Die eigene Familiengeschichte zum Bestseller verarbeitet

Von Kim Kindermann |
Seit vor anderthalb Jahren sein Buch "Hundsköpfe" in Dänemark veröffentlicht wurde, gilt Morten Ramsland als die literarische Entdeckung Skandinaviens. "Hundsköpfe" erzählt die skurrile und amüsante Geschichte der Familie Eriksson, in der es Trunkenbolde gibt und Schmuggler; Künstler, Seemänner und Geschäftsleute, die jeweils mehr oder weniger das Sagen haben.
"Eigentlich habe ich die besten Geschichten meiner Familie genommen und eine bessere daraus gemacht."

Also, alles erfunden und doch nichts gelogen?

"Wie Bjørk im Roman war meine eigene Großmutter die Geschichtenerzählerin der Familie. Als ich klein war, hat sie mir viel über meine Familie und ihr Leben in Norwegen erzählt. Mir war immer bewusst, dass sich in der Geschichte meiner Familie eine Schatzkammer an Erzählungen verbirgt, mit denen ich irgendwann etwas anfangen würde."

Er habe mit diesen Geschichten gespielt, um "Hundsköpfe" zu schreiben, erzählt Morten Ramsland. Fiktion und Wirklichkeit habe er vermischt, um diese Familiensage zu schrieben, die fulminant mit der Flucht des Großvaters Askild aus einem deutschen Konzentrationslager beginnt und im hier und heute mit dem 34-jährigen Maler Asger endet.

"Wir stammen ursprünglich auch aus Norwegen und endeten dann in Dänemark wie die Familie im Buch auch. Mein Großvater war aus den gleichen Gründen wie Askild im Konzentrationslager, wegen Schmuggelei und andere krimineller Aktionen während des II. Weltkrieges. Als er zurückkehrte, war er ein gebrochener Mann, der viel trank. Wie Askild war er Ingenieur und er malte."

Auch Morten Ramsland malt Bilder, Familienporträts, wenn er nicht gerade schreibt. Noch so eine biographische Überschneidung. Doch das wäre dann tatsächlich die letzte, verspricht der mittelgroße, leicht untersetze 35-Jährige lachend. Schließlich leben seine Eltern - anders als seine Großeltern - noch und auch seine Schwester sollte sich nicht im Roman wiederfinden. Das hätte Stress bedeutet. Nicht nur mit der Familie, sondern auch für ihn beim Schreiben.

"Ich glaube, meine Familie und auch meine Schwester sehen den Roman als erfundene Geschichte an, wenngleich er ganz viel über die Atmosphäre und das emotionale Klima in unserer Familie erzählt."

Geboren wurde Morten Ramsland 1971 in Odense, der drittgrößten Stadt Dänemarks. Dort wuchs er zusammen mit seiner jüngeren Schwester auf. Seine Mutter arbeitete anfangs in einer Fabrik, holte aber - als Morten noch klein war - das Abitur nach und wurde Sozialarbeiterin. Der Vater war Rechnungsprüfer.

"Als Kind dachte ich, wir wären eine nette, glückliche Familie. Doch später in meinem Leben gab es eine Phase, in der ich mir viele Gedanken über meine Kindheit gemacht habe und das dann auch auf über hundert Seiten niederschrieb. Damals wurde mir klar, dass bei uns zuhause nicht alles so gelaufen ist, wie es in einer glücklichen Familie laufen sollte. Mittlerweile aber habe ich mich damit versöhnt und denke, es war eine ganz normale Kindheit mit guten wie schlechten Momenten, so wie bei vielen anderen auch."

Seine Liebe zur Literatur entdeckt Morten Ramsland mit 20 Jahren durch Zufall. Ein Freund leiht ihm einen Gedichtband, der sein Leben dramatisch ändert. Nicht mehr Naturwissenschafter will der begabte Biologieschüler jetzt werden, sondern Schriftsteller.

"Dieses Buch hat meine Ansicht über Literatur komplett umgekrempelt. Augenblicklich wurde mir klar, dass die Literatur mein Leben, meine Gefühle berührt wie nichts anders. Sofort habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben und das jeden Tag. Man kann wirklich sagen, das war der Wendepunkt in meinem Leben."

Noch während seines Dänisch- und Kunstgeschichtsstudiums veröffentlicht er Gedichte und seinen ersten Roman, der gelinde gesagt ein Flop wird. Bei Kritikern wie bei Lesern. Trotzdem: Morten Ramsland schreibt weiter. Am 2. Januar 2000 morgens um acht, weiß Morton noch ganz genau, beginnt er die Geschichte der Familie Eriksson aufzuschreiben.

"In den fünf Jahren, in denen ich an "Hundsköpfe" schrieb, habe ich parallel dazu einmal pro Woche, 24 Stunden lang, als Betreuer für eine behinderte Frau gearbeitet. Ich hatte also genug Zeit zum Schreiben."

Die sieben Quadratmeter seines Arbeitszimmers in der kleinen Wohnung in Aarhus, wo Morten Ramsland heute mit seiner Frau und den gemeinsamen zwei kleinen Kindern lebt, verlässt er kaum noch. Morten weiß, dies ist seine Geschichte. Sie muss erzählt werden und sie wird gut.

"Diese Lust am Schreiben hat ihre zwei Seiten, einerseits lebt man seine kreative Energie aus, andererseits kann man in eine Art Ruhelosigkeit verfallen, in der man an nichts anderes denken kann. Ich habe schon früh gemerkt, dass ich einen festen Zeitplan brauche, in dem ich arbeite, so dass ich in meiner Freizeit nicht ständig über meine Arbeit nachdenke."

Anders als Askild Eriksson, der patriarchalische Großvater aus "Hundsköpfe", der das eigene Trauma durch Prügel an seine Kinder und Kindeskinder weiter gibt, liebt der 35-jährige Däne nichts mehr, als mit seinen Kindern durch die Welt zu toben. Zuletzt waren sie in Chile und Kuba unterwegs. Drei Monate lang. Von dort hat Morten Ramsland eine neue Idee für einen Roman mitgebracht - vielleicht ja wieder eine genial, tragikomische Familiengeschichte? Eine die süchtig macht, wie "Hundsköpfe" eben auch.
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