Die Einsamkeit des Schreibens
Er hat ein Gespür für die Spannung im Unspektakulären und für leise menschliche Töne: Bernd Lange schreibt Drehbücher - zuletzt für den Berlinale-Film "Was bleibt". Doch trotz des Festival-Rummels ist Lange kein Mann, der den Glamour sucht.
"Wisst ihr, ich bin es ja gewöhnt, mit Glacéhandschuhen angefasst zu werden. Das ist allerdings mit den Tabletten leichter zu ertragen, da kriegt man das nicht so mit. Also was darf ich denn heute wieder nicht erfahren?" "Jakob komm mal mit!" "Nein Jakob bleibt jetzt hier!" "Es ist nicht so schlimm wie du denkst."
Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Konflikte eskalieren an Kleinigkeiten, die Söhne und der Ehemann sind fassungslos. Der deutsche Film "Was bleibt" zeigt eine Familie zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit und ganz tiefer Verunsicherung:
"Wir haben versucht, eine Familie zu beschreiben, die eigentlich ganz gewöhnlich ist und versucht, ohne große Spannungsmomente, wie man sie vielleicht aus Filmen wie 'Das Fest' kennt, etwas entstehen zu lassen in einer Familie, das wie ein Schwelbrand eine Familie zum Einstürzen bringt, das eine Familie verändert - und dass eigentlich eine neue Familie daraus entsteht."
Drehbuchautor Bernd Lange hat ein Gespür für die Spannung im Unspektakulären und für leise menschliche Töne. Bekannt wurden seine wichtigsten Filme, "Requiem", "Sturm" und "Was bleibt" unter dem Namen ihres Regisseurs Hans-Christian Schmid. Diese Rolle im Hintergrund akzeptiert der 37-jährige Autor allerdings gerne, besonders nach eigenen Regieerfahrungen bei Kurzfilmen und bei dem Fernsehspiel "Rabenbrüder":
"Bei meinem ersten langen Film habe ich für mich festgestellt, dass ich eigentlich die Einsamkeit des Schreibens sehr, sehr schätze und nicht unbedingt gerne verantwortlich bin für 40 Leute an einem Set. Wobei die Erfahrung mit Schauspielern, Texte möglichst glaubhaft zum Leben zu bringen, fürs Schreiben ein unschätzbarer Zugewinn war."
In seinem Büro in einer Berliner Erdgeschosswohnung hat er sich die für die Einsamkeit des Schreibens notwendige Atmosphäre geschaffen: schlichte weiße Wände, kein Internetzugang und den Blick in einen stillen Hinterhof. Im Sommer, erzählt Bernd Lange, höre man hier sogar die Schafe aus dem Kinderzoo im Volkspark Hasenheide. Die Ruhe und sein hageres ausdrucksstarkes Gesicht verbreiten eine fast klösterlich-meditative Atmosphäre:
"Das muss man nicht nur aushalten können, sondern, das muss man wirklich schätzen, irgendwie über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen jeden Tag fünf bis sechs Stunden allein zu sein und Dinge zu Papier zu bringen. Wenn man das als Qual empfindet, ist es glaube ich, sehr schwer."
Er kommt aus einem kleinen Dorf, aus, wie er selber sagt, "kleinbürgerlichen Verhältnissen." Seine von der Literatur besessene Großmutter weckte auch in ihm die Begeisterung fürs Schreiben. Später kam beinahe zufällig der Film dazu:
"Ich war mit Mitte 20 immer noch ziemlich orientierungslos und habe mich so durchs Leben geschlagen und ein Freund von mir sagte: Schreib doch Drehbücher, studier doch Drehbuch, irgendwie, die sucht man händeringend und du kannst doch schreiben."
Er studierte Drehbuch und szenisches Schreiben an der Filmakademie Ludwigsburg und machte 2003 seinen Abschluss. 2006 kam die erste gemeinsame Arbeit mit dem neun Jahre älteren Regisseur Hans-Christian Schmid in die Kinos: "Requiem" erzählt einen authentischen Fall aus den 1970er-Jahren: Die Eltern einer seelisch angeschlagenen Studentin holten den Exorzisten und die junge Frau starb ein Jahr später. Der Film vermeidet alle Horroreffekte und reflektiert stattdessen über gesellschaftliche Hilflosigkeit.
"Unsere Auslegung war, dass sie in dieser Welt keinen Platz erhalten hatte und sich dadurch im Zuge ihrer durch Epilepsie wahrscheinlich entstehende Psychose in einen religiösen Wahn geflüchtet hat. Walter Schmiedinger, der die Rolle eines der beiden Pfarrer spielt, hat mal gesagt: Alle versuchen ihr zu helfen, so lange bis sie tot ist. Und das trifft das Ganze glaube ich auf den Kopf."
Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit probierten sie ein anderes Genre aus und 2009 lief der Politthriller "Sturm" auf der Berlinale. Es geht um die Jagd des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag nach Kriegsverbrechern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ein vielschichtiges Thema, dass immer wieder von aktuellen Ereignissen überholt wurde.
"Und dadurch fing ein fast bis zu dem Beginn der Drehbucharbeiten dauernder Rechercheprozess an, der sich immer wieder mit Schreibperioden abgewechselt hat, wo man versucht hat, möglichst genau die Dinge zu beschreiben, die sich momentan in Den Haag oder auf dem Balkan ereignen und eine Verschränkung von eigentlich ganz naturalistischem Erzählen über gegenwärtige Probleme mit Genreelementen zu kreuzen. Im Vordergrund stand für uns dabei aber immer die Geschichte von zwei Frauen, die versuchen ihren Platz in der Welt zu finden. Insofern gibt es schon Überschneidungen zu 'Requiem'."
Auch in ihrem dritten Film "Was bleibt" erzählen Schmid und Lange vom Umbruch und vom Zusammenbruch, der im scheinbar Harmonischen und Normalen liegt, erzählen vom tiefen Riss in der Idylle. Bei allem Erfolg der gemeinsamen Projekte will sich Bernd Lange aber nicht auf einen Stil und einen Filmemacher beschränken.
"Jeder muss, glaube ich auch, sich immer wieder aus diesen festen Beziehungen lösen und Freundschaften und Arbeitsbeziehungen mit anderen Menschen eingehen. Dadurch entstehen auch veränderte Sichtweisen. Die Filme, die ich zum Beispiel mit Matti Geschonneck gemacht habe, sind natürlich ganz anders, weil zwischen Matti und mir ganz andere Dinge verhandelt werden und entstehen, und sicher bringt man solche Erfahrungen dann auch wieder zurück in ein längst bestehendes Arbeitsverhältnis und arbeitet weiter."
Ein Arbeitsverhältnis, bei dem der Drehbuchautor, wenn überhaupt an dritter oder vierter Stelle genannt wird. Die im Dunkeln sieht man nicht, Drehbücher sind Funktionsliteratur, für die wohl niemals ein Literaturnobelpreis vergeben werden wird. Aber auch das, sagt Bernd Lange, ist Teil der Arbeit:
""Dieser Schutzgedanke von einem literarischen Kunstwerk, dass dann auch sozusagen für sich steht und mit dem sich dann die Menschen auseinandersetzen, den gibt's beim Drehbuch nicht. Das Drehbuch landet zu Recht - und das meine ich ganz ernst - am Ende der Dreharbeiten im Mülleimer. Und da gehört es auch hin."
Gesamtübersicht: Unser Programm zur 62. Berlinale -
Alle Infos zum Filmfestival bei dradio.de
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Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Konflikte eskalieren an Kleinigkeiten, die Söhne und der Ehemann sind fassungslos. Der deutsche Film "Was bleibt" zeigt eine Familie zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit und ganz tiefer Verunsicherung:
"Wir haben versucht, eine Familie zu beschreiben, die eigentlich ganz gewöhnlich ist und versucht, ohne große Spannungsmomente, wie man sie vielleicht aus Filmen wie 'Das Fest' kennt, etwas entstehen zu lassen in einer Familie, das wie ein Schwelbrand eine Familie zum Einstürzen bringt, das eine Familie verändert - und dass eigentlich eine neue Familie daraus entsteht."
Drehbuchautor Bernd Lange hat ein Gespür für die Spannung im Unspektakulären und für leise menschliche Töne. Bekannt wurden seine wichtigsten Filme, "Requiem", "Sturm" und "Was bleibt" unter dem Namen ihres Regisseurs Hans-Christian Schmid. Diese Rolle im Hintergrund akzeptiert der 37-jährige Autor allerdings gerne, besonders nach eigenen Regieerfahrungen bei Kurzfilmen und bei dem Fernsehspiel "Rabenbrüder":
"Bei meinem ersten langen Film habe ich für mich festgestellt, dass ich eigentlich die Einsamkeit des Schreibens sehr, sehr schätze und nicht unbedingt gerne verantwortlich bin für 40 Leute an einem Set. Wobei die Erfahrung mit Schauspielern, Texte möglichst glaubhaft zum Leben zu bringen, fürs Schreiben ein unschätzbarer Zugewinn war."
In seinem Büro in einer Berliner Erdgeschosswohnung hat er sich die für die Einsamkeit des Schreibens notwendige Atmosphäre geschaffen: schlichte weiße Wände, kein Internetzugang und den Blick in einen stillen Hinterhof. Im Sommer, erzählt Bernd Lange, höre man hier sogar die Schafe aus dem Kinderzoo im Volkspark Hasenheide. Die Ruhe und sein hageres ausdrucksstarkes Gesicht verbreiten eine fast klösterlich-meditative Atmosphäre:
"Das muss man nicht nur aushalten können, sondern, das muss man wirklich schätzen, irgendwie über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen jeden Tag fünf bis sechs Stunden allein zu sein und Dinge zu Papier zu bringen. Wenn man das als Qual empfindet, ist es glaube ich, sehr schwer."
Er kommt aus einem kleinen Dorf, aus, wie er selber sagt, "kleinbürgerlichen Verhältnissen." Seine von der Literatur besessene Großmutter weckte auch in ihm die Begeisterung fürs Schreiben. Später kam beinahe zufällig der Film dazu:
"Ich war mit Mitte 20 immer noch ziemlich orientierungslos und habe mich so durchs Leben geschlagen und ein Freund von mir sagte: Schreib doch Drehbücher, studier doch Drehbuch, irgendwie, die sucht man händeringend und du kannst doch schreiben."
Er studierte Drehbuch und szenisches Schreiben an der Filmakademie Ludwigsburg und machte 2003 seinen Abschluss. 2006 kam die erste gemeinsame Arbeit mit dem neun Jahre älteren Regisseur Hans-Christian Schmid in die Kinos: "Requiem" erzählt einen authentischen Fall aus den 1970er-Jahren: Die Eltern einer seelisch angeschlagenen Studentin holten den Exorzisten und die junge Frau starb ein Jahr später. Der Film vermeidet alle Horroreffekte und reflektiert stattdessen über gesellschaftliche Hilflosigkeit.
"Unsere Auslegung war, dass sie in dieser Welt keinen Platz erhalten hatte und sich dadurch im Zuge ihrer durch Epilepsie wahrscheinlich entstehende Psychose in einen religiösen Wahn geflüchtet hat. Walter Schmiedinger, der die Rolle eines der beiden Pfarrer spielt, hat mal gesagt: Alle versuchen ihr zu helfen, so lange bis sie tot ist. Und das trifft das Ganze glaube ich auf den Kopf."
Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit probierten sie ein anderes Genre aus und 2009 lief der Politthriller "Sturm" auf der Berlinale. Es geht um die Jagd des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag nach Kriegsverbrechern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ein vielschichtiges Thema, dass immer wieder von aktuellen Ereignissen überholt wurde.
"Und dadurch fing ein fast bis zu dem Beginn der Drehbucharbeiten dauernder Rechercheprozess an, der sich immer wieder mit Schreibperioden abgewechselt hat, wo man versucht hat, möglichst genau die Dinge zu beschreiben, die sich momentan in Den Haag oder auf dem Balkan ereignen und eine Verschränkung von eigentlich ganz naturalistischem Erzählen über gegenwärtige Probleme mit Genreelementen zu kreuzen. Im Vordergrund stand für uns dabei aber immer die Geschichte von zwei Frauen, die versuchen ihren Platz in der Welt zu finden. Insofern gibt es schon Überschneidungen zu 'Requiem'."
Auch in ihrem dritten Film "Was bleibt" erzählen Schmid und Lange vom Umbruch und vom Zusammenbruch, der im scheinbar Harmonischen und Normalen liegt, erzählen vom tiefen Riss in der Idylle. Bei allem Erfolg der gemeinsamen Projekte will sich Bernd Lange aber nicht auf einen Stil und einen Filmemacher beschränken.
"Jeder muss, glaube ich auch, sich immer wieder aus diesen festen Beziehungen lösen und Freundschaften und Arbeitsbeziehungen mit anderen Menschen eingehen. Dadurch entstehen auch veränderte Sichtweisen. Die Filme, die ich zum Beispiel mit Matti Geschonneck gemacht habe, sind natürlich ganz anders, weil zwischen Matti und mir ganz andere Dinge verhandelt werden und entstehen, und sicher bringt man solche Erfahrungen dann auch wieder zurück in ein längst bestehendes Arbeitsverhältnis und arbeitet weiter."
Ein Arbeitsverhältnis, bei dem der Drehbuchautor, wenn überhaupt an dritter oder vierter Stelle genannt wird. Die im Dunkeln sieht man nicht, Drehbücher sind Funktionsliteratur, für die wohl niemals ein Literaturnobelpreis vergeben werden wird. Aber auch das, sagt Bernd Lange, ist Teil der Arbeit:
""Dieser Schutzgedanke von einem literarischen Kunstwerk, dass dann auch sozusagen für sich steht und mit dem sich dann die Menschen auseinandersetzen, den gibt's beim Drehbuch nicht. Das Drehbuch landet zu Recht - und das meine ich ganz ernst - am Ende der Dreharbeiten im Mülleimer. Und da gehört es auch hin."
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