Die Form muss wie ein Diener sein
Dass Industrieprodukte von ausgebildeten Designfachleuten gestaltet werden, erscheint uns heute selbstverständlich. Vor dem Zweiten Weltkrieg spielte die Formgebung aber noch eine untergeordnete Rolle, die Namen der Entwurfsfachleute waren dem Käufer meist unbekannt. Wilhelm Wagenfeld (1900 bis 1990), geprägt durch sein Studium am Weimarer Bauhaus, war einer der ersten, der sich als selbstständiger "künstlerischer Berater" der Industrie verstand und ausschließlich als "Mustermacher" arbeitete.
Jeden Tag kommen wir mit hunderterlei Dingen in Berührung: Wir drehen am Handgriff der Dusche, greifen im Regal nach Frühstücksgeschirr, knipsen Lampen an. Unsere Hände drücken Türklinken und unsere Finger gleiten über die Tasten eines Keyboards oder die Tastatur eines Computers.
Die allermeisten dieser "handgreiflichen" Gegenstände sind heute Industrieprodukte, hergestellt in irgendeinem Winkel der Erde in großen Serien. Wie diese Erzeugnisse funktionieren, wie sie aussehen, wie sie sich anfühlen, wie sie sich brauchen lassen, ist nicht gleichgültig. Wir können uns über diese Dinge freuen, oder uns über sie ärgern.
"Nicht vom Stuhl ist auszugehen, sondern vom Sitzen, nicht vom Glas, sondern vom Trinken, nicht von der Kanne, sondern vom Halten und Gießen. Nicht von der Lampe, sondern vom Licht und Leuchten!"
Diese Sätze finden sich in einer Essaysammlung, die der Industriedesigner Wilhelm Wagenfeld 1948 unter dem Titel "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" veröffentlichte.
"Wie sitzen, wie trinken, wie halten und gießen? Wie beleuchten? Wo? Wann? In welcher Umgebung? Zu welchen Anlässen? ist dann zu fragen bei weiteren Überlegungen um Zweck und Sinn der Dinge."
Wilhelm Wagenfeld, Jahrgang 1900, war einer der wichtigsten Industriedesigner in Deutschland. Vor ihm hatten Produktgestalter wie Peter Behrens die industrielle Massenproduktion versachlicht und von ihrer historisierenden Verkleidung befreit. Als nämlich im 19. Jahrhundert die Industrie das Handwerk zu verdrängen begann, versuchte sie zunächst, die gewohnte Gestalt der handwerklich hergestellten Dinge nachzumachen. Massenhaft spuckten die Fabriken zum Beispiel Stühle aus, die so aussahen, als seien Beine und Lehnen noch Stück für Stück von Hand gedrechselt worden. In Wahrheit hatten moderne Maschinen diese Arbeiten verrichtet.
Am 15. April 1900 wird Wilhelm Wagenfeld in Bremen geboren. Der Vater findet Beschäftigung im nahe gelegenen Hafen. Wilhelm besucht die Volksschule. Seinen Lehrern fällt auf, dass der Junge gut zeichnen kann, und sie empfehlen ihn für eine "Knabenzeichenschule". Mit 14 Jahren, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, beginnt Wilhelm Wagenfeld eine Lehre als Technischer Zeichner bei der renommierten Silberwarenfabrik Koch & Bergfeld, erzählt Beate Manske, Geschäftsführerin der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung.
"Es ist die älteste Silberschmiede Deutschlands gewesen. Sie haben für das gehobene Bürgertum, aber auch für die Fürstenhöfe gearbeitet. Sie haben relativ spät dann auch mit Besteckproduktion angefangen, und haben sehr traditionell gearbeitet, haben aber etwa ab der Jahrhundertwende sich einen Leiter des Entwurfsbüros geleistet, der künstlerisch ausgebildet war, und zwar war das Professor Hugo Leven, vom Ursprung her ein Bildhauer, der sehr viel Anregungen eingebracht hat, und der vor allem auch verstanden hat, die zeitgenössischen guten Künstler heranzuziehen, wie Heinrich Vogeler oder Albin Müller, oder Bernhard Hoetger."
Nach Abschluss der Lehre vermittelt ihm die Firma ein Stipendium an der Zeichenakademie Hanau. Dort lässt er sich gleichzeitig zum Silberschmied ausbilden. 1923 wechselt Wagenfeld in das Mekka der künstlerischen Avantgarde, an das Staatliche Bauhaus in Weimar. Dort wird er in die Metallwerkstatt aufgenommen; sein Lehrer ist László Moholy-Nagy
"Er sagte, dass er an das Bauhaus ging, weil er einfach der funktionellen Gestaltung mehr Raum geben wollte."
Mit Heinz Pfänder, dem späteren Leiter seiner "Werkstatt" in Stuttgart, sprach Wilhelm Wagenfeld oft über seine Bauhauszeit.
"Bauhaus - das war für ihn ganz prägend. Das ist klar."
Erika Wagenfeld, die Witwe.
"Vor allen Dingen, weil da diese künstlerische Note so stark war. Da waren Klee, da war Feininger. Das wirkte sich auf die Schüler aus. Und das hat das Bauhaus eben mitgegeben."
Als Wilhelm Wagenfeld 1923 ans Weimarer Bauhaus kommt, steckt diese wichtigste reformpädagogische Hochschule für Gestaltung der jungen Republik im Umbruch. Nach dem expressionistischen Aufbruch der Frühphase wenden sich nun führende Geister dem Konstruktivismus zu. Lehrer wie Theo van Doesburg oder László Moholy-Nagy propagieren eine drastische Vereinfachung der Formensprache. Sie führen die sinnlich wahrnehmbare Welt auf mathematische Grundformen zurück: Quadrate, Dreiecke, Linien. Körper werden zerteilt in Kugeln, Zylinder und Quader: stereometrische Einheiten, die die Bauhäusler als gemeinsames Alphabet revolutionärer Kunst verstehen.
Ganz im Sinne dieser neuen Bauhaus-Orientierung entwirft Wilhelm Wagenfeld 1924 eine Tischlampe aus Metall und Glas. Sie wird in kleiner Auflage hergestellt und geht als "Bauhaus-Lampe" in die Design-Geschichte ein: Als Fuß eine flache Scheibe, wahlweise aus Glas oder vernickeltem Messing. Der Schaft ein schlanker Zylinder, durch den das Kabel vom Fuß bis zur Lampenfassung geführt wird. Als Schirm eine Halbkugel aus Opalglas. Glatte Flächen, kein Dekor. "Entschnörkeln" nannte Wilhelm Wagenfeld eines seiner Entwurfsprinzipien.
Mit einer Musterkollektion dieser Lampe wird Wilhelm Wagenfeld zur Leipziger Herbstmesse geschickt.
"Als ich dann mit dieser Bauhauslampe irgendwann einmal einen Messestand betreute, wurde ich sehr bedauert, weil unsere Lampe viel zu teuer war. Sie wurde als Industrieprodukt angesehen und hätte da ein Drittel von dem kosten müssen, was wir in der Werkstatt schon als Selbstkosten hatten."
Keine einzige Bauhaus-Lampe wurde damals verkauft! Der Flop bezeichnet in der Tat einen wunden Punkt: Das Bauhaus wollte gute Produkte für breite Käuferschichten entwerfen. Die Vorteile moderner Maschinenproduktion sollten in den Dienst künstlerischer Gestaltung genommen werden. Kaum ein Bauhäusler jedoch verirrte sich je in die großen Fabriken, um die technischen Bedingungen der Massenfertigung zu studieren. Stattdessen produzierte die Bauhauswerkstatt mit tradierten handwerklichen Methoden schöne Dinge, die sich nur eine Minderheit leisten konnte.
In einem Interview aus dem Jahre 1980 erinnert sich Wilhelm Wagenfeld an die Bauhaus-Jahre.
"Eigentlich waren diese Geräte, recht gesehen, nichts weiter als das ganz konventionelle Kunstgewerbe. Also was im Bauhaus entstanden ist, das muss ich immer wieder betonen, z.B. Bauhauslampe, die Sie hier vor sich stehen sehen, die wäre niemals von mir entworfen, wenn ich nicht im Bauhaus gewesen wäre. Das ist aus dieser geistig einmaligen Situation, eine geistige Spannung, Atmosphäre, die revolutionär gewesen ist und dementsprechend auch behandelt wurde von all den Kulturreaktionären, die wir damals hatten, entstehen."
So gesehen, erreicht Wilhelm Wagenfelds bekanntestes Produkt noch keineswegs die Messlatte, die er selbst für gutes Industriedesign anlegte und die er in seiner Essaysammlung "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" so formulierte:
"Das den Dingen Gestaltgeben ist doch gar nicht so problematisch, wenn man vom Besonderen ein wenig absieht, mehr dafür auf das einfache Wohltun bedacht ist und so auf das unauffällige Nützen und Dasein in der häuslichen Welt."
Mit dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau 1925 haben sich die Konstruktivisten um Moholy-Nagy endgültig durchgesetzt - eine Konsequenz, die Wilhelm Wagenfeld nicht mitträgt. Er unterrichtet fortan an der Staatlichen Bauhochschule Weimar, wird Leiter der dortigen Metallwerkstatt. In dieser Zeit entwirft er Metallschalen, Wasserkessel, Stövchen und rund ein Dutzend Tisch- und Deckenleuchten. Als die Nationalsozialisten, die bereits 1930 die Macht in Thüringen erringen, die Bauhochschule schließen, schlägt sich Wagenfeld freiberuflich als Formgestalter durch. Eine Zusammenarbeit mit dem renommierten "Jenaer Glaswerk Schott & Genossen" bahnt sich an. Walter Scheiffele, Designer in Berlin, skizziert die Anfänge dieser Kooperation:
"Sie ist über eine Ausstellung zustande gekommen, die im Jenaer Kunstverein stattfindet. Da werden die Metallarbeiten aus der Bauhochschule ausgestellt, und Erich Schott befindet sich unter den Besuchern dieser Ausstellung, und er hört einen Vortrag von Wagenfeld über "Handwerk und Maschine", und Wagenfeld kritisiert in diesem Vortrag die Industriellen und sagt, sie wären nicht in der Lage, die Künstler in den Entwurfsprozess zu integrieren, und es wäre eigentlich ein Unding, dass nur Wissenschaftler und Ingenieure beim Entwicklungsprozess des Industrieprodukts beteiligt wären. Schott reagiert darauf und engagiert Wagenfeld versuchsweise für die Haushaltsgläser, die jetzt gerade neu auf den Markt kommen."
Zwei Dutzend Artikel aus feuerfestem Glas entwirft Wagenfeld für den Jenaer Hersteller - vom kompletten Nurglas-Teeservice über Milchtöpfe und Eierkocher bis zur gläsernen Backschüssel.
Wilhelm Wagenfeld hat die Auflaufbehälter aus feuerfestem Glas nicht erfunden. Aber er überarbeitet die Formen, betont die Griffe, die nun so aussehen, als seien sie aus dem flüssigen Glas herausmodelliert. Von ihm statt die Idee, den Deckel selber als separate Backform zu verwenden. Und er denkt sich auch gleich die Werbeslogans aus:
"Und nach dem Essen wirklich nur ein Topf zum Abwaschen, denn Jenaer Glas ist Topf und Tafelgeschirr zugleich."
Für die grafische Gestaltung der Anzeigen wird sein ehemaliger Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy verpflichtet. So haben die beiden Gelegenheit, ihren alten Disput über das Bauhaus fortzusetzen, wie Wagenfeld sich 1969 schmunzelnd erinnerte:
"Als Moholy nun sah, dass ich mich abkehrte von der Zylinderform und zurückkehrte zur glas-organischen Tropfenform, und von der aus die Krüge zu entwickeln suchte, sagte er zornig zu mir: "Wagenfeld, was machen Sie? Sie verraten Bauhaus! Wir haben gekämpft für Kugel, Zylinder, Kubus, und Sie machen Romantik!"
1935 bekommt Wagenfeld die Gelegenheit, in der großen Industrie die Probe aufs Exempel zu machen. Er wird "künstlerischer Leiter" der "Vereinigten Lausitzer Glaswerke", damals die größte Glashütte Europas. 60.000 Artikel - vom Aschenbecher bis zur Bodenvase, vom Weckglas bis zum Sektkelch, alles, was man aus Glas blasen oder pressen kann, wird in dem riesigen Werk in Weisswasser produziert.
Vor allem das Pressglas, aus dem das billige Sortiment hergestellt wird, fordert Wilhelm Wagenfeld heraus.
"Wir müssen ausgehen von dem Massenprodukt. Und das, was millionenfach produziert wird, das ist wichtig. Schon in der Lausitz, die Gläser, wo ich die künstlerische Leitung hatte, da war es so, dass wir, meinem Vorschlag entsprechend, gerade das billigste Glas zuallererst kultivierten, aber dann ein Luxusglas gleichzeitig, denn man braucht eine Oberstufe immer wieder, um von diesen Oberstufen her auf jeden Fall rege zu bleiben, und mit höchsten Ansprüchen auf das Billigste weiterzuarbeiten. Denn das billigste Glas, dass man sagen kann: "Es ist ja nur für den Arbeiter." Das ist ganz falsch. Man muss davon ausgehen, dass oft die Arbeiter die intelligenteren sind, viel intelligenter als die Unternehmer und die reichen Zeitgenossen."
Im Entwurfsbüro der Hütte, seinem "künstlerischen Laboratorium", überarbeitet und strafft Wagenfeld das immense Sortiment. Seine "Produktphilosophie" hat Mitte der 30er Jahre die kunsthandwerklichen Eierschalen aus der Bauhauszeit endgültig abgestreift, der Übergang zum Industriedesign ist gebahnt. 1937 schreibt er:
"Nichts "Besonderes" und "Originelles" wollen wir schaffen. Vielmehr bemühen wir uns, mitzuhelfen und mitzuwirken für neue Gläser, die den alten ebenbürtig sein können. Nicht der Entwurf soll diesen Gläsern charakteristisch sein, sondern die Hütte und Fabrik, aus der sie kommen. Sie sollen das Gesicht dieses Industriewerks sein, Ausdruck seines Schaffens und Strebens."
Hierin drückt sich ein Gedanke aus, den 30 Jahre zuvor bereits Peter Behrens exemplarisch für den Elektrohersteller AEG formuliert hatte: die Forderung nach einem einheitlich gestalteten Erscheinungsbild für ein Unternehmen, heute Corporate Identity genannt.
Aber Wagenfeld wäre nicht Wagenfeld, wenn er neben der "Entschnörkelung", "Glättung" und "Läuterung" des Lausitzer Altsortiments nicht auch neue Ideen zur Produktionsreife gebracht hätte. Walter Scheiffele:
"Da kommt ja dann dieses berühmte Kubusgeschirr als Kühlschrank- und Speisekammervorratsbehälter von ihm auf den Markt und wird ein Riesenerfolg."
Zugegeben: Heute hat Earl S. Tupper, der Erfinder von "Tupperware", Wagenfeld die Schau in Kühlschrank und Speisekammer gestohlen. Aber unbestritten war der "Mustermacher" aus der Lausitz mit seinen eckigen Vorratsbehältern aus Pressglas - schneller! 1938, acht Jahre vor Tuppers Patent auf eine luftdicht verschließbare Polyäthylen-Box, bringt die Hütte in Weisswasser einen Satz von sieben Behältern heraus, die an Glasbausteine erinnern und tatsächlich auf einem Baukastensystem basieren: Ausgangsform ist ein quadratischer Behälter, 18 x 18 Zentimeter groß und acht Zentimeter hoch. Die nächste Box ergibt sich aus der Halbierung der vorher gehenden; der kleinste Kubus besitzt ein Viertel vom Volumen des Ausgangskörpers. Die Kuben lassen sich mit flachen Glasdeckeln verschließen und auf engstem Raum, etwa im Kühlschrank, stapeln.
Formal erinnert Wagenfelds Entwurf an die strenge Sprache des späten Bauhauses. Im Kern aber handelt es sich um reines Industrie-Design, denn die Kuben sind aus billigem Pressglas und lassen sich in großen Stückzahlen maschinell herstellen.
Wiederholt wird der "künstlerische Leiter" der Lausitzer Glaswerke bedrängt, in die NSDAP einzutreten. Wagenfeld weigert sich. Daraufhin wird er 1944 eingezogen und an die Ostfront abkommandiert. 1945 kehrt er krank aus sowjetischer Gefangenschaft zurück. Das Werk ist weitgehend zerstört, sein "künstlerisches Laboratorium" liegt in Trümmern.
"Erstmal hatten die Russen ja alles demontiert gehabt, aber es gab doch ein paar Öfen, mit denen man wieder arbeiten konnte, und da hat er sofort wieder angefangen. Es wurde das Notwendigste gemacht. Das, was ganz wichtig war. Und da hieß es ja auch: Für die Kriegsgeschädigten müssen wir ein ganz simples Service machen, was man täglich brauchen kann, es darf auch nicht zu dünn sein, und so richtig derbe Gläser machen."
Mit "richtig derben Gläsern", wie sie die sowjetische Militärverwaltung und das Ministerium in Dresden wünschten, konnte man freilich Wilhelm Wagenfeld nicht kommen. Er zieht sich aus der aktiven Entwurfstätigkeit zurück und tritt 1947 eine Professur an der Berliner Hochschule für Bildende Künste an. In dieser Zeit entstehen kaum eigene Entwürfe, er nutzt die Zäsur, seine Erfahrungen und Schlussfolgerungen niederzuschreiben. Unter dem Titel "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" erscheint 1948 eine Sammlung von Aufsätzen, in denen er eine radikale Rückbesinnung auf das Qualitätsdenken fordert.
"Bei der jetzigen Armut in unserem Lande wiegt alles Sinnlose doppelt schwer. Was jetzt gebaut wird und entsteht an Hausgeräten muss in jedem ein würdiger Anfang sein. Keine Notbehelfe dürfen entstehen, die Fabrikation muss von dem ausgehen, was die Besten hierfür durchdacht haben von der Jahrhundertwende bis in unsere Zeit."
In einer Zeit der Not, in der man Stahlhelme perforierte, um daraus Küchensiebe zu machen und aus Gasmaskenfiltern Kerzenhalter wurden, war Wagenfelds Position alles andere als populär. Und es brauchte einige Jahre und eine Zeit wirtschaftlicher Erholung, bis er selber wieder Gelegenheit bekam, für namhafte Hersteller zu arbeiten. Darunter: die WMF, die Württembergische Metallwarenfabrik.
"Einmal hat er die Werke besichtigt in Geislingen und hat gesagt: "Die können noch was. Das ist noch Qualität! Und da kann man Schönes machen, man muss nicht für Lieschen Müller irgendwas machen." Und dann kam die große Enttäuschung!"
Wagenfeld arbeitet für den Papierkorb. Das Sortiment des Großbetriebs bedient einen bieder-konventionellen Publikumsgeschmack und beruht meist auf Entwürfen aus den 30er und 40er Jahren. Wagenfelds Vorschläge gelten als gewagt und werden von den einflussreichen Handelsvertretern häufig abgebügelt. Wagenfeld ist bei der WMF nur einer unter vielen Produktgestaltern, und seine Erfolge verschaffen ihm in der schwäbischen Firma keine ähnlich starke Stellung, wie er sie zuvor bei der Lausitzer Glashütte gehabt hat. 1954 zieht er die Konsequenzen: Er kündigt und macht sich mit einer eigenen Entwicklungs- und Versuchswerkstatt in Stuttgart selbstständig - der "Werkstatt Wagenfeld". In seinem neuen "künstlerischen Labor "in der Breitlingstraße beschäftigt er ein halbes Dutzend junger Mitarbeiter - Modelleure, Technische Zeichner, Silberschmiede. Sein Mitarbeiter Heinz Pfaender hatte damals gerade sein Architekturstudium abgeschlossen.
"Wagenfeld war ja keinesfalls so, dass er gesagt hat: "Das ist 90 Prozent fertig, nix wie weg, damit es Geld bringt." Er hat überhaupt nicht an das Geld gedacht, sondern wollte das Beste abliefern, was zu machen ist. Und da ging es an die Firma, und dann kam es wieder zurück, nein, sie wollten das so und so geändert haben! Das Schlimmste war ja, wenn die irgendein Dekor drauf wollten, irgend ein Blümchen oder so, das haben wir natürlich abgelehnt."
Am Anfang jeder Entwurfsarbeit stand eine oft nur briefmarkengroße Skizze Wagenfelds. Mit einem Episkop wurde sie vergrößert und in eine Zeichnung mit genauen Maßen umgesetzt. Dann schlug die Stunde der Modelleure: Sie formten das erste dreidimensionale Modell im Maßstab eins zu eins, meist aus Ton oder Gips. Eine wahre Plackerei!
"Mustermacher" Wagenfeld war durchaus pedantisch, ließ keine Abstriche zu, immer getrieben von seinen Idealen.
"Er wollte Dinge machen, die jedermann nützlich sind. Er sagte immer: Die müssen sein wie ein Diener, die müssen da sein, müssen den Leuten nutzen, dürfen aber nicht vorlaut sein, denn von einem Diener möchte man auch nicht, dass er wichtiger ist wie die Herrschaft."
Wichtigste Kundin der "Werkstatt Wagenfeld" ist, bis zum endgültigen Bruch 1966, die WMF. Aber es entstehen auch ein Radio-Phono-Koffer für Braun, Türdrücker, Hausrat und Dutzende von Leuchten für kleinere Firmen. Thematisch beschränkt sich Wilhelm Wagenfeld auf Artikel für den Tisch und auf Hausgerät. Beim Entwurf für Autos und Investitionsgüter fasst er nicht Fuß, sagt Beate Manske, die Geschäftsführerin der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung.
"Er fühlte sich nicht sicher, wenn er ein Gerät nicht insgesamt entwickelte. Er hat ganz wenige Ausflüge in diese technische Welt gemacht, etwa das erste Braun-Gerät, das nach Design-Gesichtspunkten gestaltet ist, stammt von ihm. Aber schon dort hat er gemerkt: Wenn er keinen Einfluss hat auf die Technik, dann steht er nicht für das Ganze. Das erste Gerät hatte einen zu schwachen Motor. Das hat er sich nie verziehen, dass er eine Hülle für etwas gemacht hat, das innerlich nicht perfekt war. Also entweder machte er das mit, oder er ließ es."
1977 schließt der betagte Prinzipal das "künstlerische Labor" in der Breitlingstraße. Einen Nachfolger gibt es nicht. Die Ära Wagenfeld scheint zu Ende.
Geschickt fädelt die junge Frau schwarze Kabel in die Ösen und zieht die Schrauben mit einem Akkuschrauber fest. Am Nebentisch werden Seriennummern auf Metallplättchen gepunzt. Hier werden Tischlampen von Hand zusammen gesetzt. Aber nicht irgendeine! Als Fuß eine flache Scheibe, der Schaft ein schlanker Zylinder, als Schirm eine Halbkugel aus Opalglas. Glatte Flächen, bloß kein Dekor. Zweifellos, die Bauhaus-Lampe von Wilhelm Wagenfeld ist wieder da.
"Irgendwann habe ich ihn einfach in Stuttgart besucht, er war sehr freundlich, und ich habe ihn ganz simpel gefragt, warum niemand diese Leuchte, die er da in seinem Wohnzimmer stehen hatte, eine alte, herstellt? Und da sagte er so auf seine trockene bremische Art: "Ja, dann machen Sie das doch!"
Und das tat der Kaufmann Walter Schnepel. Wagenfeld erteilte ihm die Lizenz und fertigte eine neue Zeichnung mit geringfügigen, technisch bedingten Änderungen. Die ersten 250 Replikate der Bauhaus-Lampe gingen 1979 weg wie warme Semmeln. Walter Schnepel, dessen Firma Tecnolumen inzwischen auch lizensierte Entwürfe von anderen Bauhaus-Künstlern wie Gyula Pap und Marianne Brandt herstellt, versteht sein unternehmerisches Engagement auch als Wiedergutmachung am Bauhaus:
"Wir haben einen geschichtlichen Nachholbedarf. Denn diese Leuchte wurde Anfang der 20er Jahre entworfen, nie richtig produziert, vielleicht fünfzig Stück, schätzt man heute, dann kam die Hitler-Zeit, und danach hatten wir was anderes zu tun. Und dann kamen, wenn, dann Möbel aus Skandinavien, 50er Jahre. Aber an das Bauhaus hat zu der Zeit niemand gedacht. Und da dachte ich, da gibt es einen Nachholbedarf für so etwas. Und in derselben Zeit sind ja auch von anderen Firmen Bauhaus-Entwürfe für Stühle, Tische und so weiter auch wieder aufgelegt worden. Das lag wohl auch in der Luft."
"Wo Geräte oder Möbel dermaßen schön gestaltet sind, dass sie unbeachtet bleiben, wo sie derart leicht und gut ihren Zweck erfüllen, dass niemand erst fragt, wer sie erdacht hat oder von wem die Form sei, da ist jene Haltung als Wesensart erreicht, an die ich denke."
Als Claudia Christl, Jahrgang 1968, sich zur Goldschmiedin ausbilden ließ, spielte der Name Wagenfeld in Atelier und Berufsschule keine Rolle. Sie schloss eine Silberschmiedelehre an, lieferte als Gesellenstück eine Teekanne in Form einer gedrückten Kugel ab, studierte in Halle an der Burg Giebichenstein. Als Diplom-Designerin ging sie in die Industrie und entwarf sechs Jahre lang als Chefdesignerin Messer, Gabel und Löffel für eine norddeutsche Besteckfabrik. Ihre Garnitur "Divo" aus mattem Edelstahl fällt auf: die Löffel haben eine rechteckige Laffe, die Stiele sind von minimalistischer Schlichtheit.
"Irgendwann dachte ich mir, ich muss jetzt mal ausprobieren, wie eckig so´n Löffel sein kann, und wir hatten damals Kapazitäten eben auch im Modellbau, so dass ich dieses Projekt so nebenbei laufen ließ und irgendwann habe ich den Löffeltest gemacht, also Joghurt essen mit diesem Modell-Löffel, hat wunderbar geklappt, da habe ich dem Produkt-Manager diesen Löffel vorgelegt, und irgendwann stand er strahlend in der Tür, meinte: "Machen wir!"
Inzwischen hat sich Claudia Christl als Produktgestalterin selbstständig gemacht.
"Ein gelungener Entwurf ist ein Entwurf, der eigentlich nicht alt wird, der sozusagen das Zeug zu einem Klassiker hat, wenn ich diesen abgedroschenen Begriff mal benutzen darf. Ein Gegenstand, der nicht permanent ins Auge fällt und irgendwann nervt, es gibt ja unglaublich viele bunte und schrille Dinge, die stellt man sich vielleicht mal ein halbes Jahr irgendwo hin, und dann müssen die aber aus dem Blickfeld, weil sie einfach permanent Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Also sozusagen der stumme Diener, der aber dennoch irgendwie ne gewisse Freude hervorruft beim Benutzen. Das ist ein idealer Gegenstand."
Wilhelm Wagenfeld starb 1990. Acht Jahre später ehrte ihn seine Geburtsstadt Bremen mit der Einweihung des Wilhelm-Wagenfeld-Hauses, das am Rande der Altstadt in einer ehemaligen, mit dorischen Säulen geschmückten klassizistischen Torwache eingerichtet wurde. Das Bremer Design Zentrum und die 1993 gegründete Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung sind hier untergekommen. Regelmäßig finden Ausstellungen zu aktuellen Trends der Branche statt.
Auch für Peter Zec, Direktor des Design Zentrums Nordrhein-Westfalen in Essen, gehört "Mustermacher" Wilhelm Wagenfeld zu den Pionieren des Industriedesigns. Für typisch Wagenfeld hält er einen Artikel, der bis heute unverändert hergestellt wird:
"Mir fallen hierzu die Salzstreuer "Max und Moritz" ein, aber nicht deswegen, weil sie so besonders gut zu gebrauchen sind, sondern weil sie einfach so sinnfällig sind."
Wagenfeld hatte die zierlichen, griffgerechten, wie eine Sanduhr taillierten Salz- und Pfefferstreuer 1954 für die WMF entworfen.
"Sie sind ja zeitlich zuzuordnen. Man erkennt ja darin die 50er, 60er Jahre wieder. Sie haben also auch auf einem Nierentisch nicht gestört. Aber sie passen eben auch heute noch in unsere Intercity-Züge, und sie passen auch heute noch in einen avantgardistischen Haushalt. Diese Form von "Max und Moritz" ist für mich wirklich ein gelungenes Produkt, bei dem die Funktionalität und der Gebrauch nicht augenfällig im Vordergrund stehen, aber gleichwohl vorhanden ist, und letztendlich sie wirklich etwas zum Ausdruck bringen, was Wagenfeld als Schönheit bezeichnet hätte."
"Jeder denkt, die sind perdü.
Aber nein, noch leben sie!"
Die allermeisten dieser "handgreiflichen" Gegenstände sind heute Industrieprodukte, hergestellt in irgendeinem Winkel der Erde in großen Serien. Wie diese Erzeugnisse funktionieren, wie sie aussehen, wie sie sich anfühlen, wie sie sich brauchen lassen, ist nicht gleichgültig. Wir können uns über diese Dinge freuen, oder uns über sie ärgern.
"Nicht vom Stuhl ist auszugehen, sondern vom Sitzen, nicht vom Glas, sondern vom Trinken, nicht von der Kanne, sondern vom Halten und Gießen. Nicht von der Lampe, sondern vom Licht und Leuchten!"
Diese Sätze finden sich in einer Essaysammlung, die der Industriedesigner Wilhelm Wagenfeld 1948 unter dem Titel "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" veröffentlichte.
"Wie sitzen, wie trinken, wie halten und gießen? Wie beleuchten? Wo? Wann? In welcher Umgebung? Zu welchen Anlässen? ist dann zu fragen bei weiteren Überlegungen um Zweck und Sinn der Dinge."
Wilhelm Wagenfeld, Jahrgang 1900, war einer der wichtigsten Industriedesigner in Deutschland. Vor ihm hatten Produktgestalter wie Peter Behrens die industrielle Massenproduktion versachlicht und von ihrer historisierenden Verkleidung befreit. Als nämlich im 19. Jahrhundert die Industrie das Handwerk zu verdrängen begann, versuchte sie zunächst, die gewohnte Gestalt der handwerklich hergestellten Dinge nachzumachen. Massenhaft spuckten die Fabriken zum Beispiel Stühle aus, die so aussahen, als seien Beine und Lehnen noch Stück für Stück von Hand gedrechselt worden. In Wahrheit hatten moderne Maschinen diese Arbeiten verrichtet.
Am 15. April 1900 wird Wilhelm Wagenfeld in Bremen geboren. Der Vater findet Beschäftigung im nahe gelegenen Hafen. Wilhelm besucht die Volksschule. Seinen Lehrern fällt auf, dass der Junge gut zeichnen kann, und sie empfehlen ihn für eine "Knabenzeichenschule". Mit 14 Jahren, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, beginnt Wilhelm Wagenfeld eine Lehre als Technischer Zeichner bei der renommierten Silberwarenfabrik Koch & Bergfeld, erzählt Beate Manske, Geschäftsführerin der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung.
"Es ist die älteste Silberschmiede Deutschlands gewesen. Sie haben für das gehobene Bürgertum, aber auch für die Fürstenhöfe gearbeitet. Sie haben relativ spät dann auch mit Besteckproduktion angefangen, und haben sehr traditionell gearbeitet, haben aber etwa ab der Jahrhundertwende sich einen Leiter des Entwurfsbüros geleistet, der künstlerisch ausgebildet war, und zwar war das Professor Hugo Leven, vom Ursprung her ein Bildhauer, der sehr viel Anregungen eingebracht hat, und der vor allem auch verstanden hat, die zeitgenössischen guten Künstler heranzuziehen, wie Heinrich Vogeler oder Albin Müller, oder Bernhard Hoetger."
Nach Abschluss der Lehre vermittelt ihm die Firma ein Stipendium an der Zeichenakademie Hanau. Dort lässt er sich gleichzeitig zum Silberschmied ausbilden. 1923 wechselt Wagenfeld in das Mekka der künstlerischen Avantgarde, an das Staatliche Bauhaus in Weimar. Dort wird er in die Metallwerkstatt aufgenommen; sein Lehrer ist László Moholy-Nagy
"Er sagte, dass er an das Bauhaus ging, weil er einfach der funktionellen Gestaltung mehr Raum geben wollte."
Mit Heinz Pfänder, dem späteren Leiter seiner "Werkstatt" in Stuttgart, sprach Wilhelm Wagenfeld oft über seine Bauhauszeit.
"Bauhaus - das war für ihn ganz prägend. Das ist klar."
Erika Wagenfeld, die Witwe.
"Vor allen Dingen, weil da diese künstlerische Note so stark war. Da waren Klee, da war Feininger. Das wirkte sich auf die Schüler aus. Und das hat das Bauhaus eben mitgegeben."
Als Wilhelm Wagenfeld 1923 ans Weimarer Bauhaus kommt, steckt diese wichtigste reformpädagogische Hochschule für Gestaltung der jungen Republik im Umbruch. Nach dem expressionistischen Aufbruch der Frühphase wenden sich nun führende Geister dem Konstruktivismus zu. Lehrer wie Theo van Doesburg oder László Moholy-Nagy propagieren eine drastische Vereinfachung der Formensprache. Sie führen die sinnlich wahrnehmbare Welt auf mathematische Grundformen zurück: Quadrate, Dreiecke, Linien. Körper werden zerteilt in Kugeln, Zylinder und Quader: stereometrische Einheiten, die die Bauhäusler als gemeinsames Alphabet revolutionärer Kunst verstehen.
Ganz im Sinne dieser neuen Bauhaus-Orientierung entwirft Wilhelm Wagenfeld 1924 eine Tischlampe aus Metall und Glas. Sie wird in kleiner Auflage hergestellt und geht als "Bauhaus-Lampe" in die Design-Geschichte ein: Als Fuß eine flache Scheibe, wahlweise aus Glas oder vernickeltem Messing. Der Schaft ein schlanker Zylinder, durch den das Kabel vom Fuß bis zur Lampenfassung geführt wird. Als Schirm eine Halbkugel aus Opalglas. Glatte Flächen, kein Dekor. "Entschnörkeln" nannte Wilhelm Wagenfeld eines seiner Entwurfsprinzipien.
Mit einer Musterkollektion dieser Lampe wird Wilhelm Wagenfeld zur Leipziger Herbstmesse geschickt.
"Als ich dann mit dieser Bauhauslampe irgendwann einmal einen Messestand betreute, wurde ich sehr bedauert, weil unsere Lampe viel zu teuer war. Sie wurde als Industrieprodukt angesehen und hätte da ein Drittel von dem kosten müssen, was wir in der Werkstatt schon als Selbstkosten hatten."
Keine einzige Bauhaus-Lampe wurde damals verkauft! Der Flop bezeichnet in der Tat einen wunden Punkt: Das Bauhaus wollte gute Produkte für breite Käuferschichten entwerfen. Die Vorteile moderner Maschinenproduktion sollten in den Dienst künstlerischer Gestaltung genommen werden. Kaum ein Bauhäusler jedoch verirrte sich je in die großen Fabriken, um die technischen Bedingungen der Massenfertigung zu studieren. Stattdessen produzierte die Bauhauswerkstatt mit tradierten handwerklichen Methoden schöne Dinge, die sich nur eine Minderheit leisten konnte.
In einem Interview aus dem Jahre 1980 erinnert sich Wilhelm Wagenfeld an die Bauhaus-Jahre.
"Eigentlich waren diese Geräte, recht gesehen, nichts weiter als das ganz konventionelle Kunstgewerbe. Also was im Bauhaus entstanden ist, das muss ich immer wieder betonen, z.B. Bauhauslampe, die Sie hier vor sich stehen sehen, die wäre niemals von mir entworfen, wenn ich nicht im Bauhaus gewesen wäre. Das ist aus dieser geistig einmaligen Situation, eine geistige Spannung, Atmosphäre, die revolutionär gewesen ist und dementsprechend auch behandelt wurde von all den Kulturreaktionären, die wir damals hatten, entstehen."
So gesehen, erreicht Wilhelm Wagenfelds bekanntestes Produkt noch keineswegs die Messlatte, die er selbst für gutes Industriedesign anlegte und die er in seiner Essaysammlung "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" so formulierte:
"Das den Dingen Gestaltgeben ist doch gar nicht so problematisch, wenn man vom Besonderen ein wenig absieht, mehr dafür auf das einfache Wohltun bedacht ist und so auf das unauffällige Nützen und Dasein in der häuslichen Welt."
Mit dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau 1925 haben sich die Konstruktivisten um Moholy-Nagy endgültig durchgesetzt - eine Konsequenz, die Wilhelm Wagenfeld nicht mitträgt. Er unterrichtet fortan an der Staatlichen Bauhochschule Weimar, wird Leiter der dortigen Metallwerkstatt. In dieser Zeit entwirft er Metallschalen, Wasserkessel, Stövchen und rund ein Dutzend Tisch- und Deckenleuchten. Als die Nationalsozialisten, die bereits 1930 die Macht in Thüringen erringen, die Bauhochschule schließen, schlägt sich Wagenfeld freiberuflich als Formgestalter durch. Eine Zusammenarbeit mit dem renommierten "Jenaer Glaswerk Schott & Genossen" bahnt sich an. Walter Scheiffele, Designer in Berlin, skizziert die Anfänge dieser Kooperation:
"Sie ist über eine Ausstellung zustande gekommen, die im Jenaer Kunstverein stattfindet. Da werden die Metallarbeiten aus der Bauhochschule ausgestellt, und Erich Schott befindet sich unter den Besuchern dieser Ausstellung, und er hört einen Vortrag von Wagenfeld über "Handwerk und Maschine", und Wagenfeld kritisiert in diesem Vortrag die Industriellen und sagt, sie wären nicht in der Lage, die Künstler in den Entwurfsprozess zu integrieren, und es wäre eigentlich ein Unding, dass nur Wissenschaftler und Ingenieure beim Entwicklungsprozess des Industrieprodukts beteiligt wären. Schott reagiert darauf und engagiert Wagenfeld versuchsweise für die Haushaltsgläser, die jetzt gerade neu auf den Markt kommen."
Zwei Dutzend Artikel aus feuerfestem Glas entwirft Wagenfeld für den Jenaer Hersteller - vom kompletten Nurglas-Teeservice über Milchtöpfe und Eierkocher bis zur gläsernen Backschüssel.
Wilhelm Wagenfeld hat die Auflaufbehälter aus feuerfestem Glas nicht erfunden. Aber er überarbeitet die Formen, betont die Griffe, die nun so aussehen, als seien sie aus dem flüssigen Glas herausmodelliert. Von ihm statt die Idee, den Deckel selber als separate Backform zu verwenden. Und er denkt sich auch gleich die Werbeslogans aus:
"Und nach dem Essen wirklich nur ein Topf zum Abwaschen, denn Jenaer Glas ist Topf und Tafelgeschirr zugleich."
Für die grafische Gestaltung der Anzeigen wird sein ehemaliger Bauhaus-Lehrer László Moholy-Nagy verpflichtet. So haben die beiden Gelegenheit, ihren alten Disput über das Bauhaus fortzusetzen, wie Wagenfeld sich 1969 schmunzelnd erinnerte:
"Als Moholy nun sah, dass ich mich abkehrte von der Zylinderform und zurückkehrte zur glas-organischen Tropfenform, und von der aus die Krüge zu entwickeln suchte, sagte er zornig zu mir: "Wagenfeld, was machen Sie? Sie verraten Bauhaus! Wir haben gekämpft für Kugel, Zylinder, Kubus, und Sie machen Romantik!"
1935 bekommt Wagenfeld die Gelegenheit, in der großen Industrie die Probe aufs Exempel zu machen. Er wird "künstlerischer Leiter" der "Vereinigten Lausitzer Glaswerke", damals die größte Glashütte Europas. 60.000 Artikel - vom Aschenbecher bis zur Bodenvase, vom Weckglas bis zum Sektkelch, alles, was man aus Glas blasen oder pressen kann, wird in dem riesigen Werk in Weisswasser produziert.
Vor allem das Pressglas, aus dem das billige Sortiment hergestellt wird, fordert Wilhelm Wagenfeld heraus.
"Wir müssen ausgehen von dem Massenprodukt. Und das, was millionenfach produziert wird, das ist wichtig. Schon in der Lausitz, die Gläser, wo ich die künstlerische Leitung hatte, da war es so, dass wir, meinem Vorschlag entsprechend, gerade das billigste Glas zuallererst kultivierten, aber dann ein Luxusglas gleichzeitig, denn man braucht eine Oberstufe immer wieder, um von diesen Oberstufen her auf jeden Fall rege zu bleiben, und mit höchsten Ansprüchen auf das Billigste weiterzuarbeiten. Denn das billigste Glas, dass man sagen kann: "Es ist ja nur für den Arbeiter." Das ist ganz falsch. Man muss davon ausgehen, dass oft die Arbeiter die intelligenteren sind, viel intelligenter als die Unternehmer und die reichen Zeitgenossen."
Im Entwurfsbüro der Hütte, seinem "künstlerischen Laboratorium", überarbeitet und strafft Wagenfeld das immense Sortiment. Seine "Produktphilosophie" hat Mitte der 30er Jahre die kunsthandwerklichen Eierschalen aus der Bauhauszeit endgültig abgestreift, der Übergang zum Industriedesign ist gebahnt. 1937 schreibt er:
"Nichts "Besonderes" und "Originelles" wollen wir schaffen. Vielmehr bemühen wir uns, mitzuhelfen und mitzuwirken für neue Gläser, die den alten ebenbürtig sein können. Nicht der Entwurf soll diesen Gläsern charakteristisch sein, sondern die Hütte und Fabrik, aus der sie kommen. Sie sollen das Gesicht dieses Industriewerks sein, Ausdruck seines Schaffens und Strebens."
Hierin drückt sich ein Gedanke aus, den 30 Jahre zuvor bereits Peter Behrens exemplarisch für den Elektrohersteller AEG formuliert hatte: die Forderung nach einem einheitlich gestalteten Erscheinungsbild für ein Unternehmen, heute Corporate Identity genannt.
Aber Wagenfeld wäre nicht Wagenfeld, wenn er neben der "Entschnörkelung", "Glättung" und "Läuterung" des Lausitzer Altsortiments nicht auch neue Ideen zur Produktionsreife gebracht hätte. Walter Scheiffele:
"Da kommt ja dann dieses berühmte Kubusgeschirr als Kühlschrank- und Speisekammervorratsbehälter von ihm auf den Markt und wird ein Riesenerfolg."
Zugegeben: Heute hat Earl S. Tupper, der Erfinder von "Tupperware", Wagenfeld die Schau in Kühlschrank und Speisekammer gestohlen. Aber unbestritten war der "Mustermacher" aus der Lausitz mit seinen eckigen Vorratsbehältern aus Pressglas - schneller! 1938, acht Jahre vor Tuppers Patent auf eine luftdicht verschließbare Polyäthylen-Box, bringt die Hütte in Weisswasser einen Satz von sieben Behältern heraus, die an Glasbausteine erinnern und tatsächlich auf einem Baukastensystem basieren: Ausgangsform ist ein quadratischer Behälter, 18 x 18 Zentimeter groß und acht Zentimeter hoch. Die nächste Box ergibt sich aus der Halbierung der vorher gehenden; der kleinste Kubus besitzt ein Viertel vom Volumen des Ausgangskörpers. Die Kuben lassen sich mit flachen Glasdeckeln verschließen und auf engstem Raum, etwa im Kühlschrank, stapeln.
Formal erinnert Wagenfelds Entwurf an die strenge Sprache des späten Bauhauses. Im Kern aber handelt es sich um reines Industrie-Design, denn die Kuben sind aus billigem Pressglas und lassen sich in großen Stückzahlen maschinell herstellen.
Wiederholt wird der "künstlerische Leiter" der Lausitzer Glaswerke bedrängt, in die NSDAP einzutreten. Wagenfeld weigert sich. Daraufhin wird er 1944 eingezogen und an die Ostfront abkommandiert. 1945 kehrt er krank aus sowjetischer Gefangenschaft zurück. Das Werk ist weitgehend zerstört, sein "künstlerisches Laboratorium" liegt in Trümmern.
"Erstmal hatten die Russen ja alles demontiert gehabt, aber es gab doch ein paar Öfen, mit denen man wieder arbeiten konnte, und da hat er sofort wieder angefangen. Es wurde das Notwendigste gemacht. Das, was ganz wichtig war. Und da hieß es ja auch: Für die Kriegsgeschädigten müssen wir ein ganz simples Service machen, was man täglich brauchen kann, es darf auch nicht zu dünn sein, und so richtig derbe Gläser machen."
Mit "richtig derben Gläsern", wie sie die sowjetische Militärverwaltung und das Ministerium in Dresden wünschten, konnte man freilich Wilhelm Wagenfeld nicht kommen. Er zieht sich aus der aktiven Entwurfstätigkeit zurück und tritt 1947 eine Professur an der Berliner Hochschule für Bildende Künste an. In dieser Zeit entstehen kaum eigene Entwürfe, er nutzt die Zäsur, seine Erfahrungen und Schlussfolgerungen niederzuschreiben. Unter dem Titel "Wesen und Gestalt der Dinge um uns" erscheint 1948 eine Sammlung von Aufsätzen, in denen er eine radikale Rückbesinnung auf das Qualitätsdenken fordert.
"Bei der jetzigen Armut in unserem Lande wiegt alles Sinnlose doppelt schwer. Was jetzt gebaut wird und entsteht an Hausgeräten muss in jedem ein würdiger Anfang sein. Keine Notbehelfe dürfen entstehen, die Fabrikation muss von dem ausgehen, was die Besten hierfür durchdacht haben von der Jahrhundertwende bis in unsere Zeit."
In einer Zeit der Not, in der man Stahlhelme perforierte, um daraus Küchensiebe zu machen und aus Gasmaskenfiltern Kerzenhalter wurden, war Wagenfelds Position alles andere als populär. Und es brauchte einige Jahre und eine Zeit wirtschaftlicher Erholung, bis er selber wieder Gelegenheit bekam, für namhafte Hersteller zu arbeiten. Darunter: die WMF, die Württembergische Metallwarenfabrik.
"Einmal hat er die Werke besichtigt in Geislingen und hat gesagt: "Die können noch was. Das ist noch Qualität! Und da kann man Schönes machen, man muss nicht für Lieschen Müller irgendwas machen." Und dann kam die große Enttäuschung!"
Wagenfeld arbeitet für den Papierkorb. Das Sortiment des Großbetriebs bedient einen bieder-konventionellen Publikumsgeschmack und beruht meist auf Entwürfen aus den 30er und 40er Jahren. Wagenfelds Vorschläge gelten als gewagt und werden von den einflussreichen Handelsvertretern häufig abgebügelt. Wagenfeld ist bei der WMF nur einer unter vielen Produktgestaltern, und seine Erfolge verschaffen ihm in der schwäbischen Firma keine ähnlich starke Stellung, wie er sie zuvor bei der Lausitzer Glashütte gehabt hat. 1954 zieht er die Konsequenzen: Er kündigt und macht sich mit einer eigenen Entwicklungs- und Versuchswerkstatt in Stuttgart selbstständig - der "Werkstatt Wagenfeld". In seinem neuen "künstlerischen Labor "in der Breitlingstraße beschäftigt er ein halbes Dutzend junger Mitarbeiter - Modelleure, Technische Zeichner, Silberschmiede. Sein Mitarbeiter Heinz Pfaender hatte damals gerade sein Architekturstudium abgeschlossen.
"Wagenfeld war ja keinesfalls so, dass er gesagt hat: "Das ist 90 Prozent fertig, nix wie weg, damit es Geld bringt." Er hat überhaupt nicht an das Geld gedacht, sondern wollte das Beste abliefern, was zu machen ist. Und da ging es an die Firma, und dann kam es wieder zurück, nein, sie wollten das so und so geändert haben! Das Schlimmste war ja, wenn die irgendein Dekor drauf wollten, irgend ein Blümchen oder so, das haben wir natürlich abgelehnt."
Am Anfang jeder Entwurfsarbeit stand eine oft nur briefmarkengroße Skizze Wagenfelds. Mit einem Episkop wurde sie vergrößert und in eine Zeichnung mit genauen Maßen umgesetzt. Dann schlug die Stunde der Modelleure: Sie formten das erste dreidimensionale Modell im Maßstab eins zu eins, meist aus Ton oder Gips. Eine wahre Plackerei!
"Mustermacher" Wagenfeld war durchaus pedantisch, ließ keine Abstriche zu, immer getrieben von seinen Idealen.
"Er wollte Dinge machen, die jedermann nützlich sind. Er sagte immer: Die müssen sein wie ein Diener, die müssen da sein, müssen den Leuten nutzen, dürfen aber nicht vorlaut sein, denn von einem Diener möchte man auch nicht, dass er wichtiger ist wie die Herrschaft."
Wichtigste Kundin der "Werkstatt Wagenfeld" ist, bis zum endgültigen Bruch 1966, die WMF. Aber es entstehen auch ein Radio-Phono-Koffer für Braun, Türdrücker, Hausrat und Dutzende von Leuchten für kleinere Firmen. Thematisch beschränkt sich Wilhelm Wagenfeld auf Artikel für den Tisch und auf Hausgerät. Beim Entwurf für Autos und Investitionsgüter fasst er nicht Fuß, sagt Beate Manske, die Geschäftsführerin der Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung.
"Er fühlte sich nicht sicher, wenn er ein Gerät nicht insgesamt entwickelte. Er hat ganz wenige Ausflüge in diese technische Welt gemacht, etwa das erste Braun-Gerät, das nach Design-Gesichtspunkten gestaltet ist, stammt von ihm. Aber schon dort hat er gemerkt: Wenn er keinen Einfluss hat auf die Technik, dann steht er nicht für das Ganze. Das erste Gerät hatte einen zu schwachen Motor. Das hat er sich nie verziehen, dass er eine Hülle für etwas gemacht hat, das innerlich nicht perfekt war. Also entweder machte er das mit, oder er ließ es."
1977 schließt der betagte Prinzipal das "künstlerische Labor" in der Breitlingstraße. Einen Nachfolger gibt es nicht. Die Ära Wagenfeld scheint zu Ende.
Geschickt fädelt die junge Frau schwarze Kabel in die Ösen und zieht die Schrauben mit einem Akkuschrauber fest. Am Nebentisch werden Seriennummern auf Metallplättchen gepunzt. Hier werden Tischlampen von Hand zusammen gesetzt. Aber nicht irgendeine! Als Fuß eine flache Scheibe, der Schaft ein schlanker Zylinder, als Schirm eine Halbkugel aus Opalglas. Glatte Flächen, bloß kein Dekor. Zweifellos, die Bauhaus-Lampe von Wilhelm Wagenfeld ist wieder da.
"Irgendwann habe ich ihn einfach in Stuttgart besucht, er war sehr freundlich, und ich habe ihn ganz simpel gefragt, warum niemand diese Leuchte, die er da in seinem Wohnzimmer stehen hatte, eine alte, herstellt? Und da sagte er so auf seine trockene bremische Art: "Ja, dann machen Sie das doch!"
Und das tat der Kaufmann Walter Schnepel. Wagenfeld erteilte ihm die Lizenz und fertigte eine neue Zeichnung mit geringfügigen, technisch bedingten Änderungen. Die ersten 250 Replikate der Bauhaus-Lampe gingen 1979 weg wie warme Semmeln. Walter Schnepel, dessen Firma Tecnolumen inzwischen auch lizensierte Entwürfe von anderen Bauhaus-Künstlern wie Gyula Pap und Marianne Brandt herstellt, versteht sein unternehmerisches Engagement auch als Wiedergutmachung am Bauhaus:
"Wir haben einen geschichtlichen Nachholbedarf. Denn diese Leuchte wurde Anfang der 20er Jahre entworfen, nie richtig produziert, vielleicht fünfzig Stück, schätzt man heute, dann kam die Hitler-Zeit, und danach hatten wir was anderes zu tun. Und dann kamen, wenn, dann Möbel aus Skandinavien, 50er Jahre. Aber an das Bauhaus hat zu der Zeit niemand gedacht. Und da dachte ich, da gibt es einen Nachholbedarf für so etwas. Und in derselben Zeit sind ja auch von anderen Firmen Bauhaus-Entwürfe für Stühle, Tische und so weiter auch wieder aufgelegt worden. Das lag wohl auch in der Luft."
"Wo Geräte oder Möbel dermaßen schön gestaltet sind, dass sie unbeachtet bleiben, wo sie derart leicht und gut ihren Zweck erfüllen, dass niemand erst fragt, wer sie erdacht hat oder von wem die Form sei, da ist jene Haltung als Wesensart erreicht, an die ich denke."
Als Claudia Christl, Jahrgang 1968, sich zur Goldschmiedin ausbilden ließ, spielte der Name Wagenfeld in Atelier und Berufsschule keine Rolle. Sie schloss eine Silberschmiedelehre an, lieferte als Gesellenstück eine Teekanne in Form einer gedrückten Kugel ab, studierte in Halle an der Burg Giebichenstein. Als Diplom-Designerin ging sie in die Industrie und entwarf sechs Jahre lang als Chefdesignerin Messer, Gabel und Löffel für eine norddeutsche Besteckfabrik. Ihre Garnitur "Divo" aus mattem Edelstahl fällt auf: die Löffel haben eine rechteckige Laffe, die Stiele sind von minimalistischer Schlichtheit.
"Irgendwann dachte ich mir, ich muss jetzt mal ausprobieren, wie eckig so´n Löffel sein kann, und wir hatten damals Kapazitäten eben auch im Modellbau, so dass ich dieses Projekt so nebenbei laufen ließ und irgendwann habe ich den Löffeltest gemacht, also Joghurt essen mit diesem Modell-Löffel, hat wunderbar geklappt, da habe ich dem Produkt-Manager diesen Löffel vorgelegt, und irgendwann stand er strahlend in der Tür, meinte: "Machen wir!"
Inzwischen hat sich Claudia Christl als Produktgestalterin selbstständig gemacht.
"Ein gelungener Entwurf ist ein Entwurf, der eigentlich nicht alt wird, der sozusagen das Zeug zu einem Klassiker hat, wenn ich diesen abgedroschenen Begriff mal benutzen darf. Ein Gegenstand, der nicht permanent ins Auge fällt und irgendwann nervt, es gibt ja unglaublich viele bunte und schrille Dinge, die stellt man sich vielleicht mal ein halbes Jahr irgendwo hin, und dann müssen die aber aus dem Blickfeld, weil sie einfach permanent Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Also sozusagen der stumme Diener, der aber dennoch irgendwie ne gewisse Freude hervorruft beim Benutzen. Das ist ein idealer Gegenstand."
Wilhelm Wagenfeld starb 1990. Acht Jahre später ehrte ihn seine Geburtsstadt Bremen mit der Einweihung des Wilhelm-Wagenfeld-Hauses, das am Rande der Altstadt in einer ehemaligen, mit dorischen Säulen geschmückten klassizistischen Torwache eingerichtet wurde. Das Bremer Design Zentrum und die 1993 gegründete Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung sind hier untergekommen. Regelmäßig finden Ausstellungen zu aktuellen Trends der Branche statt.
Auch für Peter Zec, Direktor des Design Zentrums Nordrhein-Westfalen in Essen, gehört "Mustermacher" Wilhelm Wagenfeld zu den Pionieren des Industriedesigns. Für typisch Wagenfeld hält er einen Artikel, der bis heute unverändert hergestellt wird:
"Mir fallen hierzu die Salzstreuer "Max und Moritz" ein, aber nicht deswegen, weil sie so besonders gut zu gebrauchen sind, sondern weil sie einfach so sinnfällig sind."
Wagenfeld hatte die zierlichen, griffgerechten, wie eine Sanduhr taillierten Salz- und Pfefferstreuer 1954 für die WMF entworfen.
"Sie sind ja zeitlich zuzuordnen. Man erkennt ja darin die 50er, 60er Jahre wieder. Sie haben also auch auf einem Nierentisch nicht gestört. Aber sie passen eben auch heute noch in unsere Intercity-Züge, und sie passen auch heute noch in einen avantgardistischen Haushalt. Diese Form von "Max und Moritz" ist für mich wirklich ein gelungenes Produkt, bei dem die Funktionalität und der Gebrauch nicht augenfällig im Vordergrund stehen, aber gleichwohl vorhanden ist, und letztendlich sie wirklich etwas zum Ausdruck bringen, was Wagenfeld als Schönheit bezeichnet hätte."
"Jeder denkt, die sind perdü.
Aber nein, noch leben sie!"