Die elektronische Nase

Von Thomas Migge |
Bereits vor einigen Jahren wurde von einem italienischen Weinproduzenten eine künstliche Nase entwickelt, um die Qualität von Weinen zu bestimmten. Das Gerät aber konnte die Erwartungen nicht erfüllen und war ein Flop. Anders scheint es nun um eine neuentwickelte Kunstnase bestellt zu sein. Das Gerät kann unter anderem als zusätzliches Hilfsmittel zur Krankheitsdiagnose eingesetzt werden.
Nein, so hört sie sich nicht an, die künstliche Nase aus den Forschungslaboratorien der römischen Universität Roma Tre. Die dort entwickelte elektronische Nase ist vollkommen geräuschlos. Auch die Form einer wie auch immer gearteten Nase hat sie nicht, erklärt Professor Arnaldo D'Amico, Biologe und Erfinder des künstlichen Riechorgans:

"Diese Nase schnuppert, riecht, erfasst Gerüche wie ein Mensch, aber ihre Form ist die eines Kastens, einer Box, die ungefähr zehn Mal zehn Zentimeter breit und lang und zwei Zentimeter hoch ist. Da ist nichts, was an ein menschliches Riechorgan erinnert. Doch sie funktioniert wie ein solches."

Herz des Kastens sind einige Rezeptoren, die mit einem Computer verbunden sind, der die diese Riech-Daten auswertet. Die zu erschnuppernde Luft wird durch drei zirka zwei Millimeter kleine Löcher in den Kasten hineingepumpt und einige Sekunden später wieder herausgepumpt. So verbleiben keine Luftrückstände in dem Gerät, die, wenn es später erneut zum Einsatz kommt, die Datenauswertung verfälschen könnten.
Arnaldo D'Amico:

"Die Rezeptoren sind nichts anderes als Sensoren. In einer menschlichen Nase finden sich rund drei Millionen Sensoren. Unsere Box enthält nur acht, aber die reichen vollkommen aus, denn in der natürlichen Nase treten viele dieser Sensoren in tausendfach gleicher Form auf. Unsere künstlichen Sensoren sind mit Metallporphyrinen versehen, die wie unsere Nasensensonsoren reagieren."

Metallporphyrine finden sich im Hämoglobin des Blutes. Diese Substanzen sind dafür verantwortlich, den Sauerstoff aus der Lunge zu transportieren, zum Beispiel ins Hirn.
Die elektronische Nase an der Uni Roma Tre verfügt über synthetisch hergestellte Metallporphyrine - die eigentlichen Sensoren. Sie bestehen aus Eisen, Kobalt und Zink. Diese Porphyrine wurden auf runden, im Durchmesser drei Millimeter breiten und hauchdünnen Metallplättchen angebracht. Die Plättchen stecken innerhalb der Kunstnase auf einer Leiste. Wenn das Riechgerät und der damit verbundene Computer eingeschaltet werden, beginnen die einzelnen Plättchen zu zittern, mit einer konstanten Geschwindigkeit von 20 Megaherz, 20 Millionen Mal in der Sekunde. Auf dem Computerbildschirm wird dieses Zittern in Form von stark vereinfachten Kurvendiagrammen erkennbar. Wird ein Geruch in die Kunstnase gepumpt, absorbieren die synthetischen Metallporphyrine auf den Metallplättchen die jeweiligen Bestandteile des Dufts. Sie reagieren. Arnaldo D'Amico:

"Jedes der Plättchen mit den Metallporphyrinen absorbiert auf unterschiedliche Weise Geruchsmoleküle und verändert daraufhin seine Schwingungsfrequenz. Diese Frequenzunterschiede werden von unseren Computern gemessen. In den letzten Monaten haben wir mit Hilfe von Computerschaubildern, die die einzelnen Frequenzen darstellen, Tabellen erstellt. Sie zeigen uns, wenn etwas nach ganz typisch nach A oder nach B riecht, so dass wir Abweichungen feststellen können."

In rund zehn Jahre dauernden Testfolgen ermittelte man, wie die Plättchen auf hunderte von verschiedenen Gerüchen reagieren, also schwingen. Getestet wurden Gerüche von Früchten, von Fleisch und Fisch und anderen Düften. Auf diese Weise entstanden Vergleichstabellen, die den Foschern zeigen, wann man es zum Beispiel mit einer reifen oder faulen Frucht zu tun hat. Die Schwingungsunterschiede machen es sichtbar. Getestet wurden auch die Atemluft von gesunden und kranken Menschen. Arnaldo D'Amico:

"Unsere Testtabellen zeigen uns, wie ein gesunder oder ein kranker Mensch riecht. Dafür nimmt man den Geruch aus dem Mund, wenn man feststellen will, ob jemand an einem Magengeschwür oder an Lungenkrebs erkrankt ist. Die Schwingungsnterschiede geben uns dann Auskunft über den jeweiligen Gesundheitszustand."

Im Unterschied zu anderen elektronischen Nasen funktioniert die Nase aus der Uni Roma Tre bei Raumtemperaturen. Andere Riechautomaten liefern nur bei erhöhten Temperaturen Daten. Daten, die auf diese Weise, so Professor D'Amico, verfälscht werden könnten, denn bei erhöhten Temperaturen brechen die Geruchsmoleküle.

Das Gerät kostet ungefähr 8000 Euro. Im italienischen Gesundheitsministerium erwägt man bereits die Anschaffung für Forschungskrankenhäuser. Die Kunstnase wurde auch in einem russischen Weltraumlabor getestet. Es sollte herausgefunden werden, wie dort die Atemluft beschaffen ist. Doch über diese Testergebnisse darf der Professor nicht sprechen - der russische Geheimdienst will nicht, dass alle Welt weiß, wie gut oder schlecht die Atemluft in russischen Raumkapseln ist.