Die Drohne für jedermann

Von Ralf Bei der Kellen |
Drohnen sind kleine, unbemannte Flugobjekte, deren Hauptaufgabe es in der Vergangenheit war, Gebiete zu überwachen oder auszukundschaften. Was bislang dem Militär vorbehalten war, könnte jetzt für jedermann erschwinglich werden. Denn eine kleine Firma aus Westfalen hat eine Drohne entwickelt, die im freien Handel erhältlich ist und keinerlei Anmeldungszwang unterliegt.
Auf einer Wiese im Süden Berlins steht ein Mann, der sich an einem seltsam aussehenden Gerät zu schaffen macht, das die Form eines Kreuzes hat und einen Durchmesser von circa einem halben Meter. Zu seinen Füßen: Ein Laptop in einem kleinen schwarzen Koffer.

"Data: Ok. Battery: Ok. RC: Ok. GPS: Ok."
"So, dann kann’s auch schon losgehen."

Plötzlich erhebt sich das Gerät in die Luft und bleibt in circa 15 Metern Höhe wie angenagelt stehen. Ilja Fähnrich schaut auf den Bildschirm seines Laptops, dort erscheint ein Bild der Wiese aus der Vogelperspektive. Für den Fotografen ist das Fluggerät mehr als eine Spielerei, er nutzt es für seine Arbeit – und erregt damit immer wieder Aufsehen.

"Äh, ja, die staunen. Hat man noch nie gesehen, was ist das, was machen Sie hier? Geht also wirklich von 'Können wir mal gucken? Müssen wir hier Eintritt bezahlen?' bis zum 'Was machen Sie denn hier? Die Leute kriegen hier Angst!', also ick war letztens bei einem Imbiss fliegen, kam die Imbissbesitzerin raus, ja, drin meine Gäste kriegen Angst, wat machen Sie hier? Aber wenn man dann sagt, man macht Luftbilder, dann staunen eigentlich alle nur noch."

Bei dem Flugobjekt handelt es sich um eine so genannte Drohne. Seit Juni vergangenen Jahres ist der vierrotorige Quadrokopter der Firma Microdrones aus dem westfälischen Kreuztal auf dem Markt. Das Gerät ist komplett aus Kohlefaser, wiegt gerade mal 900 Gramm und kann bis zu 200 Gramm Nutzlast in die Luft befördern – was in etwas dem Gewicht einer modernen Digitalkamera entspricht.

30 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit der Drohne, maximale Flughöhe: 500 Meter. Die Funksteuerung hat eine Reichweite von etwa einem Kilometer, der Akku liefert Strom für einen 20-minütigen Flug. Gut, das konnten Modellhubschrauber auch schon. Dieses Gerät jedoch kann noch wesentlich mehr.

Selbst bei Windstärke 4 steht die Drohne ruhig in der Luft und hält eine vorgegebene GPS-Position. Ermöglich wird dies durch eine Vielzahl von Sensoren, die vom Bordcomputer ständig überprüft werden, um Abweichungen unmittelbar ausgleichen zu können. Damit wird diese Drohne zum "fliegenden Auge".
Da das Gerät weniger als fünf Kilo wiegt und einen Elektroantrieb hat, ist es anmeldungsfrei. Vor allem für Luftfotografen wie Ilja Fähnrich eröffnet die Drohne ganz neue Arbeitsmöglichkeiten.

"Also es kann eben eine Kamera in Höhen bringen, wo wir halt selber nicht hinkommen, mit’ner Leiter nicht und mit’nem Stativ nicht und mit’nem echten Hubschrauber eben auch nicht hindürfen, weil der so niedrig nicht fliegen darf."

Auch für andere Anwendungen wie zum Beispiel Verkehrsüberwachung müssten so keine schweren, bemannten Fluggeräte mehr durch die Luft bewegt werden.
Bislang war solche Technik vor allem dem Militär vorbehalten. Mit dem Kreuztaler Quadrokopter wird sie für jedermann zugänglich – Kosten: Zwischen 10- und 20.000 Euro je nach Ausstattung. Diese freie Verfügbarkeit bewegt die Gemüter und führt zu allerlei Spekulationen – nicht zuletzt in den Medien.

ZDF: "Mit großer Wahrscheinlichkeit werden solche Drohnen in Zukunft zu unserem Alltag gehören. Die Nachfrage nach solchen Geräten weltweit wächst jedenfalls rasant."
Spiegel Online-Clip: "Und so kann man aus der Luft sehen, was die Nachbarn so alles treiben."

Auch Andreas Steinhauser vom Chaos Computer Club, der die Drohne auf dem letztjährigen Chaos Communication Congress einem interessierten Publikum vorstellte, kann sich noch andere Szenarien als die Luftbildfotografie vorstellen:

"Da ist mit Sicherheit die harmloseste Geschichte noch, einen Verkehrsunfall aufzunehmen, da wird es aber mit Sicherheit sehr viel spannender auch im privaten Bereich, wenn es gilt, große Gelände zu überwachen. Ja, einfach zu verhindern, dass da ungebetene Gäste sich aufhalten, also das, was der Wachschützer so macht, das kann so ein Gerät auch. Wenn da was Ungewöhnliches ist, dann sieht man das auf dem Monitor und kann entsprechend eingreifen."

Von einem Überwachungsszenario zu Gedankenspielen über private Spionage oder Paparazzi ist es da nur noch ein kleiner Schritt. Ilja Fähnrich hält diesen allerdings für unrealistisch.

"Sie können ja also in meinen Augen mit dem Ding sowieso nicht heimlich agieren, weil Sie müssen ziemlich nah an der Drohne dran sein, weil Sie die ja irgendwie steuern müssen. Und dann sieht man Sie auf jeden Fall schon mal unten. Und wenn Sie dann hochgucken und die Drohne steuern, dann guckt der Rest der Menschheit auch hoch, wat is denn da oben, und dann hat man Sie schon gesehen. Also von heimlich ist da bei mir jedenfalls nicht die Spur."

Währenddessen setzt man in Kreuztal auf die Entwicklung größerer Drohnen, um leistungsfähigere Kameras in die Luft zu bringen. Auch werden in Zukunft autonome Flüge entlang vorher programmierten Wegen kein Problem mehr sein. Die neue Dimension der Überwachung, wie sie von vielen prognostiziert wird, sieht Andreas Steinhauser allerdings eher woanders.

"Letztlich hat jeder seinen Fotoapparat bereits in der Tasche in Form eines Handys, so, und macht immer und überall Bilder – da sehe ich eine wesentlich größere Beeinflussung unseres Lebens als jetzt davon, dass jetzt jeder mit einer fliegenden Drohne irgendwie irgendwen überwacht."