Die Ehedramen unserer Ururahnen
Wie unsere Vorfahren vor mehr als drei Millionen Jahren lebten, weiß niemand genau. Mit viel Phantasie und bunten Landschaftspanoramen lässt Sibylle Knauss die Vorfahren des Menschen auferstehen. Doch die Stärken dieses "Romans zum Darwin-Jahr" liegen vor allem in den eingeflochtenen Szenen aus dem Leben der bekannten Paläoanthropologin Mary Leakey.
Bei einer Dinner-Party in Cambridge lernen sie sich 1935 kennen, und sie verlieben sich ineinander. Trotz dringender Warnungen folgt die junge Studentin Mary dem Archäologen und notorischen Frauenhelden Louis Leakey nach Afrika. Es ist der Beginn einer lebenslangen Liebe und beruflichen Partnerschaft.
Die beiden schlagen ihr Lager am Rande der Serengeti auf, inmitten der Jagdgründe von Löwen, Hyänen und Schakalen. Ihre Funde revolutionieren die archäologischen Erkenntnisse der Zeit. Mit dem Schädel des "Nussknackermenschen" beweist Mary Leakey, dass die Wiege der Menschheit in Ostafrika lag und nicht, wie bisher gedacht, in Asien.
Ihren größten Coup landet sie, als sie die Spuren dreier zweibeiniger Wesen findet, einer Kleinfamilie von Vormenschen, die hier vor dreieinhalb Millionen Jahren durch die von Vulkanasche bedeckte Savanne geflüchtet waren. Soweit die historisch-biographischen Fakten, aus denen Sibylle Knauss einen spannenden Roman baute.
Sie verknüpft das Ehedrama mit Episoden aus der Welt unserer Vorfahren, der Hominiden, indem sie die Liebesgeschichte in der Geschichte der Evolution spiegelt. Damit hat die Professorin für Text und Dramaturgie an der Filmakademie Baden-Württemberg die Latte ziemlich hoch gelegt. Denn vom Leben aus der Vorgeschichte der Menschheit, vom Daseinskampf im Pliozän und im Pleistozän, ist außer ein paar versteinerten Zeugnissen nicht viel bekannt. Schon gar nichts wissen wir darüber, wie damals gehandelt, gedacht und gefühlt wurde. Das meiste ist also der Phantasie überlassen, und über die verfügt Sibylle Knauss reichlich.
Tatsächlich gelingt es ihr, unsere Urururahnen wieder auferstehen zu lassen. Anschaulich schildert sie, wie sie auf der Suche nach Nahrung in Horden unterwegs waren, ständig auf der Hut vor ihren Feinden, Raubtieren, Kälte, Hitze und Trockenheit, denn "Leben ist Entrinnen". Sie gibt ihnen Gesten, Mimik und die Anfänge einer Sprache, und sie zeigt, wie Mut und Klugheit auf die Welt kamen, denn "nichts ist tödlicher als dumm zu sein". Verweise auf die biblische Schöpfungsgeschichte, auf Schlangen, Bruderzwist und den Baum der Erkenntnis werden spielerisch dazwischen gestreut.
Und Knauss entwirft fabelhafte Schauplätze, die nicht so sehr Kulisse sind als vielmehr Element erzählerischer Inspiration. Man spürt in den Landschafts-Panoramen im Cinemascope-Format förmlich die allgegenwärtige Bedrohung. Man erlebt Not, Gefahren, Schutz und Rettung. Trotz großen Aufgebots an Imaginationskünsten beginnen sich die prähistorischen Szenen allerdings zu ähneln. Auch ist die Nähe zu Pathos und dem Litaneien-Ton der Bibel oft etwas störend. Was dem Buch aber Spannung verleiht, ist die Erfahrung, dass räumlich und zeitlich Fernes so nah wie eigenes Erleben sein kann.
Ein knappes Dutzend Romane hat Sibylle Knauss bisher geschrieben. Diese widmen sich zumeist ungewöhnlichen Frauenschicksalen wie schon ihr Erstling "Elise oder Lieben ist ein einsames Geschäft" (1981), der der zerstörerischen Verbindung zwischen dem Dramatiker Friedrich Hebbel und Elise Lensing nachgeht. In "Charlotte Corday" (1988) beschreibt sie fiktiv das Leben der Mörderin des französischen Revolutionärs Jean Paul Marat und in "Die Marquise de Sade" (2006) die Ehe des Wüstlings und Philosophen de Sade. Ihr größter internationaler Erfolg war im Jahr 2000 der Roman "Evas Cousine" über eine Verwandte der Hitler-Geliebten Eva Braun.
Knauss’ Talent erweist sich immer wieder in der gelungenen Kombination von Fakten und Fiktion. So auch in "Eden". Hier zeigt sie sich als Meisterin des biographischen Romans. Seine größten Stärken liegen nämlich im Lebensbild der Abenteurerin Mary Leakey. Darin funkeln Stil, Witz und Farbe.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Sibylle Knauss: Eden
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009
381 Seiten, 22 Euro
Die beiden schlagen ihr Lager am Rande der Serengeti auf, inmitten der Jagdgründe von Löwen, Hyänen und Schakalen. Ihre Funde revolutionieren die archäologischen Erkenntnisse der Zeit. Mit dem Schädel des "Nussknackermenschen" beweist Mary Leakey, dass die Wiege der Menschheit in Ostafrika lag und nicht, wie bisher gedacht, in Asien.
Ihren größten Coup landet sie, als sie die Spuren dreier zweibeiniger Wesen findet, einer Kleinfamilie von Vormenschen, die hier vor dreieinhalb Millionen Jahren durch die von Vulkanasche bedeckte Savanne geflüchtet waren. Soweit die historisch-biographischen Fakten, aus denen Sibylle Knauss einen spannenden Roman baute.
Sie verknüpft das Ehedrama mit Episoden aus der Welt unserer Vorfahren, der Hominiden, indem sie die Liebesgeschichte in der Geschichte der Evolution spiegelt. Damit hat die Professorin für Text und Dramaturgie an der Filmakademie Baden-Württemberg die Latte ziemlich hoch gelegt. Denn vom Leben aus der Vorgeschichte der Menschheit, vom Daseinskampf im Pliozän und im Pleistozän, ist außer ein paar versteinerten Zeugnissen nicht viel bekannt. Schon gar nichts wissen wir darüber, wie damals gehandelt, gedacht und gefühlt wurde. Das meiste ist also der Phantasie überlassen, und über die verfügt Sibylle Knauss reichlich.
Tatsächlich gelingt es ihr, unsere Urururahnen wieder auferstehen zu lassen. Anschaulich schildert sie, wie sie auf der Suche nach Nahrung in Horden unterwegs waren, ständig auf der Hut vor ihren Feinden, Raubtieren, Kälte, Hitze und Trockenheit, denn "Leben ist Entrinnen". Sie gibt ihnen Gesten, Mimik und die Anfänge einer Sprache, und sie zeigt, wie Mut und Klugheit auf die Welt kamen, denn "nichts ist tödlicher als dumm zu sein". Verweise auf die biblische Schöpfungsgeschichte, auf Schlangen, Bruderzwist und den Baum der Erkenntnis werden spielerisch dazwischen gestreut.
Und Knauss entwirft fabelhafte Schauplätze, die nicht so sehr Kulisse sind als vielmehr Element erzählerischer Inspiration. Man spürt in den Landschafts-Panoramen im Cinemascope-Format förmlich die allgegenwärtige Bedrohung. Man erlebt Not, Gefahren, Schutz und Rettung. Trotz großen Aufgebots an Imaginationskünsten beginnen sich die prähistorischen Szenen allerdings zu ähneln. Auch ist die Nähe zu Pathos und dem Litaneien-Ton der Bibel oft etwas störend. Was dem Buch aber Spannung verleiht, ist die Erfahrung, dass räumlich und zeitlich Fernes so nah wie eigenes Erleben sein kann.
Ein knappes Dutzend Romane hat Sibylle Knauss bisher geschrieben. Diese widmen sich zumeist ungewöhnlichen Frauenschicksalen wie schon ihr Erstling "Elise oder Lieben ist ein einsames Geschäft" (1981), der der zerstörerischen Verbindung zwischen dem Dramatiker Friedrich Hebbel und Elise Lensing nachgeht. In "Charlotte Corday" (1988) beschreibt sie fiktiv das Leben der Mörderin des französischen Revolutionärs Jean Paul Marat und in "Die Marquise de Sade" (2006) die Ehe des Wüstlings und Philosophen de Sade. Ihr größter internationaler Erfolg war im Jahr 2000 der Roman "Evas Cousine" über eine Verwandte der Hitler-Geliebten Eva Braun.
Knauss’ Talent erweist sich immer wieder in der gelungenen Kombination von Fakten und Fiktion. So auch in "Eden". Hier zeigt sie sich als Meisterin des biographischen Romans. Seine größten Stärken liegen nämlich im Lebensbild der Abenteurerin Mary Leakey. Darin funkeln Stil, Witz und Farbe.
Rezensiert von Edelgard Abenstein
Sibylle Knauss: Eden
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009
381 Seiten, 22 Euro