiederzubekommen, aber was wollte der Kaiser in Paris, hätte der Schlieffen-Plan funktioniert?
Als der Krieg gegen Deutschland mit vereinten Anstrengungen gewonnen war, war es Frankreich, das des Schlechten zu viel tat: Ohne das Versailler Diktat wäre Hitler höchstwahrscheinlich nie zur Macht gelangt. Aber was wollte Hitler in Frankreich? Es ging auch hier nur um Erniedrigung - eine krankhafte Reaktion aus verschmähter Liebe sozusagen.
Auch am Ende dieses Krieges war das Ziel französischer Politik das kühl rationale, Deutschland klein zu halten. Wir wissen, dass es anders gekommen ist. Das Land, das seinen letzten Pyrrhus-Sieg 1918 feierte und danach nur noch verlor, den nächsten Krieg, seine Kolonien, seine Bedeutung als wichtigste Kulturnation, ist, was es nur mit Mühe akzeptiert, zur europäischen Mittelmacht geschrumpft.
Ganz wie sein Nachbar Deutschland, der allerdings, seit 1949 sich in der politischen Zwergenrolle gefallend, zur europabeherrschenden Wirtschaftsmacht aufstieg.
Die Zeiten der Kriege sind vorbei, nicht aber die Schemata, nach denen das deutsch-französische Verhältnis funktioniert: Erdrückende Umarmungsgesten von unserer Seite, Nadelstiche gegen die deutsche Stärke von der anderen. Die bis dato letzten waren Mitterrands Versuche, die deutsche Einigung zu verhindern und die deutsche Wirtschaftskraft durch Aufgabe der D-Mark zu schwächen.
Wir Deutsche lieben Frankreich, die Franzosen misstrauen uns, so war das, so ist das. Soll das Verhältnis so entspannt bleiben, wie es heute verglichen mit früheren Zeiten ist, täten wir gut daran, im Verhältnis zu unserem Nachbarn auch ein wenig kühle Rationalität walten zu lassen. Aber können Deutsche das: Lieben und zugleich denken?
Michael Kleeberg wurde 1959 in Stuttgart geboren und wuchs in Süddeutschland und Hamburg auf. Er studierte Politische Wissenschaften und Geschichte an der Universität Hamburg. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Neben Erzählungen und der Novelle "Barfuß" veröffentlichte er die Romane "Proteus der Pilger" und "Ein Garten im Norden". Zuletzt erschienen bei DVA der Roman "Der König von Korsika" (2001), 2004 das libanesische Reisetagebuch "Das Tier, das weint" und der Roman "Karlmann (2007)". Sein aktueller Roman "Das amerikanische Hospital" (2010) wurde mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet. Sein Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Paris wollte den Ersten Weltkrieg, um das wirtschaftlich und politisch ungeheuer erstarkte Deutschland zu schwächen und Elsaß-Lothringen wiederzubekommen, aber was wollte der Kaiser in Paris, hätte der Schlieffen-Plan funktioniert?
Als der Krieg gegen Deutschland mit vereinten Anstrengungen gewonnen war, war es Frankreich, das des Schlechten zu viel tat: Ohne das Versailler Diktat wäre Hitler höchstwahrscheinlich nie zur Macht gelangt. Aber was wollte Hitler in Frankreich? Es ging auch hier nur um Erniedrigung - eine krankhafte Reaktion aus verschmähter Liebe sozusagen.
Auch am Ende dieses Krieges war das Ziel französischer Politik das kühl rationale, Deutschland klein zu halten. Wir wissen, dass es anders gekommen ist. Das Land, das seinen letzten Pyrrhus-Sieg 1918 feierte und danach nur noch verlor, den nächsten Krieg, seine Kolonien, seine Bedeutung als wichtigste Kulturnation, ist, was es nur mit Mühe akzeptiert, zur europäischen Mittelmacht geschrumpft.
Ganz wie sein Nachbar Deutschland, der allerdings, seit 1949 sich in der politischen Zwergenrolle gefallend, zur europabeherrschenden Wirtschaftsmacht aufstieg.
Die Zeiten der Kriege sind vorbei, nicht aber die Schemata, nach denen das deutsch-französische Verhältnis funktioniert: Erdrückende Umarmungsgesten von unserer Seite, Nadelstiche gegen die deutsche Stärke von der anderen. Die bis dato letzten waren Mitterrands Versuche, die deutsche Einigung zu verhindern und die deutsche Wirtschaftskraft durch Aufgabe der D-Mark zu schwächen.
Wir Deutsche lieben Frankreich, die Franzosen misstrauen uns, so war das, so ist das. Soll das Verhältnis so entspannt bleiben, wie es heute verglichen mit früheren Zeiten ist, täten wir gut daran, im Verhältnis zu unserem Nachbarn auch ein wenig kühle Rationalität walten zu lassen. Aber können Deutsche das: Lieben und zugleich denken?
Michael Kleeberg wurde 1959 in Stuttgart geboren und wuchs in Süddeutschland und Hamburg auf. Er studierte Politische Wissenschaften und Geschichte an der Universität Hamburg. Nach Aufenthalten in Rom und Amsterdam lebte er von 1986 bis 1999 in Paris. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer in Berlin. Neben Erzählungen und der Novelle "Barfuß" veröffentlichte er die Romane "Proteus der Pilger" und "Ein Garten im Norden". Zuletzt erschienen bei DVA der Roman "Der König von Korsika" (2001), 2004 das libanesische Reisetagebuch "Das Tier, das weint" und der Roman "Karlmann (2007)". Sein aktueller Roman "Das amerikanische Hospital" (2010) wurde mit dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet. Sein Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt.