Die Farbe Rosa

Rosagewandete Prinzessinnen überall!

Ein schlafendes Mädchen in einem rosafarbenen Prinzessinnenkostüm, aufgenommen am 24.1.2008
Ein schlafendes Mädchen in einem rosafarbenen Prinzessinnenkostüm © imago / imagebroker
Von Astrid von Friesen · 30.01.2018
Gerade wieder besonders gut zu sehen: Die Kostümabteilungen machen rosa Prinzessinnenträume wahr. Aber auch den Rest des Jahres über scheint eine ganze Industrie von der Vermarktung der Mädchenfarbe Rosa zu leben, kritisiert die Psychotherapeutin Astrid von Friesen.
Faschingsstimmung überall, in jedem Kaufhaus, selbst in der fernsten protestantischen Kleinstadt. Doch nicht nur dort und jetzt, all überall scheinen die Mädchenwelten in Rosa getaucht zu werden.
Ein Gefühl drängt an die Oberfläche: So haben wir das nicht gewollt! Als wir westdeutsche, frauenbewegte Studentinnen in den 1970er-Jahren auf die Straße gingen, um für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu kämpfen, wollten wir die 68er-Forderungen nach mehr Demokratie auch in die Liebesbeziehungen und Familien tragen – mit Unisex-Kleidung und -Spielzeug. Und was haben wir jetzt?

Royalistische statt demokratische Attitüden

Viele, viele kleine rosagewandete Mädchen in Prinzessinnenkleidern, keine demokratischen, vielmehr royalistische Attitüden – in einer rosa Lillifee-Spielzeugwelt lebend, woran das Gendermarketing phantastisch verdient. Die sexy Barbiepuppen als Rollenmodell mit allen Zutaten eindimensionaler Weiblichkeit: blonden, langen Haare, Modellfiguren, High Heels, unendlichem rosa Kitsch und Glitter sowie den zur gleichen Zeit entstandenen Magersucht-Erkrankungen.
Welche Symbolik sollen wir entziffern? Die Sehnsucht nach dem erlösenden Prinzen oder mächtigen Übervater, nach Vollversorgung und royalistischer Sorglosigkeit – mit Medienöffentlichkeit, sprich Selfies minütlich untermauert? Und wie, bitte, passt dies zum harten Kampf um gleiche Löhne und den Aufstieg in die obersten Manageretagen?

Klagen über Gefahren beim Spielen

Ok, jetzt kommen die Einwände: Die Archetypen von C.G. Jung wurden schon immer gelebt! Im Fasching sowie zur eigenen Hochzeit verkleiden sich wohl alle weiblichen Wesen gerne einmal als Prinzessinnen. Aber täglich? Sodass Kindergärtnerinnen klagen, dass die Mädchen mit langen, offenen Haaren und langen Röcken beim Draußenspielen gefährdet sind. Und Fünfjährige derart enge, sexy Glitterjeans tragen, das sie nicht mehr alleine auf die Toilette gehen können. Eine Ausbilderin verbietet mittlerweile den jungen Erzieherinnen, diese Mädchen ständig mit "ach, wie süß" in ihrer vordemokratischen Verkleidung zu bestärken!
Nächstes Gegenargument: Die Demokratisierung hat sich bis ins Kinderzimmer hinuntergemendelt und Kinder entscheiden täglich, stündlich für sich selbst. Positiv einerseits, negativ andererseits: Sie müssen alles entscheiden, was manche heillos überanstrengt und sie kirre werden lässt.

Prinzessinnenkleider für Jungen

Schon vor über zwanzig Jahren beschrieb ich die "Demokratisierung im Kinderzimmer aufgrund der Infantilisierung der Erwachsenen" als überfordernd. Diese jungen Eltern bekommen Töchter, die sich lieber unbewusst ins Feudale zurückziehen. – Doch das Genderziel ist wohl, wie in einem Dokumentarfilm über einen schwedischen Unisex-Kinderladen, dass nun endlich auch die kleinen Jungs Kleider tragen! Welche? Natürlich Prinzessinnenkleider! Royalistischer Unisex, aber zweifellos Unisex!
Abgesehen davon, dass eine ganze Industrie von der Farbe Rosa zu leben scheint, sind Marketingstrategien oftmals psychologisch und soziologisch höchst sensibel. Sie greifen seit Jahren offenbar Sehnsüchte auf. Vielleicht auch die der Mütter von rosa gefärbten Töchtern, von überanstrengten jungen Frauen im Lebens- und Geschlechterkampf mit ungenügender gesellschaftlicher Unterstützung, mangelhaften Kita- und zu wenig Hortplätzen. Vielleicht ist es eine unbewusste Sehnsucht nach Rollenklarheit in einer immer diffuseren, strukturlos gewordenen Arbeits- und Lebenswelt?

Astrid von Friesen ist Diplom-Pädagogin, Gestalt-, Trauma- und Paar-Therapeutin in Dresden, sie unterrichtet an der TU Freiberg und macht Lehrerfortbildung und Supervision. Gemeinsam mit Gerhard Wilke schrieb sie: "Generationen-Wechsel: Normalität, Chance oder Konflikt? Für Familien, Therapeuten, Manager und Politiker" (LIT-Verlag, 2016).

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