Die Flops mit dem Salzersatz

Von Udo Pollmer |
Die Forschung läuft auf vollen Touren: Ein Salzersatz muss her, koste es, was es wolle. Denn der Markt ruft immer lauter nach Alternativen zu den altbewährten Kristallen.
Zuerst das Positive: So leicht gibt sich die Wissenschaft nicht geschlagen. Wenn man ihr das Herumforschen bezahlt, werkelt sie nimmermüde vor sich hin, auch wenn sie ein ums andere Mal scheitert. So wie der Esel lostrottet, wenn ihm der Kutscher ein Büschel Heu vor die Nase hält. Nicht anders läuft es beim Salzersatz. Seit Jahrzehnten wird geforscht, patentiert und auf den Markt gebracht. Und irgendwie geht es immer daneben - auch wenn das Ziel stets zum Greifen nah war. Ergebnis: Die bisherigen Ersatzstoffe schmecken samt und sonders nicht nur salzig, sondern auch bitter, sauer oder metallisch. Sonst wäre das Salz ja auch längst vom Tisch.

Was früher nur ein paar Ernährungsmediziner bewegte, hält heute zahllose interdisziplinäre Forschungsteams in aller Welt auf Trab. Die Schweizer Aromenschmiede Givaudan beispielsweise lässt ein Spezialistencorps durch die Regenwälder streifen, um dort nach Aromastoffen zu fahnden; dabei gilt ihr Augenmerk ganz besonders salzig schmeckenden Substanzen. Ob das von Erfolg gekrönt sein wird, darf stark bezweifelt werden. Schon vor 20 Jahren klagten die zuständigen Experten für den Salzgeschmack, die Psychophysiker, darüber dass schon viel zu viel Geld mit dieser sinnlosen Suche zum Fenster herausgeworfen worden wäre.

Warum sinnlos? Aus biologischen Gründen gibt es nun mal keine Möglichkeit Salz zu ersetzen. Das hängt damit zusammen, dass die Rezeptoren im Mund, die Salz erkennen, so beschaffen sind, dass sie spezifisch auf die Natrium-Ionen im Salz reagieren. Da nun mal das Salz, sprich das Natrium, für unsere Gesundheit wichtiger ist als Vitamine, haben wir im Mund Rezeptoren für Salz und nicht für Vitamin C. Andernfalls wäre es umgekehrt. Und diese Rezeptoren müssen unter allen Umständen präzise funktionieren. Gelänge es sie auszutricksen, befände sich der Körper in akuter Gefahr. Deshalb funktionieren die Ersatzstoffe alle nicht.

Mittlerweile haben die ersten Hersteller aus ihren Flops gelernt. Da sich das Salz nun mal nicht ersetzen lässt, versuchen sie jetzt, seine geschmackliche Wirkung zu verstärken. Die einen kühlen das Salz beim Kristallisieren mit flüssigem Stickstoff, damit die Kristalle kleiner werden und intensiver schmecken, die anderen überziehen das Salz mit einer Hülle. Damit wird es im Mund verzögert freigesetzt und schmeckt länger salzig. Wieder andere entwickeln Geschmacksverstärker für Salz. Ganz hip sind die sogenannten Coolants, also Stoffe, die im Mund kühlend wirken. Gibt man sie in sehr niedriger Dosis ins Essen, fühlt sich das Ganze im Mund nicht kühler an, sondern salziger. Dazu kommt eine große Zahl an Peptiden, die einen brüheartigen Geschmack haben und damit auch ins Konzept passen. Doch der wirksamste Verstärker ist nach wie vor das Glutamat – in Form von Natrium-Glutamat, versteht sich.

Salz feiner zu machen, bringt natürlich auf lange Sicht gar nichts, einfach weil der Körper grundsätzlich nachjustiert. Das Gleiche gilt für Geschmacksverstärker: Bekommt der Körper weniger Salz als der Gaumen signalisierte, dann will er es beim nächsten Mal eben etwas salziger. Dabei werden natürlich weitere Faktoren in die Bilanz einbezogen; dazu gehört auch das Kalium, der wichtigste Gegenspieler des Natriums. Das ist der Grund, warum wir stark kaliumhaltige Speisen kräftig salzen, man denke nur an Kartoffeln, oder warum wir zum Bier gerne Salzstangen knabbern.

Der Körper braucht Natrium, um den Wasserhaushalt der Zellen zu regulieren. Ein Mangel an Natrium kann lebensbedrohliche Folgen haben. Nicht jedoch ein Überschuss. Nach dem Verzehr von versalzenen Speisen bekommen wir Durst, um das überschüssige Natrium wieder auszuscheiden. Das ist alles.

Unser Hang zum Salz ist angeboren und nicht anerzogen. Das ist ein zuverlässiges Zeichen für die biologische Bedeutung der Salzzufuhr. Mit dieser Regulation sichert der Körper das Überleben des Menschen nicht nur in freier Wildbahn, sondern auch im Dschungel unserer Supermärkte oder in den endlosen Weiten erratischer Ernährungsaufklärung. Mahlzeit!

Literatur:
-Strauss S: Parse the salt, please. Nature Medicine 2010; 16: 841-843
-McBride R: The Bliss Point Factor. Sun Books, Melbourne 1990
-Dötsch M et al: Strategies to reduce sodium consumption: a food industry perspective. Critical Reviews in Food Science and Nutrition 2009; 49: 841-851