"Die eigentliche Angst kam, als ich wieder zu Hause war"
Erst bei der Bundeswehr, dann als Zivilist: Der Komiker Kurt Krömer bereiste im Winter Afghanistan und hat seine Eindrücke in "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" verarbeitet. Die Bundeswehr, so Krömer, "ist abgeschlossen", aber privat werde er sicher noch einmal nach Kabul fliegen.
Dieter Kassel: Viele Menschen kennen Kurt Krömer von seinen Bühnenauftritten oder aus dem Fernsehen, seit zehn Jahren ist er da inzwischen zu sehen, manch einer erinnert sich an die "Internationale Show", inzwischen gibt es die "Krömer Late Night Show", und unter den Menschen, die ihn immer da sehr lustig finden, sind eindeutig auch Bundeswehrsoldaten. Deshalb hat er nämlich eine Einladung der Bundeswehr nach Afghanistan bekommen und dieser Einladung ist er, nachdem seine Bedingungen erfüllt wurden – darüber werden wir gleich auch reden – gefolgt. Und so entstand dann ein großes Interesse an diesem Land, ein so großes, dass er nach dem Soldatenbesuch noch mal nach Afghanistan gefahren ist, um dann – wenn man das in Afghanistan so nennen kann – die zivile Seite kennenzulernen. Über beide Reisen hat er ein Buch geschrieben, "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" heißt es, kommt diese Woche heraus, und deshalb ist Kurt Krömer jetzt bei uns im Studio. Schönen guten Tag erst mal!
Kurt Krömer: Guten Tag, hallo!
Kassel: Dass Komiker ein Buch schreiben, ist ja eigentlich nichts Ungewöhnliches, Sie haben das aber noch nie gemacht, jetzt zum ersten Mal. Warum denn überhaupt?
Krömer: Dass das Standard ist, ja, mir wurden viele Sachen angeboten, dass ich so ein Kochbuch schreibe oder irgendetwas Langweiliges, und dachte aber immer, ich schreibe erste ein Buch, wenn ich wirklich ein Thema habe, wo ich mich auch festbeißen kann, also was mich dann persönlich auch selber interessiert vom Thema her, und nicht einfach mit Blick auf Scheck irgendetwas machen.
Kassel: Warum haben Sie die Einladung der Bundeswehr überhaupt angenommen?
Krömer: Weil es so absurd war, weil ich Totalverweigerer bin und das eigentlich nicht passt, also ein Totalverweigerer, der sich aufgelehnt hat gegen das System Bundeswehr, der zwei Jahre untergetaucht ist. Da ist das äußerst absurd zu sagen, ja, ich gehe jetzt da hin. Also, das ist so die ganze Story des Buchs eigentlich, ich gehe dahin, wo ich Sachen, Menschen nicht verstehe, Situationen nicht verstehe, um einfach zu sagen, öffnet euch, erzählt mir mal was aus euerm Leben, ich verstehe es nicht!
Kassel: Ich habe schon gesagt, Sie haben ja Bedingungen gestellt. Dann sagen Sie doch erst mal, was hat die Bundeswehr ursprünglich vorgeschlagen und was haben Sie dann daraus gemacht?
Krömer: Na ja, wir haben also … Truppenbetreuung war das Erste, wo ich dachte, also, die Idee, die Vision ist beknackt, aber wo ich dachte, okay, wir machen das. Aber ich habe zur Bundeswehr gesagt, ich möchte da nicht einfach kommen und Truppenbetreuung machen, sondern ich möchte das aufnehmen. Also, ich möchte ein Kamerateam mitnehmen, da war noch ein Journalist von der "Zeit", der ist auch mitgekommen, der hatte noch einen Fotografen mit dabei. Also, wir sind da medial richtig gut aufgetrumpft irgendwie und ich habe gesagt, ich möchte alles, was ich erlebe, drehen. Also, die Bundeswehr, muss man sagen, war äußerst offen und hat uns alles machen lassen, was wir wollten.
Kassel: Hat das Ihr Bild von der Bundeswehr verändert?
Krömer: Also, es ist jetzt nicht so, dass ich jetzt von der Reise zurückgekommen bin und gesagt habe, ich habe mich damals geirrt, hätte ich bloß die Bundeswehr gemacht. Also, das ist nichts verrückt irgendwie, das ist so geblieben, dass das einfach so ein Apparat ist, der sehr altertümlich ist mit diesen Hierarchien und so, aber die Gespräche mit den Soldaten haben mir gezeigt, dass die halt andere Probleme haben, als sich da in Afghanistan darum zu kümmern, wer nun verweigert hat. Und es wurde viel monologisiert, also, man hat Soldaten angetippt und es ist ein epischer Monolog entstanden von manchmal einer Dreiviertelstunde, wo man auch gesehen hat, die haben ein starkes Bedürfnis zu sprechen halt.
Kassel: Hat das an der Antwort auf die Frage, ob dieser Bundeswehreinsatz in Afghanistan Sinn macht, irgendetwas geändert, dieser Besuch?
Krömer: Also, ich habe Soldaten gefragt, ich habe ja zwei Reisen, wie gesagt, gemacht, und das ist ja auch das Bild. Also, mir ging es ja auch um die Berichterstattung in Deutschland, dass, wenn wir, sagen wir mal, die "tagesschau" gucken, sehen wir einen Bericht über 1:30 Minuten, da sehen wir dann Soldaten sterben, Afghane gleich Taliban. Also, da sind sehr viele Vorurteile drin, die natürlich auch der Zeit geschuldet sind, man kann in 1:30 Minuten jetzt nicht den Krieg erklären. Und ich habe halt auch gedacht, jetzt übertrieben gesagt, wir werden da immer über Brunnen stürzen, weil die da nur Brunnen bauen und neue Schulen, und habe dann auch gefragt, wie seht ihr das?
Und im privaten Gespräch haben mir viele Soldaten gesagt, also, eigentlich hätte man 2004 schon abziehen können. Also, wir sind eigentlich nur da, um unseren eigenen Arsch zu retten. Also, von daher, das haben dann auch die Afghanen gesagt beim Besuch im zivilen Teil, die sehr gastfreundschaftlich sind und jetzt nicht sagen würden, die nerven, die müssen weg, aber es sind alle irgendwie der Meinung, seit 2004 hätte man eigentlich schon die Sachen packen können und wieder zurückziehen können.
Kassel: Sie sind bei dieser ersten Reise, bei der wir gerade noch sind, zur Bundeswehr dreimal aufgetreten, an drei verschiedenen Orten, glaube ich, auch relativ unterschiedliche Größen, diese Orte da.
Krömer: Das war relativ klein. Also, das war der erste Auftritt, war, deswegen habe ich auch in dem Buch so ein Kapitel geschrieben und reingeschrieben, dass mich das sehr erinnert an meine Anfangszeit. Also, der erste Saal, das war so ein improvisierter Kinoraum, wo die Soldaten Filme gucken. Und da haben, glaube ich, 65 oder 70 Leute reingepasst. Und beim zweiten Auftritt waren es, glaube ich, 200, und in Masar-i-Scharif, beim letzten Auftritt, waren es dann wirklich 500, 600. Aber da waren auch dann alle Nationalitäten zusammengemischt, also, da waren auch 300 Leute mit dabei, glaube ich, die gar nichts verstanden haben.
Kassel: Aber wie ist es denn, wenn man da auftritt? Der Unterschied ist ja, wenn in Deutschland jemand zu Ihrem Bühnenprogramm kommt oder eine der Fernsehsendungen einschaltet, inzwischen wissen die Leute ja, was man zu erwarten hat, und wer Kurt Krömer nun verdammt noch mal nicht witzig findet, geht da auch nicht hin, hört sich das nicht an.
Krömer: Ja, genau.
Kassel: Das muss doch anders gewesen sein, weil die sind doch bestimmt froh gewesen, dass irgendjemand da mal auftritt?
Krömer: Die waren auch verstört. Also, ich hatte diesen zweiten Auftritt, da hat ja ein Soldat gefragt, verdienst du mit der Scheiße Geld? Wo ich dann erst mal klargestellt habe, ich verdiene mit der Scheiße gar kein Geld …
Kassel: Übrigens, das hat mich überrascht, ist das wirklich so, man kriegt kein Geld, wenn man auf Einladung der Bundeswehr da auftritt?
Krömer: Na ja, klar, ich weiß jetzt auch nicht, was ich jetzt sagen soll, was ich jetzt für eine Hausnummer aufrufen soll, wenn ich jetzt sage, gibt es da eine Tabelle irgendwie, was nehme ich jetzt im Kriegsgebiet? Also, das ist völlig klar, dass es da nicht um Geld geht, wo ich einfach gesagt habe, ich drehe ja da auch und nehme das da so mit. Aber von den Auftritten her war es schon so, ich bin jetzt auch nicht Thomas Gottschalk, der irgendwie irgendwohin fährt und den alle kennen. Also, da waren natürlich auch beim zweiten Auftritt, glaube ich, waren es vielleicht 85 Prozent, wussten gar nicht, wer ich bin. Und das war äußerst verstörend. Also, der Auftritt lief, glaube ich, 60 Minuten und nach 50 Minuten war erst klar, das ist ein Humorprogramm!
Kassel: Haben Sie auch die ganz plumpen Sachen, die mir so einfielen, gemacht, also, hier ist eine Bombenstimmung, mal gucken, ob hier ein Gag einschlägt?
Krömer: Nein, das haben wir nicht gemacht. Also, mit dem Ziel bin ich ja auch nach Afghanistan gegangen, dass ich gesagt habe, ich möchte mich jetzt weder über Soldaten lustig machen, noch über das afghanische Volk, weil natürlich klar ist, da sind Tote auch, man redet den ganzen Tag über Tote, man redet über Sterben. Und von daher, das war klar, mich jetzt darüber lustig zu machen über Soldaten zum Beispiel, hätte ich ja auch in Berlin machen können, irgendwo auf dem Hinterhof, ich hätte das ein bisschen ausschmücken können, dass es aussieht wie eine Kaserne oder was weiß ich, was. Da muss man jetzt nicht nach Afghanistan fahren, um sich da lustig drüber zu machen, wie Soldaten so drauf sind.
Kassel: Bevor wir zu der zweiten Reise kommen, bleiben wir mit einer Frage noch bei der ersten: Hatten Sie eigentlich in diesen paar Tagen mal Angst? Also, jetzt nicht auf der Bühne, es gibt ja Schlimmeres, was einem passieren kann, als dass keiner lacht an so einem Ort!
Krömer: Ja. Angst klar, also, ich habe zugesehen, dass ich jetzt in dem Buch nicht immer beschrieben habe, wann und wo ich Angst hatte, weil man muss einfach sehen, da herrscht seit 30 Jahren Krieg und ich war jetzt für zwölf Tage da. Von daher ist es nicht angemessen, jetzt zu sagen, oh Gott, der feine Herr Krömer hat Angst. Die eigentliche – wenn wir darüber sprechen – Angst kam eigentlich danach, weil du wirklich so pickepackevoll bist mit Terminen, die du da hast, und mit Drehs und hier und da und ausdenken, auftreten, dass die eigentliche Angst kam, als ich wieder zu Hause war, wo ich dachte, oh Gott, was hätte eigentlich alles passieren können!
Kassel: Wir reden heute Nachmittag hier im Deutschlandradio Kultur mit dem Komiker Kurt Krömer über seine beiden Afghanistan-Reisen. Also reden wir jetzt über die zweite! Das war mitten im Winter, die Reise begann, glaube ich, am 30. oder 31. Januar …
Krömer: Wurde ein paar Mal verschoben aus Gründen, weil die Sicherheit nicht gewährleistet worden ist.
Kassel: Nach dieser Reise … Einzelheiten kann man im Buch nachlesen, aber Sie haben verschiedene Dinge gesehen und verschiedene Leute getroffen: Wissen Sie jetzt was über Afghanistan, was Sie aus den Fernsehnachrichten, der Zeitung und dem Internet vorher wirklich nicht wussten?
Krömer: Also, ich wusste vorher schon, dass jetzt nicht jeder Afghane bei der Taliban ist und sich da jeden Tag jetzt, dass sich da alle fünf Minuten Leute in die Luft sprengen. Aber das wurde noch mal klarer, dass das wirklich, Taliban, Afghanen wirklich, sollte man trennen, weil da sehr viele … davon erfährt man halt nichts und die Leute habe ich kennengelernt, die da einfach leben, die seit 30 Jahren – also, ich bin bald 40, wenn man jetzt überlegt, 30 Jahre davon hätte ich jetzt im Krieg gelebt … Es ist unvorstellbar. Und darum ging es eigentlich auch, dass man diese Menschen kennenlernt, dass man sagt, du, da sind ganz normale, in Anführungszeichen, Menschen, die einfach ihr Leben führen wollen und andauernd aufgehalten werden durch Ansagen, heute nicht das Haus verlassen, weil irgendwo ist jetzt jemand unterwegs, der sich gleich in die Luft sprengt!
Kassel: Sie wissen als Profi, dass nicht jeder, der was dazu sagen wird, dass Sie die beiden Afghanistan-Reisen gemacht haben, auch das Buch lesen wird. Wenn aber viele Leute sagen – Sie haben es ja vielleicht mitbekommen –, andere Geschichte, aber ähnliches Phänomen, Jan Josef Liefers war in Aleppo, um sich in Syrien umzutun, wird überwiegend beschimpft jetzt, dass er das gemacht hat. Haben Sie Angst davor, dass Ihnen das passiert jetzt?
Krömer: Ja, uns ist es ja passiert, dass die "Bild"-Zeitung sich gemeldet hat und gesagt hat, wir machen jetzt da, wir wollen das auf die Titelseite drauf machen und schickt uns mal ein schönes Foto von Kurt Krömer. Ich weiß nicht, was da ein schönes Foto dann wäre, irgendwie vielleicht stehend auf einem Panzer mit einer Pistole in der Luft, schießend irgendwie, und da steht dann drunter, er rettet die Ehre am Hindukusch oder so. Und da war uns klar, wir wollen das nicht bewerben. Also, wir haben das da relativ geheim gehalten, davon hat keiner was erfahren.
Und es ging bei der ganzen Geschichte jetzt nicht darum, dass ich jetzt mal ein schönes Bild habe, dass der feiste Komiker jetzt irgendwie mal nach Afghanistan fährt, ein Bild macht, das dann bei Facebook reinstellt und sagt, jetzt komme ich hier mit einer mordsmäßigen Erkenntnis zurück und habe alle gerettet oder bin unheimlich toll. Sondern der Plan war ja … Und das ging ja immer weiter, also, es war ja auch bei der Bundeswehr zum Beispiel, beim Besuch der Bundeswehr noch nicht klar, dass das ein Buch wird. Also, wir haben uns darüber unterhalten, ob wir ein Buch schreiben, wo ich dann gesagt habe, ja, wir können aber jetzt nicht aus dem, was wir bei der Bundeswehr erfahren haben, ein Buch machen.
Das wäre dann so ein Ding, da hätten alle gesagt, pro Bundeswehr, oder warum jetzt nur Bundeswehr, du bist doch in Afghanistan, warum bist du nicht raus aus dem Camp? Und von daher kam mir die Idee, dass ich gesagt habe, ja, nach der ersten Reise, ich möchte ein Buch schreiben, aber dann müssen wir noch mal nach Afghanistan!
Kassel: Ist jetzt Afghanistan, das Buch ist raus, Sie reden natürlich jetzt darüber, nicht nur mit mir, aber ist Afghanistan für Sie jetzt abgeschlossen oder geht die Geschichte irgendwie weiter?
Krömer: Die Bundeswehr, da kann ich mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, ist abgeschlossen. Also, ich muss jetzt nicht noch mal irgendwo hin und jetzt Truppenbetreuung machen und dann da wieder drehen und da ein Buch drüber schreiben. Aber ich habe in Kabul viele Leute kennengelernt, wo es einfach auch für mich privat interessant ist, sag mal, wie geht es euch jetzt und wie wird das vonstatten gehen mit dem Abzug der Truppen 2014, dass ich da noch mal hinfliege, auf jeden Fall, ja. Aber es wird dann keine Fortsetzung geben, dass ich sage, es gibt jetzt eine Erweiterung oder jetzt kommt das noch mal in die Sendung mit rein, sondern das wird dann privat ablaufen.
Kassel: Insofern sollte man nicht nur das neue, sondern auch das einzige Buch zum Thema noch mal erwähnen: "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" heißt es, Kurt Krömer beschreibt darin seine beiden Afghanistan-Reisen. Es erscheint in dieser Woche, wir haben das jetzt brandaktuell besprochen …
Krömer: Ja, am 20., ja.
Kassel: Also, aber die Buchhandlungen und andere sind da nicht immer so genau, es kommt diese Woche irgendwann mal raus, ist zur Verfügung …
Krömer: Es ist fertig, also, es könnte am 20. kommen, und wir hoffen, dass es auch der Fall ist.
Kassel: Ich habe eins, und das sieht gut aus.
Krömer: Sie haben es ja schon in der Hand, wenn nicht, dann reichen wir das herum!
Kassel: Ich sage jetzt endlich den Verlag, das muss man machen an der Stelle, Kiepenheuer & Witsch, als Taschenbuch ist es erschienen. Kurt Krömer, danke, dass Sie da waren!
Krömer: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Kurt Krömer: Guten Tag, hallo!
Kassel: Dass Komiker ein Buch schreiben, ist ja eigentlich nichts Ungewöhnliches, Sie haben das aber noch nie gemacht, jetzt zum ersten Mal. Warum denn überhaupt?
Krömer: Dass das Standard ist, ja, mir wurden viele Sachen angeboten, dass ich so ein Kochbuch schreibe oder irgendetwas Langweiliges, und dachte aber immer, ich schreibe erste ein Buch, wenn ich wirklich ein Thema habe, wo ich mich auch festbeißen kann, also was mich dann persönlich auch selber interessiert vom Thema her, und nicht einfach mit Blick auf Scheck irgendetwas machen.
Kassel: Warum haben Sie die Einladung der Bundeswehr überhaupt angenommen?
Krömer: Weil es so absurd war, weil ich Totalverweigerer bin und das eigentlich nicht passt, also ein Totalverweigerer, der sich aufgelehnt hat gegen das System Bundeswehr, der zwei Jahre untergetaucht ist. Da ist das äußerst absurd zu sagen, ja, ich gehe jetzt da hin. Also, das ist so die ganze Story des Buchs eigentlich, ich gehe dahin, wo ich Sachen, Menschen nicht verstehe, Situationen nicht verstehe, um einfach zu sagen, öffnet euch, erzählt mir mal was aus euerm Leben, ich verstehe es nicht!
Kassel: Ich habe schon gesagt, Sie haben ja Bedingungen gestellt. Dann sagen Sie doch erst mal, was hat die Bundeswehr ursprünglich vorgeschlagen und was haben Sie dann daraus gemacht?
Krömer: Na ja, wir haben also … Truppenbetreuung war das Erste, wo ich dachte, also, die Idee, die Vision ist beknackt, aber wo ich dachte, okay, wir machen das. Aber ich habe zur Bundeswehr gesagt, ich möchte da nicht einfach kommen und Truppenbetreuung machen, sondern ich möchte das aufnehmen. Also, ich möchte ein Kamerateam mitnehmen, da war noch ein Journalist von der "Zeit", der ist auch mitgekommen, der hatte noch einen Fotografen mit dabei. Also, wir sind da medial richtig gut aufgetrumpft irgendwie und ich habe gesagt, ich möchte alles, was ich erlebe, drehen. Also, die Bundeswehr, muss man sagen, war äußerst offen und hat uns alles machen lassen, was wir wollten.
Kassel: Hat das Ihr Bild von der Bundeswehr verändert?
Krömer: Also, es ist jetzt nicht so, dass ich jetzt von der Reise zurückgekommen bin und gesagt habe, ich habe mich damals geirrt, hätte ich bloß die Bundeswehr gemacht. Also, das ist nichts verrückt irgendwie, das ist so geblieben, dass das einfach so ein Apparat ist, der sehr altertümlich ist mit diesen Hierarchien und so, aber die Gespräche mit den Soldaten haben mir gezeigt, dass die halt andere Probleme haben, als sich da in Afghanistan darum zu kümmern, wer nun verweigert hat. Und es wurde viel monologisiert, also, man hat Soldaten angetippt und es ist ein epischer Monolog entstanden von manchmal einer Dreiviertelstunde, wo man auch gesehen hat, die haben ein starkes Bedürfnis zu sprechen halt.
Kassel: Hat das an der Antwort auf die Frage, ob dieser Bundeswehreinsatz in Afghanistan Sinn macht, irgendetwas geändert, dieser Besuch?
Krömer: Also, ich habe Soldaten gefragt, ich habe ja zwei Reisen, wie gesagt, gemacht, und das ist ja auch das Bild. Also, mir ging es ja auch um die Berichterstattung in Deutschland, dass, wenn wir, sagen wir mal, die "tagesschau" gucken, sehen wir einen Bericht über 1:30 Minuten, da sehen wir dann Soldaten sterben, Afghane gleich Taliban. Also, da sind sehr viele Vorurteile drin, die natürlich auch der Zeit geschuldet sind, man kann in 1:30 Minuten jetzt nicht den Krieg erklären. Und ich habe halt auch gedacht, jetzt übertrieben gesagt, wir werden da immer über Brunnen stürzen, weil die da nur Brunnen bauen und neue Schulen, und habe dann auch gefragt, wie seht ihr das?
Und im privaten Gespräch haben mir viele Soldaten gesagt, also, eigentlich hätte man 2004 schon abziehen können. Also, wir sind eigentlich nur da, um unseren eigenen Arsch zu retten. Also, von daher, das haben dann auch die Afghanen gesagt beim Besuch im zivilen Teil, die sehr gastfreundschaftlich sind und jetzt nicht sagen würden, die nerven, die müssen weg, aber es sind alle irgendwie der Meinung, seit 2004 hätte man eigentlich schon die Sachen packen können und wieder zurückziehen können.
Kassel: Sie sind bei dieser ersten Reise, bei der wir gerade noch sind, zur Bundeswehr dreimal aufgetreten, an drei verschiedenen Orten, glaube ich, auch relativ unterschiedliche Größen, diese Orte da.
Krömer: Das war relativ klein. Also, das war der erste Auftritt, war, deswegen habe ich auch in dem Buch so ein Kapitel geschrieben und reingeschrieben, dass mich das sehr erinnert an meine Anfangszeit. Also, der erste Saal, das war so ein improvisierter Kinoraum, wo die Soldaten Filme gucken. Und da haben, glaube ich, 65 oder 70 Leute reingepasst. Und beim zweiten Auftritt waren es, glaube ich, 200, und in Masar-i-Scharif, beim letzten Auftritt, waren es dann wirklich 500, 600. Aber da waren auch dann alle Nationalitäten zusammengemischt, also, da waren auch 300 Leute mit dabei, glaube ich, die gar nichts verstanden haben.
Kassel: Aber wie ist es denn, wenn man da auftritt? Der Unterschied ist ja, wenn in Deutschland jemand zu Ihrem Bühnenprogramm kommt oder eine der Fernsehsendungen einschaltet, inzwischen wissen die Leute ja, was man zu erwarten hat, und wer Kurt Krömer nun verdammt noch mal nicht witzig findet, geht da auch nicht hin, hört sich das nicht an.
Krömer: Ja, genau.
Kassel: Das muss doch anders gewesen sein, weil die sind doch bestimmt froh gewesen, dass irgendjemand da mal auftritt?
Krömer: Die waren auch verstört. Also, ich hatte diesen zweiten Auftritt, da hat ja ein Soldat gefragt, verdienst du mit der Scheiße Geld? Wo ich dann erst mal klargestellt habe, ich verdiene mit der Scheiße gar kein Geld …
Kassel: Übrigens, das hat mich überrascht, ist das wirklich so, man kriegt kein Geld, wenn man auf Einladung der Bundeswehr da auftritt?
Krömer: Na ja, klar, ich weiß jetzt auch nicht, was ich jetzt sagen soll, was ich jetzt für eine Hausnummer aufrufen soll, wenn ich jetzt sage, gibt es da eine Tabelle irgendwie, was nehme ich jetzt im Kriegsgebiet? Also, das ist völlig klar, dass es da nicht um Geld geht, wo ich einfach gesagt habe, ich drehe ja da auch und nehme das da so mit. Aber von den Auftritten her war es schon so, ich bin jetzt auch nicht Thomas Gottschalk, der irgendwie irgendwohin fährt und den alle kennen. Also, da waren natürlich auch beim zweiten Auftritt, glaube ich, waren es vielleicht 85 Prozent, wussten gar nicht, wer ich bin. Und das war äußerst verstörend. Also, der Auftritt lief, glaube ich, 60 Minuten und nach 50 Minuten war erst klar, das ist ein Humorprogramm!
Kassel: Haben Sie auch die ganz plumpen Sachen, die mir so einfielen, gemacht, also, hier ist eine Bombenstimmung, mal gucken, ob hier ein Gag einschlägt?
Krömer: Nein, das haben wir nicht gemacht. Also, mit dem Ziel bin ich ja auch nach Afghanistan gegangen, dass ich gesagt habe, ich möchte mich jetzt weder über Soldaten lustig machen, noch über das afghanische Volk, weil natürlich klar ist, da sind Tote auch, man redet den ganzen Tag über Tote, man redet über Sterben. Und von daher, das war klar, mich jetzt darüber lustig zu machen über Soldaten zum Beispiel, hätte ich ja auch in Berlin machen können, irgendwo auf dem Hinterhof, ich hätte das ein bisschen ausschmücken können, dass es aussieht wie eine Kaserne oder was weiß ich, was. Da muss man jetzt nicht nach Afghanistan fahren, um sich da lustig drüber zu machen, wie Soldaten so drauf sind.
Kassel: Bevor wir zu der zweiten Reise kommen, bleiben wir mit einer Frage noch bei der ersten: Hatten Sie eigentlich in diesen paar Tagen mal Angst? Also, jetzt nicht auf der Bühne, es gibt ja Schlimmeres, was einem passieren kann, als dass keiner lacht an so einem Ort!
Krömer: Ja. Angst klar, also, ich habe zugesehen, dass ich jetzt in dem Buch nicht immer beschrieben habe, wann und wo ich Angst hatte, weil man muss einfach sehen, da herrscht seit 30 Jahren Krieg und ich war jetzt für zwölf Tage da. Von daher ist es nicht angemessen, jetzt zu sagen, oh Gott, der feine Herr Krömer hat Angst. Die eigentliche – wenn wir darüber sprechen – Angst kam eigentlich danach, weil du wirklich so pickepackevoll bist mit Terminen, die du da hast, und mit Drehs und hier und da und ausdenken, auftreten, dass die eigentliche Angst kam, als ich wieder zu Hause war, wo ich dachte, oh Gott, was hätte eigentlich alles passieren können!
Kassel: Wir reden heute Nachmittag hier im Deutschlandradio Kultur mit dem Komiker Kurt Krömer über seine beiden Afghanistan-Reisen. Also reden wir jetzt über die zweite! Das war mitten im Winter, die Reise begann, glaube ich, am 30. oder 31. Januar …
Krömer: Wurde ein paar Mal verschoben aus Gründen, weil die Sicherheit nicht gewährleistet worden ist.
Kassel: Nach dieser Reise … Einzelheiten kann man im Buch nachlesen, aber Sie haben verschiedene Dinge gesehen und verschiedene Leute getroffen: Wissen Sie jetzt was über Afghanistan, was Sie aus den Fernsehnachrichten, der Zeitung und dem Internet vorher wirklich nicht wussten?
Krömer: Also, ich wusste vorher schon, dass jetzt nicht jeder Afghane bei der Taliban ist und sich da jeden Tag jetzt, dass sich da alle fünf Minuten Leute in die Luft sprengen. Aber das wurde noch mal klarer, dass das wirklich, Taliban, Afghanen wirklich, sollte man trennen, weil da sehr viele … davon erfährt man halt nichts und die Leute habe ich kennengelernt, die da einfach leben, die seit 30 Jahren – also, ich bin bald 40, wenn man jetzt überlegt, 30 Jahre davon hätte ich jetzt im Krieg gelebt … Es ist unvorstellbar. Und darum ging es eigentlich auch, dass man diese Menschen kennenlernt, dass man sagt, du, da sind ganz normale, in Anführungszeichen, Menschen, die einfach ihr Leben führen wollen und andauernd aufgehalten werden durch Ansagen, heute nicht das Haus verlassen, weil irgendwo ist jetzt jemand unterwegs, der sich gleich in die Luft sprengt!
Kassel: Sie wissen als Profi, dass nicht jeder, der was dazu sagen wird, dass Sie die beiden Afghanistan-Reisen gemacht haben, auch das Buch lesen wird. Wenn aber viele Leute sagen – Sie haben es ja vielleicht mitbekommen –, andere Geschichte, aber ähnliches Phänomen, Jan Josef Liefers war in Aleppo, um sich in Syrien umzutun, wird überwiegend beschimpft jetzt, dass er das gemacht hat. Haben Sie Angst davor, dass Ihnen das passiert jetzt?
Krömer: Ja, uns ist es ja passiert, dass die "Bild"-Zeitung sich gemeldet hat und gesagt hat, wir machen jetzt da, wir wollen das auf die Titelseite drauf machen und schickt uns mal ein schönes Foto von Kurt Krömer. Ich weiß nicht, was da ein schönes Foto dann wäre, irgendwie vielleicht stehend auf einem Panzer mit einer Pistole in der Luft, schießend irgendwie, und da steht dann drunter, er rettet die Ehre am Hindukusch oder so. Und da war uns klar, wir wollen das nicht bewerben. Also, wir haben das da relativ geheim gehalten, davon hat keiner was erfahren.
Und es ging bei der ganzen Geschichte jetzt nicht darum, dass ich jetzt mal ein schönes Bild habe, dass der feiste Komiker jetzt irgendwie mal nach Afghanistan fährt, ein Bild macht, das dann bei Facebook reinstellt und sagt, jetzt komme ich hier mit einer mordsmäßigen Erkenntnis zurück und habe alle gerettet oder bin unheimlich toll. Sondern der Plan war ja … Und das ging ja immer weiter, also, es war ja auch bei der Bundeswehr zum Beispiel, beim Besuch der Bundeswehr noch nicht klar, dass das ein Buch wird. Also, wir haben uns darüber unterhalten, ob wir ein Buch schreiben, wo ich dann gesagt habe, ja, wir können aber jetzt nicht aus dem, was wir bei der Bundeswehr erfahren haben, ein Buch machen.
Das wäre dann so ein Ding, da hätten alle gesagt, pro Bundeswehr, oder warum jetzt nur Bundeswehr, du bist doch in Afghanistan, warum bist du nicht raus aus dem Camp? Und von daher kam mir die Idee, dass ich gesagt habe, ja, nach der ersten Reise, ich möchte ein Buch schreiben, aber dann müssen wir noch mal nach Afghanistan!
Kassel: Ist jetzt Afghanistan, das Buch ist raus, Sie reden natürlich jetzt darüber, nicht nur mit mir, aber ist Afghanistan für Sie jetzt abgeschlossen oder geht die Geschichte irgendwie weiter?
Krömer: Die Bundeswehr, da kann ich mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, ist abgeschlossen. Also, ich muss jetzt nicht noch mal irgendwo hin und jetzt Truppenbetreuung machen und dann da wieder drehen und da ein Buch drüber schreiben. Aber ich habe in Kabul viele Leute kennengelernt, wo es einfach auch für mich privat interessant ist, sag mal, wie geht es euch jetzt und wie wird das vonstatten gehen mit dem Abzug der Truppen 2014, dass ich da noch mal hinfliege, auf jeden Fall, ja. Aber es wird dann keine Fortsetzung geben, dass ich sage, es gibt jetzt eine Erweiterung oder jetzt kommt das noch mal in die Sendung mit rein, sondern das wird dann privat ablaufen.
Kassel: Insofern sollte man nicht nur das neue, sondern auch das einzige Buch zum Thema noch mal erwähnen: "Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will" heißt es, Kurt Krömer beschreibt darin seine beiden Afghanistan-Reisen. Es erscheint in dieser Woche, wir haben das jetzt brandaktuell besprochen …
Krömer: Ja, am 20., ja.
Kassel: Also, aber die Buchhandlungen und andere sind da nicht immer so genau, es kommt diese Woche irgendwann mal raus, ist zur Verfügung …
Krömer: Es ist fertig, also, es könnte am 20. kommen, und wir hoffen, dass es auch der Fall ist.
Kassel: Ich habe eins, und das sieht gut aus.
Krömer: Sie haben es ja schon in der Hand, wenn nicht, dann reichen wir das herum!
Kassel: Ich sage jetzt endlich den Verlag, das muss man machen an der Stelle, Kiepenheuer & Witsch, als Taschenbuch ist es erschienen. Kurt Krömer, danke, dass Sie da waren!
Krömer: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.