Wie unabhängige Forschung gesichert werden kann
Zwar nimmt die Abhängigkeit der Hochschulen von privaten Drittmitteln ab. Trotzdem stellt sich oft ein Unbehagen ein, wenn private Unternehmen Forschung finanzieren – denn die Geldgeber sehnen sich nach Ergebnissen, die ihnen nutzen.
Ministeriums-Sprecher in Bundespresskonferenz: "Der Minister hat keinerlei Verständnis für solche Tests zum Schaden von Tieren und Menschen, die nicht der Wissenschaft dienen, sondern ausschließlich PR-Zwecken."
Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachen: "Die Bezeichnung absurd und widerlich gilt natürlich erst recht, wenn sich entsprechende Testreihen auf Menschen beziehen."
Ministeriums-Sprecher: "Und solche Tierversuche und Tests mit Menschen müssen ein Ende haben."
TV-Beitrag: "Sind Tests mit Menschen ein Tabu?"
Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachen: "Die Bezeichnung absurd und widerlich gilt natürlich erst recht, wenn sich entsprechende Testreihen auf Menschen beziehen."
Ministeriums-Sprecher: "Und solche Tierversuche und Tests mit Menschen müssen ein Ende haben."
TV-Beitrag: "Sind Tests mit Menschen ein Tabu?"
Große Empörung über Stickstoffdioxid-Versuch in Aachen
Die Empörung war groß, als bekannt wurde, dass die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen, eine der renommiertesten Universitäten Deutschlands, 25 Menschen ins Labor gesetzt hatte, um zu testen, welche Folgen niedrige Dosen des Reizgases Stickstoffdioxid auf diese Menschen haben.
Offiziell diente der Versuch dem Schutz am Arbeitsplatz, aber finanziert wurde die Studie von einem Lobbyverein der deutschen Autoindustrie. Dieser Lobbyverein stellte die Forschungsergebnisse hinterher so dar, als sei Stickstoffdioxid, das vor allem als Abgas aus Autos kommt, weniger gefährlich als immer angenommen.
Peter Dabrock: "Insofern hat das ganze schon ein Geschmäckle."
Sagt Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, einem Beratungsgremium für Bundestag und Bundesregierung:
"Das ist so, als ob die Tabakindustrie bezahlen würde, ob Rauchen schädlich ist oder nicht. Und da würde doch jeder sagen, das ist nicht unbedingt der Sponsor, der dafür sorgt, dass die Forschung neutral durchgeführt wird."
Unternehmen wollen Gewinne machen
Doch dieser Verdacht stellt sich immer ein, wenn private Unternehmen Forschung finanzieren. Denn Unternehmen wollen in der Regel nicht das Wissen der Menschheit steigern, sondern Gewinne machen, suchen also nicht Erkenntnisse per sei, sondern Erkenntnisse, die ihnen nutzen. Wäre es nicht ideal, wenn der Staat Hochschulen so viel Geld gibt, dass sie keine Aufträge aus der Industrie annehmen müssen?
Christoph Schröder: "Ja, da wäre das Idealbild."
Christoph Schröder ist Facharzt für Innere Medizin an der Medizinischen Hochschule in Hannover und Mitglied in der Ethikkommission des Landes Berlin, die mitentscheidet, ob Pharmastudien an Menschen genehmigt werden. Schröder weist darauf hin, dass auch ethisch unbedenkliche Forschungsförderung aus Steuergeld als Drittmittel bezeichnet wird. Auf Drittmittel aus der Industrie sollte staatliche Forschung dagegen verzichten können:
"Aber das ist weder realistisch noch gängige Praxis."
Allerdings sinkt die Abhängigkeit der deutschen Hochschulen von privaten Drittmitteln seit Jahren. Die neusten Zahlen des Statistischen Bundesamtes dazu stammen aus dem Jahr 2015. Danach kamen im Jahr 2005 über 28 Prozent der Drittmittel aus der Wirtschaft. Zehn Jahre später sind es nur noch 19 Prozent, ein Rückgang um fast 10 Prozent.
Medizin bei Drittmitteln Spitzenreiter
Allerdings sind einige Hochschulen und Fachrichtungen besonders abhängig von Drittmitteln. Kein Fach wirbt mehr Drittmittel ein als die Medizin und keine Hochschule mehr als die TU in Aachen. Drittmittel aus der Industrie bleiben also vor allem für Mediziner und Ingenieure Alltag. Der Chef des Deutschen Ethikrats:
"Also muss man dafür sorgen, dass Forschung noch stärker unabhängig sein kann."
Unabhängige Forschung trotz Geld von der Industrie – wie soll das gehen? Der Arzt Christoph Schröder, Mitglied der Ethikkommission des Landes Berlin:
"Erster Punkt wäre sicherlich, dass Experimente ergebnisoffen geplant und durchgeführt werden."
Die Studie muss also so angelegt und durchgeführt werden, dass jedes Ergebnis möglich ist. Nach Durchsicht der Verträge zwischen Auto-Lobbyisten und dem Aachener Uni-Klinikum scheint deren Stickoxydstudie ergebnisoffen angelegt gewesen zu sein. Doch das Uniklinikum Aachen gesteht, dass den Forschern bewusst war, dass sie im Auftrag der Autoindustrie forschen.
Der Chef des Deutschen Ethikrats gibt daher zu bedenken:
"Bei solchen Forschungen, bei denen auch klar ist, dass ihre politische Instrumentalisierung auf der Hand liegt, ist es schon wichtig, dass deutlich gemacht wird, dass hier eine Unabhängigkeit herrscht."
Bedingungen für staatliche Auftragsforscher nötig
Um der politischen Instrumentalisierung ihrer Forschung zumindest entgegentreten zu können, müssten die staatlichen Auftragsforscher mehrere Bedingungen festschreiben, sagt Mediziner Christoph Schröder aus der Berliner Ethikkommission.
Es werden alle Daten und Forschungsergebnisse veröffentlicht, nicht nur ausgewählte; über Art, Umfang und Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse entscheiden allein die Forscher; und alle Daten der Studie gehören der Hochschule. Im Fall Aachen scheint das alles der Fall gewesen zu sein. Wirklich die Regel sei das zwar nicht, sagt Schröder:
"Es ist aber zunehmend so, dass die Hochschulen sich bewusstwerden, dass ein ethischer Umgang damit oder dass der wünschenswerte Umgang schon so wäre, dass die Daten dem Wissenschaftler gehören oder zumindest von ihm mitinterpretiert werden und seine Stimme in der Interpretation der Ergebnisse zumindest gehört und berücksichtigt wird.
Letztlich sei es für eine ethische Drittmittelforschung entscheidend, wie sehr die Hochschule oder das Institut von Drittmitteln abhängt. Stammen 10 Prozent des Etats aus der Industrie sei die Einrichtung unabhängiger, als wenn 70 oder 80 Prozent des Budgets aus Auftragsforschung stamme.
Anzahl der Drittmittel als Bewertungsfaktor
Gerd Gigerenzer: "Es gibt aber auch Anreize, die den ersthaften Forscher in Probleme bringen."
Gerd Gigerenzer ist Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin:
"Viele Universitäten und immer mehr machen zur Bewertung ihrer eigenen Professoren nicht nur deren Exzellenz in Lehre und Forschung zum Kriterium, sondern die Anzahl der Drittmittel, die eingeworben haben."
Auch sein Max-Planck-Institut erhalte Drittmittel, wie viel die von seinem Etat ausmachen, wisse er nicht, sagt Gigerenzer:
"Ich sagte, das bekommen meistens meine Leute. Denn die werden später mal zu einer Universität gehen und die werden da gefragt werden, haben sie Erfahrungen mit Drittmitteln? Schauen Sie, da muss ich ihnen helfen."