Die drolligen Nachbarn

Von Hans Olink |
Rudi Carrell, Marijke Amado, Linda de Mol - die Liste niederländischer Moderatoren im deutschen Fernsehen ist lang. Lieben die Deutschen unsere niederländischen Unterhaltungs-Stars, weil sie "drollig" sind, wie "Bild" behauptet?
Vor einiger Zeit hat die Holländerin Sylvie van der Vaart, Gattin des ehemaligen HSV-Fußballspielers Raphael van der Vaart, einen Vertrag über eine Million Euro mit einem deutschen Privat-TV-Sender unterschrieben. Für diese Summe pro Jahr soll sie ein Showprogramm machen. Damit hält sie eine Tradition hoch, die 1958 mit Lou van Burg anfing, dem Sänger aus Den Haag, der die Sendung "Der Goldene Schuss" präsentierte.

Er hatte einen guten Nachfolger, den 2006 gestorbenen Showmaster Rudi Carrell, der Sendungen produzierte wie "Am laufenden Band" und "Rudi’s Lachparade". Er war ein Begriff, weniger in Holland, vor allem in Deutschland. Seine ehemalige Assistentin Marijke Amado wurde im Kielwasser Rudi Carrells mit ihrer "Mini Playback Show" vom deutschen Fernsehpublikum ebenfalls in die Arme geschlossen. Und die ideale Schwiegertochter Linda de Mol, die vorher große Shows machte, wie "Traumhochzeit" und die "Soundmixshow", ist inzwischen mit einer eigenen Show sogar in Holland "in".

Dann gibt es noch "Feierbiest” Louis van Gaal, der merkwürdige holländische Trainer von Bayern München, der von der "Bild"-Zeitung zum drolligsten Niederländer seit Rudi Carrel gewählt wurde. Er ist zwar kein offizieller TV-Showmaster, aber seine deutschen Sätze mit dem schweren niederländischen Akzent amüsieren offensichtlich viele Deutsche.

Lieben die Deutschen unsere niederländischen Unterhaltungs-Stars, weil sie "drollig" sind, wie "Bild" behauptet? Und was ist dann so drollig? Liegt der Grund in unserer Sprache? Ich kann es mir kaum vorstellen. Ich selbst finde Deutsch eine schönere Sprache als Niederländisch. Ich bin also nicht maßgebend.

Darum habe ich ein paar deutsche Freunde mal gefragt. Es stellte sich heraus, dass Sie unsere Sprache in der Tat drollig finden. Unsere Aussprache des Deutschen, der Klang, die Transformation von niederländischen in deutsche Wörter, die nicht existieren, ja das finden die Deutschen drollig.

Es ist wie bei Flamen, die Holländisch reden. Wir Holländer finden das lustig, weil die Sprachen ziemlich ähnlich sind und die kleinen Abweichungen sind dann lustig oder drollig.

Aber die Sprache kann nicht der einzige Grund sein, warum Niederländer Millionen im deutschen Fernsehen verdienen. Eine zweite Nachfrage brachte heraus, dass es auch unsere Toleranz, unsere Offenheit, oder sogar unsere lockeren Verhaltensformen sind, die günstig stimmen. Wir sind so locker, dass sie sich sehr bequem fühlen können während unserer Anwesenheit auf dem Bildschirm. Sie finden es angenehm, ja entspannend, die lockeren Holländer zu sehen und zu hören.

Was mich natürlich wundert, ist, warum es bei uns keinen einzigen deutschen Unterhaltungs-Star gibt, der Erfolg hat. Es gibt im niederländischen Fernsehen auch keine deutschen Showprogramme. Zwar gibt es angekaufte deutsche Krimiserien wie Derrick oder Tappert. Und es gab eine Fernsehsendung im holländischen TV namens Jiskefet, in der die Deutschen lächerlich gemacht wurden. Wie zum Beispiel eine Persiflage von Derrick und seinem Assistenten. Mit Humor und scharf. Vielleicht seid ihr Deutschen aber zu höflich. Und Höflichkeit und Humor gehen nicht zusammen. Ich warte mit Sehnsucht auf die ersten deutschen Showmaster, die die Holländer auf die Knie zwingen. Es wird Zeit. Und meiner Meinung nach sind sie herzlich willkommen, wenn Sie wenigstens bereit sind, ein bisschen - nicht zu viel natürlich - Niederländisch zu lernen. Ich freue mich schon.

Hans Olink, Jahrgang 1949, holländischer Kultursoziologe und Publizist. Direktor einer Theaterorganisation und Theaterkritiker. Schreibt für führende Zeitungen in den Niederlanden wie "NRC Handelsblad" und "de Volkskrant", und ist spezialisiert auf geschichtliche Erzählungen. Gründete und entwickelte ein Rundfunkprogramm über historische Themen und ist noch immer Redakteur dieses Programms. Publizierte zahlreiche Bücher, sowohl Biografien als auch Bücher über historische Themen, vor allem mit Bezug zur russischen Geschichte.