"Die europäischen Themen in den Mittelpunkt stellen"
Der Streit um das ungarische Mediengesetz sollte den Start der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft nicht überschatten, findet der EU-Parlamentarier Hans-Gert Pöttering. Man müsse sich jetzt vor allem um dringende Wirtschafts- und Finanzfragen kümmern.
Jan-Christoph Kitzler: Seit Beginn des Jahres liegt die EU-Ratspräsidentschaft in den Händen Ungarns, und eigentlich hatten sich viele in Europa darauf gefreut, den Viktor Orban, der ungarische Regierungschef, gilt als einer, der anpackt, der Probleme angeht. Doch am Anfang wurde nur sehr wenig über die ungarischen Visionen für die kommenden sechs Monate gesprochen, sondern vor allem über das ungarische Mediengesetz, das die Presse im Land an die Kandare nimmt und empfindliche Bußgelder vorsieht, falls die Berichterstattung mal nicht ausgewogen ist.
Heute wird sicherlich das auch ein Thema im Europaparlament sein, denn heute stellt sich Viktor Orban dort den Fragen der Europa-Abgeordneten. Darüber spreche ich jetzt mit Hans-Gert Pöttering, er sitzt für die CDU im Europaparlament und war von 2007 bis 2009 auch Parlamentspräsident. Guten Morgen nach Straßburg!
Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Was überwiegt denn bei Ihnen, die frohe Erwartung, dass Ungarn jetzt antritt, oder die Sorge angesichts der ungarischen Ratspräsidentschaft?
Pöttering: Also wir müssen natürlich, Herr Kitzler, beides im Auge behalten, sowohl die Medienfrage, aber es überwiegt doch die Freude darüber, dass Ungarn jetzt die Präsidentschaft der Europäischen Union hat, als zweites Land von den früher kommunistischen Ländern nach Slowenien. Und wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten: Ich gehöre dem Parlament ununterbrochen seit 1979 an, und wenn man sich vorgestellt hätte im Jahre 1979, dass der Kommunismus zusammenbrechen würde, Deutschland geeint wird, Ungarn wie die anderen Länder der Europäischen Union beitreten, dann hätte man aus der Sicht der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments im Jahre 1979 gesagt: Das ist eine Vision, das ist ein Traum. Und es ist in Erfüllung gegangen.
Und deswegen sollten wir bei allen Diskussionen, die es immer in der Politik, immer zwischen Menschen gibt, froh sein, dass Ungarn die Präsidentschaft hat. Und wir sollten die Medienfrage ernst nehmen, aber das darf nicht verhindern, dass die ungarische Präsidentschaft ein voller Erfolg wird, und in diesem Sinne unterstützen wir Viktor Orban.
Kitzler: Viele haben ja gesagt, es war ein schlechter Start wegen des Mediengesetzes. Wie sehr ist denn die Präsidentschaft davon belastet und das, was die Ungarn vorhaben?
Pöttering: Natürlich ist es zu Beginn eine Belastung gewesen und ist es auch noch, und Viktor Orban war ja gestern schon in Straßburg und hat mit den verschiedenen Fraktionen gesprochen. Ich war dabei, als er gestern Abend in der Fraktion der Europäischen Volkspartei war, also der Christdemokraten, und er hat gesagt, vielleicht hätte er das Mediengesetz eher verabschieden müssen, also schon im Juli letzten Jahres, und nicht erst im Dezember. Es entsprach dem Wunsch der Opposition in Ungarn, lange darüber zu diskutieren, diesem Wunsch ist er nachgekommen, und das hat er als einen Fehler eingeräumt.
Aber er hat auch gesagt, und das ist das Entscheidende: Wenn die Europäische Kommission feststellt, dass es etwas in diesem Mediengesetz gibt, das nicht mit europäischem Recht vereinbar ist, dann bringt er das in Ordnung, und ich finde, das ist doch eine Haltung, die respektabel ist. Die Europäische Kommission ist die, wie wir sagen, die Hüterin der Verträge, die Europäische Kommission muss nationales Recht überprüfen, ob es mit europäischem Recht übereinstimmt, und diese Prüfung hat begonnen.
Und Viktor Orban hat klar erklärt: Wenn da irgendwas nicht in Ordnung ist, dann werden wir das korrigieren, und ich finde das eine sehr respektable Haltung, und wir sollten jetzt die europäischen Themen in den Mittelpunkt stellen.
Kitzler: Trotzdem noch mal: Die Grünen und die Liberalen, die wollen heute im Europaparlament das nutzen für ein Zeichen der Meinungsfreiheit und für den Schutz der Pressefreiheit. Ihre Fraktion, die EVP, macht da nicht mit. Wird in Ihren Augen der Streit um das ungarische Mediengesetz politisch instrumentalisiert?
Pöttering: Den Eindruck habe ich, wobei ganz klar sein muss: Wir alle sind für die Medienfreiheit. Die Pressefreiheit ist ein Wesensmerkmal unserer Demokratie, das gilt in der Europäischen Union und das gilt in den Mitgliedsstaaten. Aber es gibt auch eine ganz bestimmte Prozedur, ein ganz bestimmtes Verfahren, wie wir mögliche Rechtsverstöße feststellen können, und hier ist die Europäische Kommission jetzt zunächst am Zuge. Und meine Empfehlung ist, dass wir alles im Auge behalten, aber jetzt der Kommission die Chance geben, das alles rechtlich und damit auch politisch zu prüfen, damit es keinen Zweifel gibt, dass die Medienfreiheit, die Pressefreiheit überall, auch in Ungarn, gewahrt ist.
Aber lassen Sie uns diese Frage nicht dazu gebrauchen, dass jetzt die europäischen Themen, die wichtig sind – wie die ganzen Wirtschafts- und Finanzfragen –, dass das verdrängt wird, sondern darum müssen wir uns jetzt auch kümmern. Und deswegen braucht die ungarische Präsidentschaft eine Chance, erfolgreich zu sein, nicht nur im Interesse Ungarns, sondern in unser aller Interesse, auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
Kitzler: Sie haben kurz die Wirtschaftsthemen angesprochen. Was ist denn das Wichtigste, die Ausgestaltung des Euro-Rettungsschirms im nächsten halben Jahr?
Pöttering: Also das Ganze ist ja ein Paket. Wir müssen sicherstellen einerseits Solidarität mit den Staaten, die in Schwierigkeiten sind, auch aus eigenem Interesse, aber andererseits müssen wir auch Maßnahmen ergreifen, dass die Konsolidierung der Haushalte, das heißt, die Rückführung der Schulden auch wirklich angestrebt wird. Das alles ist in einem Paket zu sehen, und daran muss die ungarische Präsidentschaft arbeiten.
Und im Übrigen möchte ich darauf hinweisen: Wir haben keine Krise des Euro, sondern wir haben eine Krise bei den Haushalten einiger Länder der Europäischen Union, weil man über die eigenen Verhältnisse gelebt hat, und da gilt es jetzt, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Dabei müssen wir Ungarn unterstützen, die Europäische Zentralbank und alle Akteure, und natürlich auch die Bundesregierung mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Kitzler: Ungarn hat das Amt der Ratspräsidentschaft von den Belgiern geerbt, da gibt es immer noch keine richtige Regierung, die Regierungsbildung dauert immer noch an. Viktor Orban sitzt sehr fest im Sattel. Ist das eine Chance für das kommende halbe Jahr, oder ist das in Ihren Augen vielleicht auch so, dass es letztendlich egal ist, wer den Ratsvorsitz innehat, weil am Ende doch die großen Länder vor allem den Ton angeben?
Pöttering: Also es ist ganz wichtig, dass jede Präsidentschaft, ob sie aus einem kleineren oder größeren Land kommt, für die gesamte Europäische Union spricht und auch handelt. Und es wäre eine politisch-psychologisch falsche Entwicklung, wenn nur die großen Länder bestimmen würden, sagen wir, wenn nur Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, vielleicht dann auch – dann melden sich ja schnell auch andere, wenn man diese vier nennt – Spanien, Polen, wo hört das auf?
Wir haben das Gemeinschaftseuropa, und das heißt: Natürlich haben auch die großen Länder eine große Verantwortung, Frankreich und Deutschland haben eine große Verantwortung für die Europäische Union, aber sie dürfen nicht die Politik dominieren, sie dürfen sie nicht beherrschen. Alle Länder haben Ihre Würde und müssen mitwirken, und dann gibt es ein selbstbewusstes, starkes, Europäisches Parlament.
Das Europäische Parlament, das bei der ersten Europawahl 1979 null Gesetzgebungsbefugnisse hatte, ist jetzt voller Gesetzgeber mit dem Ministerrat. Das Europäische Parlament ist einflussreich, es vertritt die europäische Idee, und so müssen jetzt alle mitwirken, die Regierungen, das Parlament, die Kommission, und ich denke, wenn das unsere Basis ist, dann wird auch die ungarische Präsidentschaft erfolgreich sein, und ich freue mich darauf, gleich in einer Stunde die Rede von Viktor Orban im Europäischen Parlament hier in Straßburg zu hören.
Kitzler: Heute stellt sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban dem Europäischen Parlament. Darüber sprach ich mit dem früheren Präsidenten und CDU-Abgeordneten Hans-Gert Pöttering. Vielen Dank, Ihnen einen schönen Tag!
Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Kitzler, einen schönen Tag auch Ihnen!
Heute wird sicherlich das auch ein Thema im Europaparlament sein, denn heute stellt sich Viktor Orban dort den Fragen der Europa-Abgeordneten. Darüber spreche ich jetzt mit Hans-Gert Pöttering, er sitzt für die CDU im Europaparlament und war von 2007 bis 2009 auch Parlamentspräsident. Guten Morgen nach Straßburg!
Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Herr Kitzler!
Kitzler: Was überwiegt denn bei Ihnen, die frohe Erwartung, dass Ungarn jetzt antritt, oder die Sorge angesichts der ungarischen Ratspräsidentschaft?
Pöttering: Also wir müssen natürlich, Herr Kitzler, beides im Auge behalten, sowohl die Medienfrage, aber es überwiegt doch die Freude darüber, dass Ungarn jetzt die Präsidentschaft der Europäischen Union hat, als zweites Land von den früher kommunistischen Ländern nach Slowenien. Und wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten: Ich gehöre dem Parlament ununterbrochen seit 1979 an, und wenn man sich vorgestellt hätte im Jahre 1979, dass der Kommunismus zusammenbrechen würde, Deutschland geeint wird, Ungarn wie die anderen Länder der Europäischen Union beitreten, dann hätte man aus der Sicht der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments im Jahre 1979 gesagt: Das ist eine Vision, das ist ein Traum. Und es ist in Erfüllung gegangen.
Und deswegen sollten wir bei allen Diskussionen, die es immer in der Politik, immer zwischen Menschen gibt, froh sein, dass Ungarn die Präsidentschaft hat. Und wir sollten die Medienfrage ernst nehmen, aber das darf nicht verhindern, dass die ungarische Präsidentschaft ein voller Erfolg wird, und in diesem Sinne unterstützen wir Viktor Orban.
Kitzler: Viele haben ja gesagt, es war ein schlechter Start wegen des Mediengesetzes. Wie sehr ist denn die Präsidentschaft davon belastet und das, was die Ungarn vorhaben?
Pöttering: Natürlich ist es zu Beginn eine Belastung gewesen und ist es auch noch, und Viktor Orban war ja gestern schon in Straßburg und hat mit den verschiedenen Fraktionen gesprochen. Ich war dabei, als er gestern Abend in der Fraktion der Europäischen Volkspartei war, also der Christdemokraten, und er hat gesagt, vielleicht hätte er das Mediengesetz eher verabschieden müssen, also schon im Juli letzten Jahres, und nicht erst im Dezember. Es entsprach dem Wunsch der Opposition in Ungarn, lange darüber zu diskutieren, diesem Wunsch ist er nachgekommen, und das hat er als einen Fehler eingeräumt.
Aber er hat auch gesagt, und das ist das Entscheidende: Wenn die Europäische Kommission feststellt, dass es etwas in diesem Mediengesetz gibt, das nicht mit europäischem Recht vereinbar ist, dann bringt er das in Ordnung, und ich finde, das ist doch eine Haltung, die respektabel ist. Die Europäische Kommission ist die, wie wir sagen, die Hüterin der Verträge, die Europäische Kommission muss nationales Recht überprüfen, ob es mit europäischem Recht übereinstimmt, und diese Prüfung hat begonnen.
Und Viktor Orban hat klar erklärt: Wenn da irgendwas nicht in Ordnung ist, dann werden wir das korrigieren, und ich finde das eine sehr respektable Haltung, und wir sollten jetzt die europäischen Themen in den Mittelpunkt stellen.
Kitzler: Trotzdem noch mal: Die Grünen und die Liberalen, die wollen heute im Europaparlament das nutzen für ein Zeichen der Meinungsfreiheit und für den Schutz der Pressefreiheit. Ihre Fraktion, die EVP, macht da nicht mit. Wird in Ihren Augen der Streit um das ungarische Mediengesetz politisch instrumentalisiert?
Pöttering: Den Eindruck habe ich, wobei ganz klar sein muss: Wir alle sind für die Medienfreiheit. Die Pressefreiheit ist ein Wesensmerkmal unserer Demokratie, das gilt in der Europäischen Union und das gilt in den Mitgliedsstaaten. Aber es gibt auch eine ganz bestimmte Prozedur, ein ganz bestimmtes Verfahren, wie wir mögliche Rechtsverstöße feststellen können, und hier ist die Europäische Kommission jetzt zunächst am Zuge. Und meine Empfehlung ist, dass wir alles im Auge behalten, aber jetzt der Kommission die Chance geben, das alles rechtlich und damit auch politisch zu prüfen, damit es keinen Zweifel gibt, dass die Medienfreiheit, die Pressefreiheit überall, auch in Ungarn, gewahrt ist.
Aber lassen Sie uns diese Frage nicht dazu gebrauchen, dass jetzt die europäischen Themen, die wichtig sind – wie die ganzen Wirtschafts- und Finanzfragen –, dass das verdrängt wird, sondern darum müssen wir uns jetzt auch kümmern. Und deswegen braucht die ungarische Präsidentschaft eine Chance, erfolgreich zu sein, nicht nur im Interesse Ungarns, sondern in unser aller Interesse, auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
Kitzler: Sie haben kurz die Wirtschaftsthemen angesprochen. Was ist denn das Wichtigste, die Ausgestaltung des Euro-Rettungsschirms im nächsten halben Jahr?
Pöttering: Also das Ganze ist ja ein Paket. Wir müssen sicherstellen einerseits Solidarität mit den Staaten, die in Schwierigkeiten sind, auch aus eigenem Interesse, aber andererseits müssen wir auch Maßnahmen ergreifen, dass die Konsolidierung der Haushalte, das heißt, die Rückführung der Schulden auch wirklich angestrebt wird. Das alles ist in einem Paket zu sehen, und daran muss die ungarische Präsidentschaft arbeiten.
Und im Übrigen möchte ich darauf hinweisen: Wir haben keine Krise des Euro, sondern wir haben eine Krise bei den Haushalten einiger Länder der Europäischen Union, weil man über die eigenen Verhältnisse gelebt hat, und da gilt es jetzt, die richtigen Maßnahmen zu treffen. Dabei müssen wir Ungarn unterstützen, die Europäische Zentralbank und alle Akteure, und natürlich auch die Bundesregierung mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Kitzler: Ungarn hat das Amt der Ratspräsidentschaft von den Belgiern geerbt, da gibt es immer noch keine richtige Regierung, die Regierungsbildung dauert immer noch an. Viktor Orban sitzt sehr fest im Sattel. Ist das eine Chance für das kommende halbe Jahr, oder ist das in Ihren Augen vielleicht auch so, dass es letztendlich egal ist, wer den Ratsvorsitz innehat, weil am Ende doch die großen Länder vor allem den Ton angeben?
Pöttering: Also es ist ganz wichtig, dass jede Präsidentschaft, ob sie aus einem kleineren oder größeren Land kommt, für die gesamte Europäische Union spricht und auch handelt. Und es wäre eine politisch-psychologisch falsche Entwicklung, wenn nur die großen Länder bestimmen würden, sagen wir, wenn nur Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, vielleicht dann auch – dann melden sich ja schnell auch andere, wenn man diese vier nennt – Spanien, Polen, wo hört das auf?
Wir haben das Gemeinschaftseuropa, und das heißt: Natürlich haben auch die großen Länder eine große Verantwortung, Frankreich und Deutschland haben eine große Verantwortung für die Europäische Union, aber sie dürfen nicht die Politik dominieren, sie dürfen sie nicht beherrschen. Alle Länder haben Ihre Würde und müssen mitwirken, und dann gibt es ein selbstbewusstes, starkes, Europäisches Parlament.
Das Europäische Parlament, das bei der ersten Europawahl 1979 null Gesetzgebungsbefugnisse hatte, ist jetzt voller Gesetzgeber mit dem Ministerrat. Das Europäische Parlament ist einflussreich, es vertritt die europäische Idee, und so müssen jetzt alle mitwirken, die Regierungen, das Parlament, die Kommission, und ich denke, wenn das unsere Basis ist, dann wird auch die ungarische Präsidentschaft erfolgreich sein, und ich freue mich darauf, gleich in einer Stunde die Rede von Viktor Orban im Europäischen Parlament hier in Straßburg zu hören.
Kitzler: Heute stellt sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban dem Europäischen Parlament. Darüber sprach ich mit dem früheren Präsidenten und CDU-Abgeordneten Hans-Gert Pöttering. Vielen Dank, Ihnen einen schönen Tag!
Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Kitzler, einen schönen Tag auch Ihnen!